'Für mich ist Anna Schäffer eine Heilige der Hoffnung'

19. Oktober 2012 in Interview


Anna Schäffer wird am Sonntag von Papst Benedikt heiliggesprochen. Ingrid Wagner, Referentin der „Jugend 2000“ erzählt im Interview mit der katholischen Sonntagszeitung, was sie persönlich an der Patronin ihrer Jugendbewegung schätzt.


Regensburg (kath.net/KatholischeSonntagszeitung) „Für mich ist Anna Schäffer eine Heilige der Hoffnung.“ Ingrid Wagner (Foto) berichtet im Interview über die Regensburgerin Anna Schäffer, die am kommenden Sonntag von Papst Benedikt XVI. in Rom heiliggesprochen werden wird. Wagner hat schon seit ihrer Kindheit das Grab von Anna Schäffer besucht, sie ist Referentin der Jugendbewegung „Jugend 2000“, die sich Schäffer als Patronin ausgewählt hat.


Katholische Sonntagszeitung: Wann ist für Sie ein Mensch heilig?

Ingrid Wagner: Ich glaube, dass es neben den offiziell heiliggesprochenen Menschen viele gibt, die ein heiligmäßiges Leben gelebt haben und leben. Heilig sein bedeutet für mich in tiefer Gemeinschaft mit Gott zu leben und so fähig zu sein, sich für die Liebe zu entscheiden. Das schenkt dem Menschen eine große Freiheit und einen inneren Frieden. Es hilft, sich selbst nicht so wichtig zu nehmen und für den anderen da zu sein. Der selige Johannes Paul II. hat bei den Weltjugendtagen die Jugendlichen immer aufgerufen, die Heiligen des neuen Jahrtausends zu sein. Es ist eine Einladung an uns alle.

Katholische Sonntagszeitung: Heilige – darunter stellt man sich hauptsächlich die großen Glaubenszeugen des frühen Christentums vor. Braucht die Kirche heute noch Heilige und Heiligsprechungen?

Wagner: Ja, wir brauchen auch heute Heilige, als Vorbilder und Fürsprecher für unser alltägliches Leben. Jeder Heilige zeigt uns eine andere Eigenschaft Gottes. Es gibt Heilige in fast jedem Land der Erde, es gibt welche, die jung gestorben sind, und solche, die sehr lange gelebt haben; es gibt unter den Heiligen viele Priester und Ordensleute, aber auch Ehepaare, Ärztinnen, Mütter, Journalisten, Schüler. Ganz unterschiedliche Menschen aus den unterschiedlichen Lebenswelten.

So kann jeder Mensch in seiner persönlichen Lebenssituation Heilige finden, die ihm sympathisch sind, die ihm durch ihr Vorbild helfen, das Leben zu meistern. Ich denke z.B. an Pier Giorgio Frassati, ein jugendlicher Heiliger aus Italien, der es geliebt hat, in die Berge zu gehen, der sich gefreut hat am Leben und der ein großes Vorbild sein kann für die Jugendlichen heute: in seiner Fröhlichkeit und in seiner Entschiedenheit den Weg mit Gott zu gehen. Jeder Heilige verweist uns auch auf die Ewigkeit bei Gott, das Ziel unseres Lebens. Das ist ein großer Trost und eine Hoffnung für unser Leben.

Katholische Sonntagszeitung: Was ist an Anna Schäffer das Vorbildliche für uns Christen?

Wagner: Eine wichtige Botschaft für uns Christen wie für alle Menschen ist, dass wir auch im Leiden, in unseren Sorgen, in unserer Einsamkeit, in unserer Traurigkeit von Gott geliebt sind. Dass er immer für uns da ist und wir nie den Mut verlieren müssen, auch nicht in scheinbar ausweglosen Situationen. Für mich ist Anna Schäffer eine Heilige der Hoffnung.

Ich bin sehr beeindruckt von einem Satz von ihr: „Vereint mit Jesus bin ich allzeit glücklich“. Niemals würde man oberflächlich so etwas sagen können. Ein Mensch, der ans Bett gefesselt ist, 25 Jahre lang mit großen Schmerzen, kann so etwas nur verbunden mit Gott sagen. Anna Schäffer hat Gott an die erste Stelle ihres Lebens gestellt. Sie hat eine unglaubliche Kraft aus den Sakramenten, besonders der Hl. Kommunion, geschöpft. Ich denke, sie lädt uns Christen ein, uns wieder neu bewusst zu machen, was für eine Kraftquelle die Begegnung mit Gott, die Eucharistie und das Gebet sind.

Ebenfalls besonders beeindruckend ist für mich, dass sie nicht stehengeblieben ist in ihrem Leid, sondern immer offen war für die Not der anderen. Sie hat vielen Menschen geholfen wo sie nur konnte, vor allem durch ihr Gebet, aber auch durch ihre Briefe, ihre Worte und Taten.

