Viele Katholiken wollen Glauben leben statt Sexualmoral diskutieren

18. Oktober 2012 in Deutschland


Ruhrbischof Overbeck spricht von „Anzeichen der Neupositionierung“ bei den praktizierenden Katholiken: „Da dreht sich etwas.“


Essen (kath.net/pl) „Viele Katholiken haben tiefer greifende Fragen als die nach dem Zölibat oder dem Frauenpriestertum. Ihnen ist wichtig, ihren Glauben an Gott zu leben und – salopp gesagt – nicht andauernd über Sexualmoral zu diskutieren. Sie suchen Besinnung, Orientierung und lassen sich ihre Entscheidungen, wie sie leben, nicht mehr abnehmen. Ich bin zuversichtlich, dass diese Entwicklung die Gläubigen auf Dauer neu zu Gott und auch wieder in die Kirche führen wird.“ Dies sagte Franz-Josef Overbeck (Foto), der Bischof von Essen, in einem Interview mit „Der Westen“ und wies explizit auf diese „Anzeichen der Neupositionierung“ hin: „Da dreht sich etwas“.

Die Kirche verändere sich „Schritt für Schritt, nicht in großen Sprüngen, von einem Tag auf den anderen“. Dabei schließt der Ruhrbischof einige der von manchen geforderten Veränderungen klar aus. In der Frage der Zulassung von Geschiedenen, die zivilrechtlich neu verheiratet sind, erläuterte er: „Da ist unsere Haltung eindeutig. Dass dies auch künftig nicht möglich sein wird, hat der neue Präfekt der Glaubenskongregation in Rom kürzlich noch einmal bestätigt. Das hohe Gut der Unauflöslichkeit der Ehe ist nicht verhandelbar.“ Auch in der Frage der Antibaby-Pille und der Kondome sei die kirchliche Haltung „eindeutig. Papst Benedikt XVI. hat sich dazu mehrfach klar geäußert, wie wir alle wissen“.

Zur Rolle der Frau erklärte Overbeck: „Papst Johannes Paul II. hat erklärt, die Kirche habe kein Recht, Frauen zu Priesterinnen zu weihen. Dem ist hier nichts hinzuzufügen. Aber unabhängig davon können und werden Frauen zunehmend in der Kirche Verantwortung übernehmen“, er würde es sehr begrüßen, wenn sich der Anteil von derzeit 25 Prozent Frauen in kirchlichen Leitungsfunktionen erhöhen würde.

Overbeck stellte fest, er sehe keinen Sinn darin, sich festzukämpfen „an Punkten, die auf absehbare Zeit nicht zu ändern sind“. Vielmehr gehe es ihm „um einen lebendigen Glauben, wie wir ihn jetzt leben können. Aber ich räume ein: Die Katholische Kirche zahlt für ihre Haltung einen hohen Preis“ in der Form, dass sich „viele Menschen“ von ihr abwendeten, „ihren Glauben abseits der Amtskirche“ lebten oder „an anderen Orten“ Orientierung suchten. Die seelischen Nöte vieler Gläubiger, „etwa bei den Geschiedenen“, belasteten die Geistlichen „enorm“.

Die Bezeichnung „Reformkonzil“ für das II. Vatikanische Konzil lehnte der Ruhrbischof völlig ab. Es habe zwar „Veränderungen und Neuerungen“ gebracht, „aber keine Reform, im Sinne, dass einfach alles ganz anders wurde“. „1962 hat sich die Kirche der Moderne gestellt. Nicht mehr und nicht weniger. Das Etikett ‚Reformen‘ im umgangssprachlichen Sinn erhielt das Konzil erst nachträglich durch die Zeiten der so genannten 68er-Bewegung“. Das II. Vatikanum dauerte bis Ende 1965, so erläuterte er weiter, und „die allmähliche Umsetzung der Veränderungen fiel dann genau in die Zeit der 68er-Bewegung. Eine neue Bewertung der Sexualität, die Gleichstellung der Frau und einiges mehr – all diese Forderungen der 68er wurden plötzlich auch auf die Kirche bezogen. Das alles hatte aber mit dem, was zuvor auf dem Konzil beraten und beschlossen worden war, nicht viel zu tun.“

Foto Bischof Overbeck: (c) Bistum Essen


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