Sexualerziehungsbroschüre: Heftige Kritik von Familienexperten

28. November 2012 in Österreich


Kirchlicher Familienexperte Danhel: Behelf "Ganz schön intim" des Bildungsministeriums enthält falsche Tatsachen und differenziert zu wenig - Ministerin Schmid will jetzt Einzelheiten korrigieren


Wien (kath.net/KAP) Kritik von katholischen Familienexperten erntet das Bildungsministerium für die Broschüre "Ganz schön intim - Sexualerziehung für 6- bis 12-Jährige". Der Behelf, den der "Verein Selbstlaut" erstellt hat, behaupte falsche Tatsachen über Familienformen, differenziere zu wenig und stelle gesetzeswidrige Praktiken unkritisch dar, sagte Günter Danhel vom Institut für Ehe und Familie (IEF) gegenüber "Kathpress". Sein Vorschlag, die Verwendung der Broschüre zu stoppen und unter Miteinbezug der Eltern neu aufzusetzen, war auch Tenor einer parlamentarischen Anfrage durch FPÖ- und ÖVP-Mandatare am Dienstag. Bildungsministerin Claudia Schmid erklärte gegenüber dem Ö1-Mittagsjournal (Dienstag), sie werde Einzelheiten korrigieren, halte jedoch an den Grundsätzen des Behelfes fest.

Ein zentraler Kritikpunkt Danhels bezieht sich auf die Argumentationslinie der Broschüre, homo-, trans- und intersexuelle Lebensformen deshalb gleichwertig mit der klassischen Mutter-Vater-Kind-Familie zu präsentieren, da sich letztere "hartnäckig als anzustrebendes Ideal" halte, "ungeachtet der Tatsache, dass knapp die Hälfte aller Kinder in Österreich in anderen Verhältnissen leben". Danhel widerspricht dieser Darstellung: "Drei Viertel der Kinder unter 18 Jahren leben in Österreich bei ihren leiblichen Eltern."

Adoption vor Zeugung genannt

"Systematische Mängel" und fehlende Differenzierung ortet Danhel vor allem beim Abschnitt "Wie kommen Babys zu uns". Als "echte Möglichkeiten neben den vielen Unsinnsgeschichten" führt die Broschüre ab Seite 124 an oberster Stelle "Adoption und Pflege" an, wobei das Kind dann "mit den Adoptiv- oder Pflegemüttern oder -vätern" lebe. Nachgereiht an zweiter Stelle wird die Option "Schwangerschaft nach einer Zeugung genannt" - "Ein Paar oder einfach zwei Leute haben miteinander Sex", so die nähere Erläuterung. "Künstliche Befruchtung" erwähnt die Broschüre als dritte Möglichkeit, als vierte die "Babyklappe". Fünftens wird die "Leihmutterschaft" angeführt.

Bei der Leihmutterschaft fehlt allerdings die Erwähnung, dass sie in Österreich verboten ist und auch durch eine Stellungnahme der Bioethikkommission beim Bundeskanzleramt abgelehnt wurde. Unter Ausblendung kritischer Aspekte erklärt man: "Eine Frau trägt für eine andere Frau deren Baby aus. (...) Nach der Geburt kommt das Baby zur sogenannten 'biologischen Mutter', die schon neun Monate gewartet hat und sich freut, dass das Baby jetzt geboren ist. Die sogenannte Leihmutter, mit der alles vorher besprochen und so ausgemacht wurde, erholt sich von der Geburt."

Eine weitere, sechste Option sei die "Samenbank" als "ein 'Geschäft', in dem Menschen Spermazellen kaufen", sowie siebtens "Menschen, die gut befreundet sind und sich dazu verabreden, ein Kind zu zeugen".

Kriterien für die Beurteilung

Für die Beurteilung von Sexualbroschüren allgemein empfiehlt Danhel sechs Kriterien. "Zuerst gilt es zu fragen, ob der Behelf altersadäquat ist und ob dem primären Elternrecht auf Erziehung Rechnung getragen wird", so der Familienexperte.

Zu berücksichtigen sei jedoch auch, ob der Mensch als Person mit leiblich-geistig-seelischer Einheit gesehen werde oder ob man vielmehr Sexualität von allen Bezügen loslöse. Sexualität sollte nicht isoliert dargestellt werden, sondern integriert in Persönlichkeit, Beziehung und "im Idealfall in die Ehe zwischen Mann und Frau".

Zudem gelte es, der menschlichen Würde, dem Wert und Schutz des Lebens ausreichend Rechnung zu tragen sowie auch "der Schöpfungswahrheit, dass der Mensch ebenbürtig als Mann und Frau erschaffen wurde".

Aus mehreren der genannten Punkte müsse man dem Ministerium ein "Zurück zum Start" raten, so Danhel, der auch auf "teils problematisches Bildmaterial" und "zu Recht von vielen als abstoßend erlebte sprachliche Ausdrücke" verweist. Aus Sicht der Entwicklungspsychologie sei die Zielgruppe der Sechs- bis Zwölfjährigen zudem "nicht einheitlich, sondern erheblich differenziert zu betrachten". Grundsätzlich "begrüßenswert" seien immerhin die Bildung und Bestärkung der Persönlichkeit junger Menschen unter dem Aspekt der Missbrauchsprävention.

Eltern haben Mitsprache

"Eltern haben bei schulischer Sexualerziehung Mitspracherecht", betonte der Jurist Peter Pitzinger, Leiter des Familienreferates des Landes Niederösterreich und Kuratoriumsmitglied im Österreichischen Institut für Familienforschung. 1990 habe das Bildungsministerium die Sexualerziehung in einem bis heute gültigen Erlass als "primäre Aufgabe der Erziehungsberechtigten" bezeichnet. Schulen sollten diese Bildungs- und Erziehungsarbeit "umfassend ergänzen, vertiefen und gegebenenfalls korrigieren", wobei jedoch auch hier eine "stete Zusammenarbeit mit dem Elternhaus" vorgesehen sei. "Es liegt also auch an den Eltern, ihre Rechte bei der schulischen Sexualerziehung wahrzunehmen", stellt Pitzinger fest.

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