18. Dezember 2012 in Aktuelles
Ein Film blickt hinter die Kulissen der Sagrada Familia. Von Joachim Heinz (KNA)
Zürich/Bonn (kath.net/KNA) Es ist eine Baustelle der Superlative - und das seit mehr als einem Jahrhundert. Am 19. März 1882 legten die Stifter am damaligen Stadtrand von Barcelona den Grundstein für eine Kirche. Geplant war ein Gotteshaus mit Anklängen an Romanik und Gotik. Ein Jahr später übernahm der Architekt Antoni Gaudi die Regie. Aus dem eher spartanischen Entwurf wurde ein wild wucherndes Großprojekt: der «Temple Expiratori de la Sagrada Familia». Die nach wie vor unfertige «Sühnekirche der Heiligen Familie» gehört längst zu den meistbesuchten Sehenswürdigkeiten Spaniens. Allein 18 Türme sollen sie dereinst krönen, der gewaltigste davon stellt mit 170 Metern sogar den bisherigen Weltrekordhalter, das Ulmer Münster, in den Schatten.
In seinem Dokumentarfilm «Sagrada - Wunder der Schöpfung», der an diesem Donnerstag in den deutschen Kinos anläuft, blickt der Schweizer Filmemacher Stefan Haupt hinter die Kulissen dieser «ewigen Baustelle». Aus vielerlei Perspektiven fängt er die im wahrsten Sinne des Wortes unglaublichen Dimensionen der bereits ganz oder teilweise fertiggestellten Abschnitte ein: Zum Beispiel das 90 Meter lange Hauptschiff. Oder das 75 Meter hohe Abschlussgewölbe. Für Außenaufnahmen flog er im Helikopter um den Bau oder ließ die Kamera an einem der Baukräne befestigen, die wie riesige Insekten auf dem Betongebirge kreisen.
Allerdings, so betont Haupt, sei es ihm nicht darum gegangen, «die üblichen Touristenbilder» ein weiteres Mal auf die Leinwand zu bringen. Stattdessen habe er die Menschen kennenlernen wollen, die an der Vollendung dessen wirken, was Gaudi bis zu seinem Tod 1926 umtrieb. In vierjähriger Drehzeit sind ihm dabei intensive Momentaufnahmen gelungen. Etwa von dem aus Japan stammenden Bildhauer Etsuro Sotoo, der mit großem Respekt das Werk des von ihm verehrten Gaudi fortführt. Von Glasmaler Joan Vila-Grau, der seinem Beruf mit der Ruhe eines mittelalterlichen Meisters nachgeht.
Deutlich wird im Laufe des Films, dass den Arbeiten an der mitunter monströs anmutenden Sagrada Familia tatsächlich etwas Familiäres anhaftet. Da ist der entfernt an seinen Landsmann Pablo Picasso erinnernde Architekt Jordi Bonet, der freimütig einräumt, dass er die Fertigstellung der Kirche wohl nicht mehr erleben werde. Wenig später kommt sein Bruder Lluis Bonet ins Bild. Der Priester feiert in der Krypta regelmäßig Gottesdienst. Es ist der einzige bislang komplett fertige Raum. Vorarbeiter Jaume Torreguitart erzählt, dass er über seinen Vater auf die Baustelle gekommen ist. Von ihm habe er alles gelernt. Ein besonderer Moment des Films ist die Stelle, an der Jaume den alten Mann über die Dächer der Kirche führt. Der Bau zieht Generationen in seinen Bann.
Wie in jeder Familie gibt es jedoch auch Konflikte. Was schwebte Gaudi tatsächlich vor? Ist das, was seit 1926 im Stadtteil Eixample geschieht, eine originalgetreue Fortführung oder eine eigenständige Kreation? Darüber lässt sich trefflich streiten, zumal ein Großteil von Gaudis Modellen in den 1930er Jahren während der Wirren des Spanischen Bürgerkriegs zerstört wurde. Und so verwundert es nicht, dass manch einer die Einstellung der Arbeiten forderte und dafür plädierte, aus der Kirche ein Museum zu machen. Zumindest diese Schlacht ist geschlagen. Bei der Filmpremiere in Barcelona, erzählt Haupt, waren alle vereint: Arbeiter, Architekten und Kritiker von früher. «Für mich einer der schönsten Momente», so der Filmemacher.
Unterdessen wächst die Sagrada weiter in den Himmel. Nach der Weihe durch Papst Benedikt XVI. im Jahr 2010 in deutlich schnellerem Tempo, wie es scheint. Bis 2026 hoffen die Verantwortlichen, den Schlussstein legen zu können. Das wäre dann das 100. Todesjahr von Architekt Gaudi. Sollte auch dieses Datum verstreichen, dürfte dessen legendärer Spruch ein weiteres Mal bemüht werden, der sowohl auf die Bauherren, als auch auf Gott selbst gemünzt war: «Mein Kunde hat keine Eile.»
Trailer: SAGRADA - Das Wunder der Schöpfung
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