Sanguis martyrum - Christenfrei!

27. November 2012 in Weltkirche


Elias Mansour war der letzte Christ, der in Homs lebte. Sanguis martyrum Teil 5 - Ein Gastkommentar von Olaf Tannenberg


Homs (kath.net/Elsas Nacht(b)revier) Abdul Razzaq Tlass ist für viele Syrer ein Held des Bürgerkriegs gegen den Diktator Baschar Al-Assad. Der frühere Leutnant der syrischen Armee und Neffe des in die Türkei geflohenen, ehemaligen Generals und Verteidigungsministers Mustafa Tlass ist der Gründer und Kommandeur der Faruq-Brigade, deren Bataillone mit insgesamt etwa 2.000 Kämpfern zu den aktivsten Einheiten der aufständischen Freien Syrischen Armee gehören. Tlass, einer der ersten Überläufer seit Beginn des Aufstandes, gilt als eine der wichtigsten Figuren der syrischen Rebellen. Und er befehligt die wohl schlagkräftigste Miliz der Regimegegner. Die Operationsbasis der Faruq-Brigade ist die Stadt Homs, gelegen nahe der syrisch-libanesischen Grenze unweit der Kreuzfahrerfestung Krak des Chevaliers. Rund 800.000 Menschen leben dort.

Für beide Bürgerkriegsparteien ist die Protesthochburg Homs von strategischer Bedeutung. Die Linie der Städte Homs, Hama, Rastan und Idlib trennt die Küstengebiete Syriens vom Landesinnern ab; wer dieses Gebiet kontrolliert, beherrscht den Aufmarschraum gegen den dicht besiedelten Nordwesten des Landes und verschafft sich daneben einen Vorteil im Kampf um die wichtige Industriemetropole Aleppo. Entsprechend hart werden von beiden Seiten die Gefechte um Homs geführt. Dabei waren die etwa 50.000 Christen, die sich bis April 2012 in der Stadt befanden, zwischen alle Fronten geraten.

Am 26. April 2012 berichtete Silvanus Petros, der syrisch-orthodoxe Erzbischof von Homs und Hama, dass die meisten der Christen die umkämpfte Stadt verlassen hätten. »Wir wollen gute Beziehungen zu allen Konfliktparteien«, sagte er damals und verwies auf die Bestrebungen der Christen sich neutral zu verhalten. Zu diesem Zeitpunkt waren bereits 250 Christen ums Leben gekommen, Tausende Häuser und Wohnungen zerstört oder geplündert - auch der Amtssitz des Erzbischofs und ein Waisenhaus wurden von den Aufständischen, namentlich von der Faruq-Brigade, beschlagnahmt.

Klar ist derzeit, dass Ende April Homs und die Vorstadt Qusayr von Regierungstruppen eingekreist waren und die Aufständischen eingeschlossen wurden. Dass es heftigen Beschuss gab. Und dass neunzig Prozent der Christen die Stadt verlassen hatten. Ab dieser Stelle widersprechen sich jedoch sämtliche Medienberichte.

War es nun Flucht oder Vertreibung? Die Vorgänge lassen sich aufgrund der diskrepanten Aussagen nur mühsam rekonstruieren. Bereits im März 2012 beklagte jedenfalls die syrisch-orthodoxe Kirche ethnische Säuberungen in Homs durch islamistische Angehörige der Faruq-Brigade, in der auch wahabitische Söldner aus dem Irak und Libyen kämpfen sollen. Neunzig Prozent der Christen wurden vertrieben, ihr Eigentum wurde beschlagnahmt. Man sprach von ›christenreinen‹ Stadtvierteln, wie Hamidiya und Bustan el-Diwan. Betroffene bestätigten die Vertreibung und nannten als Begründung ihren christlichen Glauben. Die ortsansässigen Jesuiten sprachen hingegen von Flucht, da den Christen immer wieder die Nähe zum Assad-Regime unterstellt wurde und man Racheakte befürchtete. Das Kommando der Faruq-Brigade bestätigte lediglich die Festnahme von rund 50 regimetreuen Christen auf dem von ihnen kontrollierten Gebiet. Wo die Gefangenen sich jetzt befinden, ist allerdings unbekannt.

Nun könnte man anhand der vagen Nachrichtenlage durchaus an einer Vertreibung zweifeln - gäbe es da nicht die Aussagen von islamistischen Teilen der Freien Syrischen Armee, wie stolz man doch auf die Schaffung von ›christenfreien‹ Gebieten sei. Logisch wäre etwa auch die naheliegende Erklärung, dass die Einen geflohen sind und die Anderen vertrieben wurden, womit sich die unterschiedlichen Aussagen der Augenzeugen begründen ließen, ohne den Pfad der Wahrheit verlassen zu müssen.

Wie auch immer: Nicht unerwähnt bleiben sollen auch die Vorgänge um die von etwa 12.000 syrisch-katholischen Christen bewohnte Ortschaft Rableh nahe Qusayr bei Homs, die ohne jede Erfordernis von einer der Al-Qaida nahestehenden Miliz eingekreist und völlig von der Außenwelt abgeschnitten wurde. Erst zehn Tage später befreiten Regierungstruppen die Eingeschlossenen aus dem Würgegriff der Islamisten.

Und da war Elias Mansour. Der 84-jährige griechisch-orthodoxe Christ pflegte in der umkämpften Wasdi-Sayeh-Straße in Homs aufopferungsvoll seinen behinderten Sohn, als am 30. Oktober 2012 die Mörder sein Haus betraten. Er, der wenige Tage zuvor betont hatte, seine potentiellen Mörder an die Zehn Gebote und die Heilige Schrift erinnern zu wollen, wurde erbarmungslos getötet, weil er sich weigerte sein Haus zu verlassen und seinen - mittlerweile vermissten - Sohn allein zurückzulassen.

Elias Mansour war der letzte Christ, der in Homs lebte.

Dieser alte Mann, schuldlos und barmherzig, innig und aufrecht im Glauben, ein von selbstloser Nächstenliebe tief erfüllter Blutzeuge, verdient unser Gebet. Er starb, weil er Christ war und ihm das Schicksal seines Sohnes wichtiger war als das eigene Leben.

Beten wir für diesen beherzten Mann, der seinen Tod kommen sah und dennoch furchtlos ausharrte, wie es nur der feste Glaube an den Gott der Liebe und des Friedens zu bewirken vermag.

Beten wir auch für seinen verschollenen Sohn und für alle Christen in Syrien, deren Friedfertigkeit sie nicht vor den schrecklichen Auswirkungen eines mörderischen Konflikts bewahren konnte und in dem sie, trotz aller Neutralität, mehr und mehr dem Hass und der Verfolgung durch radikale Kräfte anheimfallen.
Gott segne und behüte sie!

Der Beitrag stammt aus dem Blog von Barbara Wenz: Elsas Nacht(b)revier


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