Katholische Sonntagszeitung: Ist Anna Schäfer eine Person, die man Jugendlichen als Vorbild nahe bringen kann?

Wagner: Zu ihren Lebzeiten war Anna Schäffer sehr verbunden mit den Jugendlichen ihres Dorfes. Bei Fahnenweihen und anderen Festen im Dorf sind die Jugendlichen zu Anna Schäffer gegangen. Sehr erstaunlich, da diese Frau im Bett lag und sich kaum bewegen konnte. Die Jugendlichen sind gekommen, um mit ihr zu sein und ihr Freude zu machen. Aber auch umgekehrt: Anna Schäffer hat den jungen Leuten zugehört und sie getröstet, in dem was sie gerade erlebten.

Ich kenne Anna Schäffer seit meiner Kindheit, da ich drei Kilometer von Mindelstetten entfernt aufgewachsen bin. So bin ich immer wieder bei ihr am Grab gewesen. Auch wenn ich nicht alles verstanden habe, so habe ich doch mit der Zeit einen Menschen entdeckt, der trotz schwerem Leid die Hoffnung nicht verloren hat. Das hat mir geholfen und hilft mir auch heute noch, wenn etwas in meinem Leben nicht so läuft, wie ich es möchte, oder ich sprachlos dastehe vor dem Leiden anderer. Anna Schäffer hilft uns, weiter zu sehen, als zu dem was im Moment ist, über das hinaus, was ich unbedingt und jetzt haben möchte. Sie hilft mir, den Sinn des Lebens zu entdecken, darin ist auch enthalten, den Sinn des Leidens zu erspüren. Auch wenn wir alles tun, um das Leiden zu verringern, wir können es nicht abschaffen. Leiden und Menschsein sind untrennbar miteinander verbunden. Dadurch lernen wir auch mit anderen mitzuleiden und zu lieben. Das ist eine lebenslange Aufgabe.

Ich bin sicher, dass sie speziell auch den jungen Menschen eine große Fürsprecherin bei Gott ist, nicht nur bei großen und schweren Anliegen, sondern auch bei den alltäglichen Dingen, die einen Jugendlichen beschäftigen. Mir hat sie schon sehr oft geholfen.

Katholische Sonntagszeitung: Welche besondere Beziehung hat die Jugend 2000 zu Anna Schäffer?

Wagner: Die Jugend 2000 in der Diözese Regensburg ist rund um Mindelstetten entstanden. So gab es schon immer eine enge Beziehung zu Anna Schäffer. Wir waren oft an ihrem Grab. Etwas ganz Besonderes ist, dass die Jugend 2000 als katholische Jugendbewegung an ihrem 75. Todestag, am 5. Oktober 2000, in Mindelstetten als katholische Jugendbewegung in der Diözese Regensburg kirchlich anerkannt wurde. Seitdem ist sie auch die Patronin der Jugend 2000. Sie hat uns sehr geprägt und tut es immer noch.

Die große Verbindung zur Jugend 2000 ist besonders auch der Wunsch von Anna Schäffer, in die Mission zu gehen. Durch den schweren Unfall ist ihr Traum zerplatzt, aber sie hat diesen Wunsch, diese Sehnsucht weiter in ihrem Herzen getragen. Diese Sehnsucht hat auch die Jugend 2000 im Herzen, die Mission, die Neuevangelisation, die Freude am Glauben, die Freundschaft mit Jesus, aber auch die Stärkung aus den Sakramenten, besonders der Eucharistie zu den jungen Menschen zu bringen. Deshalb laden wir die Jugendlichen ein zu den Prayerfestivals, zu Nightfever und vielen anderen Veranstaltungen, um ihnen einen neuen oder vertieften Zugang zum Glauben zu ermöglichen. Das ist unser Ziel und unsere Hoffnung. Anna Schäffer ist uns darin eine große Fürsprecherin.

Katholische Sonntagszeitung: Wie feiert die Jugend 2000 die Heiligsprechung von Anna Schäffer?

Wagner: Wir feiern in Rom zusammen mit Papst Benedikt XVI. und vielen, vielen Gläubigen. Diejenigen, die nicht mitfahren können, werden in Mindelstetten oder zu Hause am Bildschirm dieses große Ereignis miterleben.

Die Jugend 2000 freut sich sehr auf die Heiligsprechung und ist auch ein wenig stolz darauf, nun eine Heilige als Patronin zu haben. Wir werden sie weiter um ihre Fürsprache bitten und ihrer Einladung gerne folgen: „Geh nur an mein Grab, ich versteh dich schon!“ Wir haben das schon oft erlebt, sie versteht einen wirklich!

kathTube: Video des Bistums Regensburg gibt eine schöne Hinführung zu Anna Schäffer:


Foto Ingrid Wagner: © Katholisches Sonntagsblatt


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