Lohmann: Änderungen am Sterbehilfegesetz sind eine 'Mogelpackung'

28. November 2012 in Interview


Martin Lohmann, Vorsitzender des „Bundesverbandes Lebensrecht“ und K-TV-Chefredakteur, sagt im kath.net-Interview: „Die Empörung über diesen Vorstoß der Koalition ist ebenso groß wie berechtigt“. Von Petra Lorleberg


Bonn (kath.net/pl) „Der Gesetzentwurf zum § 217 StGB mit dem Titel ‚Gesetz zur Strafbarkeit der gewerbsmäßigen Förderung der Selbsttötung‘ ist eine Mogelpackung.“ Dies sagt Martin Lohmann (Foto), Chefredakteur des katholischen Fernsehsenders K-TV und vor wenigen Tagen einstimmig wiedergewählter Vorsitzender des „Bundesverbandes Lebensrecht“ (BVL), im kath.net-Interview. „Die Empörung über diesen Vorstoß der Koalition ist ebenso groß wie berechtigt“, erläuterte Lohmann. „Wir sind uns in dieser Frage einig mit dem Vorsitzenden des Bundesärztekammer, der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention, der EKD, der Evangelischen Allianz, den Hospizgesellschaften und der Deutschen Bischofskonferenz.“

kath.net: In der Öffentlichkeit wird aktuell über Änderungsvorschläge zum §217 StGB diskutiert. Herr Lohmann, um was geht es und wie ist die bisherige Rechtslage?

Martin Lohmann: Es geht um einen versteckten Schwindel und darum, dass mit einem neuen Gesetz faktisch die organisierte Beihilfe zur Selbsttötung sowie auch die Werbung dafür demnächst erlaubt wären.

Man war vor einigen Jahren erschrocken, als man beobachten konnte, wie professionalisiert der Selbstmord begleitet und öffentlich gemacht wurde. Damals wollte man eine Verschärfung der Gesetzgebung im Sinne des Lebensschutzes.

Doch was jetzt vorliegt, öffnet jedem Missbrauch der Menschenwürde Tür und Tor.

kath.net: Worin liegt der Schwindel genau?

Lohmann: Der Gesetzentwurf zum § 217 StGB mit dem Titel „Gesetz zur Strafbarkeit der gewerbsmäßigen Förderung der Selbsttötung“ ist eine Mogelpackung.

Zunächst verspricht der Titel, dass die Beihilfe zur Selbsttötung mit Gewinnerzielungsabsicht, also die gewerbliche, verboten werden soll. Diese gewerbliche Beihilfe kann jedoch von sogenannten Sterbehilfeorganisationen schnell umgangen werden, da die vier derzeitigen „Hauptanbieter“ der Sterbehilfe, wie Dignitas, Exit, Sterbehilfe Deutschland (geg. von Dr. Kusch) und DGHS inzwischen offiziell nur „gemeinnützig“, z.B. als Verein, tätig sind.

Im zweiten Absatz aber wird jedoch „jedem“ (also auch Menschen mit Garantenstellung) straffrei erlaubt, an einem Suizid mitzuwirken. „Jeder“ Bürger, jede Bürgerin, die zukünftig nicht gewerbsmäßig Suizidbeihilfe anbieten, kann dann als Teilnehmer an einer nach Absatz 1 strafbaren, weil gewerbsmäßig betriebenen Suizidbegleitung mitwirken, das bedeutet, er oder sie kann hierzu sogar anzustiften bzw. Beihilfe zu leisten.

Wörtlich heißt es: „nahe stehende Personen und Verwandte“ dürfen straffrei Sterbehilfe leisten! Nahe stehende Personen können viele sein, auch betreuende Ärzte oder Pflegekräfte.

Dies wäre dann die Einführung des ärztlich assistierten Suizides durch die Hintertür, die auf Ebene der Landesärztekammer bereits begonnen hat, da diese teilweise das explizite Suizidbeihilfeverbot für Ärzte schon aufgehoben haben.

Jeder suizidgefährdete Mensch könnte, sobald der Gesetzentwurf Wirklichkeit wird, von professionellen – wenn auch nicht bezahlten – Beihilfeangeboten „umringt“ werden. Gegen Spende oder Mitgliedsbeitrag droht jetzt ein breites öffentliches Angebot von privaten und organisierten Sterbehelfern.

kath.net: In Holland ist der Zugang zum Suizid bereits erleichtert. Von welchen Erfahrungen wird dort berichtet? Erwarten Sie Vergleichbares auch bei uns?

Lohmann: Wenn wir jetzt nicht aufpassen, dann ist zu befürchten, dass sich ältere oder kranke Menschen schon bald werden rechtfertigen müssen, warum sie der Gesellschaft auf der Tasche liegen und eigentlich so egoistisch sind, noch leben zu wollen. Glauben Sie mir: Das ist nicht übertrieben. Aus den Niederlanden wird so etwas ja bereits berichtet. Es ist das Ende jeder Humanität. Eine schreckliche Vision, die niemals Wirklichkeit werden darf!

Deshalb protestieren wir jetzt erkennbar deutlich in Berlin vor dem Reichstag. Am Donnerstag.

kath.net: Was machen Sie da?

Lohmann: In diesem Zusammenhang bekamen alle Abgeordneten am Dienstag ein „Arzneimittel“ zugestellt, auf dessen Packung zu lesen steht: „§217 forte – Die Todespille in der praktischen Mogelpackung“. Die Protestinitiative trägt den Namen „Solidarität statt Selbsttötung“.

Auf dem „Beipackzettel“ wird über die Gefahren der gewerbsmäßigen Förderung der Selbsttötung aufgeklärt. An anderer Stelle heißt es: „Zu den riesigen Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Sie Ihr Gewissen oder den gesunden Menschenverstand“.

Diese Bürgerinitiative geht von einer Mitgliedsorganisation des BVL aus. Am Donnerstag wird das Thema szenisch und verbal unterstrichen. Wir wollen, dass unsere Vertreter im Parlament wach werden und wissen, was sie tun sollten.

kath.net: Sie selbst werden als BVL-Vorsitzender dort sein, und Sie sagten, Ihr Protest sei stellvertretend für viele andere?

Lohmann: Ja! Wir zeigen Flagge für den Lebensschutz und die Menschenwürde.

Wir sind uns in dieser Frage einig mit dem Vorsitzenden des Bundesärztekammer, der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention, der EKD, der Evangelischen Allianz, den Hospizgesellschaften und der Deutschen Bischofskonferenz.

Denn die Empörung über diesen Vorstoß der Koalition ist ebenso groß wie berechtigt. Es geht um die Humanität unseres Miteinanders, um den unkündbaren Solidaritätspakt mit Leidenden – oder um dessen Aufkündigung.


Die spektakuläre Aktion: Sterbe-Pille für deutsche Bundestagsabgeordnete


K-TV ist in Deutschland – jetzt auch in den Kabelnetzen von Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen –, Österreich und der Schweiz in vielen Kabelnetzen sowie über den Satelliten Astra in ganz Europa zu empfangen. Zusätzlich kann K-TV über das IPTV Angebot "Entertain" der Deutschen Telekom sowie per Internet-Live-Stream auch z.B. per Mobiltelefon empfangen werden. Weitere Informationen zum Empfang finden sich auf der Homepage des Senders unter www.k-tv.org

Foto Martin Lohmann: (c) HL/Lohmann Media


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