30. Oktober 2012 in Weltkirche
Gestern haben Ägyptens 15 Millionen Christen drei Anwärter auf die Nachfolge des hl. Markus gewählt. Jetzt liegt alles in Gottes Händen. Von Michael Hesemann
Kairo (kath.net) Eine koptische Papstwahl ist nicht mit einem römischen Konklave zu vergleichen. Sie dauert länger, hat sehr viel mehr Wahlberechtigte, ein breiteres Spektrum an Kandidaten und endet mit einem Gottesurteil. Dabei folgt sie einer uralten Praxis, die noch aus apostolischer Zeit stammt und es lohnend macht, das gewiss umständliche, zugleich aber faszinierende Verfahren genauer zu betrachten.
Am 17. März 2012 verstarb Ägyptens letzter, großer Papst, Shenouda III. (1971-2012), der 117. Nachfolger des hl. Evangelisten Markus auf dem Thron des Patriarchen von Alexandria bei Ägypten, der Pentapolis (Libyen) und ganz Afrika, wie sein offizieller Titel lautete (Seit dem 3. Jahrhundert wird das Oberhaupt der ägyptischen Christen auch als Papst bezeichnet, gut ein Jahrhundert vor dem Bischof von Rom). Erst nach seiner Bestattung in einem Wüstenkloster im Wadi Natrun und einer vierzigtägigen Trauerzeit begann die koptisch-orthodoxe Kirche mit den Vorbereitungen zur Wahl seines Nachfolgers.
Das Verfahren dazu ist kompliziert. Geregelt wird es durch die zweitausendjährige Tradition und ein Präsidentendekret aus dem Jahr 1957. Gewöhnlich dauert der Wahlprozess mindestens drei Monate. Doch die Veränderung der Machtverhältnisse in Ägypten, die Präsidentenwahl vom Juni, aus der Muhammad Mursi von der islamistischen Moslembruderschaft als Sieger hervorging, führte dazu, dass man die entscheidende Phase in den Herbst verlegte. Bis dahin sollte ein Interims-Patriarch, der Metropolit Pachomius, kommissarisch die koptische Kirche leiten.
Der Papst der Kopten wird von drei Gruppen von Wahlberechtigten gewählt: Den Mitgliedern der Heiligen Synode, der bis zu 150 Bischöfe der koptisch-orthodoxen Kirche angehören, dem sogenannten Millet-Rat, einem Laiengremium, und schließlich einer offiziell vom ägyptischen Präsidenten ernannten Gruppe wichtiger koptischer Persönlichkeiten. Insgesamt sind es 2412 Männer und Frauen, die an der Wahl beteiligt sind. Mehr als die Hälfte davon sind Laien, darunter Delegierte der Diözesen, koptische Politiker, Wissenschaftler und Journalisten. Die Frauenquote der Versammlung liegt bei etwa 5 %. Erstmals bei einer koptischen Papstwahl spielen auch Stimmen aus dem Ausland eine Rolle: ein Fünftel der Wähler stammt aus der koptischen Diaspora, also aus Amerika, Europa und Australien.
Koordiniert wird die Wahl von einem Wahlausschuss, der sich aus zwölf Bischöfen der Heiligen Synode und zwölf Vertretern des Millet-Rates, darunter zwei Frauen, zusammensetzt. Zunächst bat dieses Komitee um Vorschläge von Kandidaten, die für das Patriarchenamt infrage kämen. Wählbar waren Bischöfe und Mönche, die älter als 40 Jahre sind und mindestens 15 Jahre in einem Kloster gelebt haben. Aus diesen Vorschlägen wurde schließlich eine Liste von 17 Persönlichkeiten, sechs Bischöfen und elf Mönchen, erstellt und Ende Juni den Gläubigen präsentiert. Sie hatten jetzt den ganzen Sommer über Zeit, begründeten Einspruch gegen diesen oder jenen Kandidaten vorzubringen.
Schließlich gab der Wahlausschuss am 13. Oktober die Namen der Vorauswahl bekannt zwei Bischöfe und drei Mönchspriester waren jetzt als Kandidaten übrig. Manche, die bislang als papabile galten, fehlten. So etwa der führende Theologe der koptischen Kirche, Metropolit Bishoy, der seit Jahren für den ökumenischen Dialog zuständig ist, oder Anba Juhanis, der langjährige Sekretär von Papst Shenouda III. Stattdessen waren es weitgehend unbekannte Gesichter, gewiss keine Persönlichkeiten, die polarisieren könnten; der jüngste, der Mönch Abuna Pachomios, ist 49 Jahre alt, der Älteste, Abuna Raphael, schon 70. Weitere Kandidaten waren der 53jährige Mönch Abuna Seraphim, der in den USA lebt, sowie zwei Bischöfe, die zu den Mitarbeitern Shenoudas III. gehört haben, Anba Raphael (58) und Anba Tawadros (59).
