Gotovina-Freispruch verursacht schweren Ökumene-Schaden

21. November 2012 in Aktuelles


Während kroatische katholische Kirche jubelt, herrscht in Serbien auch kirchlicherseits Fassungslosigkeit - Serbisch-orthodoxer Synod kritisiert kroatische Bischöfe scharf


Zagreb-Belgrad (kath.net/KAP) Der Ökumene in Südosteuropa ist durch die jüngsten Haager Freisprüche ein schwerer Schlag versetzt worden. Während nämlich die kroatische katholische Kirche den Freispruch der Generäle Ante Gotovina und Mladen Markac bejubelt und die Erzdiözese Zadar für Sonntag sogar zu einem feierlichen Te Deum in den Dom der Hafenstadt lädt, herrscht in Serbien auch kirchlicherseits Fassungslosigkeit.

Wie der Heilige Synod der serbisch-orthodoxen Kirche in einer Erklärung von Montagabend hervorhob, habe man "mit Unglaube und Empörung" die Nachricht von den Freisprüchen erhalten. In der Erklärung wird auch scharfe Kritik an den katholischen Bischöfen des Nachbarlandes geübt.

Gotovina und Markac waren am Freitag von der Berufungsinstanz des Internationalen Gerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) in Den Haag freigesprochen worden. Die Generäle waren im April 2011 vom ICTY wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu 24 und 18 Jahren Haft verurteilt worden. Die damalige Urteilsbegründung - "Verabredung zum Verbrechen" - wurde jetzt für nichtig erklärt.

Hintergrund der Anklage waren ethnische Säuberungen im Zuge der militärischen Großoffensive "Oluja" ("Sturm") im August 1995 gewesen. Bei der Offensive hatten kroatische Armee und Polizeieinheiten innerhalb von 84 Stunden den Hauptteil der 1991 entstandenen "Republika Srpska Krajina" - sie umfasste rund ein Drittel der kroatischen Territoriums - zurückerobert. Die kroatischen Bischöfe hatten die Gläubigen im April 2011 aufgefordert, für Freisprüche in der Berufung zu beten.

Urteil "dient sicher nicht der Versöhnung"

Wie es in der Erklärung des serbisch-orthodoxen Synods heißt, habe sich das Haager Tribunal "mit dieser schändlichen Gerichtsentscheidung selbst demaskiert und gezeigt, dass es sich um ein politisches Gericht handelt, dem es am wenigsten um Gerechtigkeit und Recht geht". Es sei ein "unehrenhaftes und ungerechtes Urteil" gesprochen worden. Dieses rechtfertige nicht nur die Verbrechen, "sondern es verharmlost sie - und annulliert sie sogar": "Das Urteil dient sicherlich nicht der Versöhnung in diesem Teil Europas, sondern es vertagt diesen auf zukünftige Zeiten", urteilen die orthodoxen Bischöfe.

Scharfe Kritik wird an der Kirche Kroatiens geübt: "Es ist eine verwunderliche und absurde Tatsache, dass der größte Teil der kroatischen Bischöfe - wenn nicht sogar alle - dieses Gerichtsurteil in Verbindung mit Gott und Gottes Vorsehung bringen. Einige meinen sogar, dieses sei Resultat vieler Messen und Gebete für die 'kroatischen Verteidiger', angeführt von diesen zwei "ehrenhaften" und - wie wir jetzt wissen - auch 'unschuldigen' Generälen des 'vaterländischen Krieges'."

Das Haager Urteil gebe zu verstehen, dass "niemand schuldig ist für das Leiden unschuldiger Zivilisten in der militärisch-polizeilichen Aktion der Vertreibung der Krajina-Serben", beklagen die orthodoxen Bischöfe. Sie erwähnen Zahlen von über 200.000 Vertriebenen und Tausenden getöteten Zivilisten, Hunderten niedergebrannten Dörfern und Städten sowie massenhafte Plünderungen von serbischem Besitz. "Der Heilige bischöfliche Synod appelliert an alle ehrlichen Christen in Europa und der Welt, an freiheitsliebende Staaten und gerechtigkeitsliebende Völker, an Menschenrechtsorganisationen und schließlich an das Gewissen der moralischen und intellektuellen Eliten im Osten wie im Westen, über diese noch nie dagewesene Heuchelei jenes Urteil zu sprechen, das sie verdient", heißt es abschließend.

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