Der nächste Schritt war, von der Vollversammlung aller Wahlberechtigten aus diesen fünf Kandidaten jene drei für das letztendliche Gottesurteil wählen zu lassen. Zunächst war dafür ein Termin Ende November angesetzt, dann entschloss man sich, ihn um ganze vier Wochen vorzuziehen. So kamen die 2412 Wahlberechtigten, unter ihnen auch der Generalbischof der Kopten in Deutschland, Anba Damian, am 29. Oktober 2012 in der Kairoer St. Markus-Kathedrale zusammen. Nach einer feierlichen Liturgie gab jeder Einzelne ab 9.00 Uhr früh seine Stimme ab. Der ganze Wahlvorgang wurde live vom koptischen Fernsehsender CTV in alle Welt übertragen, um größtmögliche Transparenz zu garantieren. Schließlich verkündete Metropolit Pachomius gegen 21.00 Uhr Ortszeit das Ergebnis der Auszählung der 2412 Stimmzettel.
Drei Männer (s. Foto) wurden ausgewählt:
Der Mystiker: Der Mönchspriester Abuna Raphael Ava Mina, wurde am 18.10.1942 in Shubra/Kairo geboren. Nach seinem Jura-Studium wurde er Diakon und persönlicher Schüler des hl. Papstes Kyrillos VI. (1959-1971). Als Kyrillos an einer der ältesten Wallfahrtsstätten des frühchristlichen Ägyptens, dem Grab des wundertätigen Märtyrers Menas bei Daryut südwestlich von Alexandria, ein Kloster gründete, trat Abuna Raphael ihm umgehend bei, um dort die Vision seines Lehrers von einem neuen geistigen Zentrum der koptischen Kirche zu verwirklichen. Die Neugeburt des Menas-Heiligtums wurde zum Symbol für die Renaissance der koptischen Kirche unter Kyrillos. Nach dem Tod seines Lehrers zog sich Abuna Raphael zurück und widmete sich fortan ganz seinen Studien. Er schrieb 25 Bücher und wurde zum spirituellen Vater vieler junger Mönche und Nonnen. Er gilt als der Konservative unter den drei Kandidaten.
Der Diplomat: Der Bischof Anba Tawadros, geb. am 4.11.1952 in Damanhur, ist in jeder Hinsicht der Mann der Mitte. In Kairo und Alexandria studierte er Pharmazeutik, in England wurde er Mitglied der International Health Society. 1988 trat er in das Anba-Bishoy-Kloster im Wadi Natrun ein, bevor er ein Jahr später zum Priester geweiht wurde. 1997 ernannte ihn Papst Shenouda zum Bischof von El-Boheera. Anba Tawadros ist Kosmopolit, kennt auch Europa gut (seine letzte Auslandsreise im Sommer 2012 führte ihn nach Österreich) und gilt als exzellenter Diplomat seiner Kirche. Metropolit Pachomius ernannte ihn zum Verwalter des Patriarchats.
Der Seelsorger: Der gewiss populärste Kandidat, der die meisten Stimmen auf sich vereinigen konnte, ist der Generalbischof für die Innenstadt von Kairo, Anba Raphael. Am 6. Mai 1958 geboren, schloss er 1982 sein Medizinstudium ab. Fünf Jahre später, 1987, trat er in das Kloster der Römer im Wadi Natrun ein. Dort leitete er die Klosterklinik und war für die Betreuung von Besuchern zuständig. 1995 empfing er die Priesterweihe, 1997 die Ernennung zum Bischof, zunächst für die Kirchen Zentralägyptens. Er wird als Arzt der Armen aber auch wegen seiner väterlichen Fürsorge für die Jugend geliebt und gilt als Mann des Ausgleichs, der es tunlichst vermeidet, Religion und Politik zu vermischen.
Im Anschluss an die Wahl rief Metropolit Pachomius alle Kopten auf, ab dem 31. Oktober drei Tage lang zu fasten und zu beten. Am Sonntag, dem 4. November entscheidet schließlich ein Gottesurteil, wer am 18. November als 118. Nachfolger des hl. Markus gekrönt wird. Im Anschluss an eine feierliche Liturgie in der St. Markus-Kathedrale wird ein neunjähriger Junge mit verbundenen Augen eines der drei Lose ziehen, auf denen die Namen der Kandidaten stehen. Denn nur Gott allein weiß, welcher Hirte Ägyptens Christen am sichersten durch diese schwere Zeit führen kann
Michael Hesemann ist Historiker und Autor zahlreicher Bücher zu kirchlichen Themen. Sein neuestes Buch Jesus in Ägypten. Das Geheimnis der Kopten erschien im September 2012.
kath.net-Lesetipp:
Michael Hesemann
Jesus in Ägypten
Das Geheimnis der Kopten
Herbig-Verlag München
363 S., zahlr. Farbabb.
25,70
Alle Bücher und Medien können direkt bei KATH.NET in Zusammenarbeit mit der Buchhandlung Christlicher Medienversand Christoph Hurnaus (Auslieferung Österreich und Deutschland) und dem RAPHAEL Buchversand (Auslieferung Schweiz) bestellt werden. Es werden die anteiligen Portokosten dazugerechnet. Die Bestellungen werden in den jeweiligen Ländern (A, D, CH) aufgegeben, dadurch entstehen nur Inlandsportokosten.
Für Bestellungen aus Österreich und Deutschland: [email protected]
Für Bestellungen aus der Schweiz: [email protected]
© 2012 www.kath.net