Kirchensteuer: 'Memorandum Körperschaftsaustritt'

20. Dezember 2012 in Kommentar


Die Deutsche Bischofskonferenz versucht, mit ihrer gesetzwidrigen Position katholische Gläubige unter widerrechtlichen Drohungen irrezuführen. Von Kirchenrechtler Hartmut Zapp


Freiburg (kath.net)
Memorandum Körperschaftsaustritt.

Das Urteil vom 26.9.2012

Bundesverwaltungsgericht. Im Namen des Volkes. Urteil. (BVerwG 6 C 7.12, VGH 1 S 1953/09) Verkündet am 26. September 2012, Zweigler als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 26. September 2012 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Neumann und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Büge, Dr. Graulich, Dr. Möller und Prof. Dr. Hecker

für Recht erkannt:

Auf die Revision des Beigeladenen wird das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 4. Mai 2010 geändert. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 15. Juli 2009 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens und des Revisionsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die im Revisionsverfahren angefallen sind; im Übrigen trägt der Beigeladene seine außergerichtlichen Kosten selbst“.


Leitsatz:

„Wer aufgrund staatlicher Vorschriften aus einer Religionsgemeinschaft mit dem Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts austreten will, darf seine Erklärung nicht auf die Körperschaft des öffentlichen Rechts unter Verbleib in der Religionsge-meinschaft als Glaubensgemeinschaft beschränken“.

Urteil des 6. Senats vom 26. September 2012 - BVerwG 6 C 7.12

I. VG Freiburg vom 15.07.2009 - Az.: VG 2 K 1746/08 - II. VGH Mannheim vom 04.05.2010 - Az.: VGH 1 S 1953/09 -
1. Körperschaftsaustritt bezeichnet die Wahrnehmung der Möglichkeit, die der freiheitliche Staat als Garant der negativen Religionsfreiheit seinen Bürgerinnen und Bürgern bietet, jederzeit Mitgliedschaften in Religionsgesellschaften zu beenden, denen er den religions-rechtlichen Status der „Körperschaft des öffentlichen Rechtes“ eigener Art gemäß Art. 140 GG iVm Art. 137 Abs. 5 WRV verliehen hatte. Mit dem genannten Status sind für die Religionsgemeinschaften Vergünstigungen verbunden, deren bekannteste für ihre Mitglieder bedeutet, zur Zwangsabgabe Kirchensteuer herangezogen zu werden.

2. In Artikulation seiner Kritik an der in offener Mißachtung des päpstlichen Primats erfolgten rechtswidrigen Erklärung der deutschbischöflich-katholischen Körperschaftskirche vom 24. April 2006 hatte der an dem Verfahren als Beigeladener Beteiligte im Juli 2007 vor der zuständigen Behörde seinen bedingungslosen Körperschaftsaustritt erklärt.

Das Erzbistum Freiburg hielt in seinem Schreiben an das Bürgermeisteramt Staufen vom 22. April 2008 den entsprechenden „Eintrag für rechtswidrig, weil die Erklärung“ einen „Zusatz enthielt und deswegen wegen des Verstoßes gegen § 26 Abs. 1 Satz 2 Kirchensteuergesetz Baden-Württemberg nichtig ist“. Die Stadt Staufen hielt jedoch an ihrer Auffassung fest, wonach die Austrittserklärung gemäß § 26 Kirchensteuer¬gesetz Baden-Württemberg mit bürgerlicher Wirkung erfolgt war. Sie blieb ebenfalls dabei, den Austritt rechtmäßig bescheinigt zu haben.

Gegen diese Bescheinigung wandte sich das Erzbistum Freiburg, suchte Hilfe beim „weltlichen Arm“ und klagte gegen die Wirksamkeit der Austrittserklärung vor dem Verwaltungsgericht Freiburg, das die Klage mit Urteil vom 15. Juli 2009 abwies. Im Berufungsverfahren hatte das Erzbistum mit dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 4. Mai 2010 zunächst Erfolg. Doch das „Bundesverwaltungsgericht hat auf die Revision des Beigeladenen das die Klage abweisende Urteil des Verwaltungsgerichts wiederhergestellt“ (Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts Nr. 91/2012 vom 26. September 2012, Hervorh. H.Z.).

Sehr seltsam erscheint eine auffallende Medien-Panne. Schon wenige Stunden nach Verkünden des Urteils und Veröffentlichung der Pressemitteilung des Gerichts wurden unkorrekte Meldungen übermittelt. Trotz der eindeutigen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ließen diese Fehlinformationen den Eindruck entstehen, der Beigeladene sei in Leipzig „gescheitert“. Vermutlich waren der komplexe Hintergrund und die Vorgeschichte der Verhandlung mit ihren Implikationen nicht genügend bekannt, so dass Nachrichtendienste vor Ort nicht adäquat über das Urteil zu berichten vermochten. Das erklärte Ziel von Presse-Agenturen, „unabhängig, zuverlässig und aktuell“ zu sein, wurde bezüglich der Zuverlässigkeit weithin nicht erreicht. Um so größere Anerkennung ist jenen Journalistinnen und Journalisten auszusprechen, welche die beiden Seiten der Pressemitteilung des Gerichts aufmerksam lasen, daher über das Urteil korrekt berichten konnten.

3. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg von 2009 wurde bekräftigt. Die Erklärung des Austritts aus der „römisch-katholisch, Körperschaft des öffentlichen Rechtes“ benannten Religionsgesellschaft war somit rechtswirksam erfolgt.

„Das Erzbistum Freiburg ist danach mit seiner Rechtsauffassung … vollumfänglich unterlegen … Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner mündlichen Urteilsbegründung weiter klargestellt, dass die Konsequenzen der Austrittserklärung von Hartmut Zapp allein für den staatlichen Bereich eindeutig sind. Unter anderem darf der Staat von Hartmut Zapp keine Kirchensteuer mehr erheben. … Dagegen ist und bleibt es nach dem Bundesverwaltungsgericht ausschließlich Sache der römisch-katholischen Kirche selbst, wie sie mit der Austrittserklärung von Hartmut Zapp innerkirchlich umgeht. Das Bundesverwaltungsgericht kann und darf sich hierzu nach den Vorgaben des Grundgesetzes und den überkommenen Artikeln der Weimarer Reichsverfassung nicht äußern.“ (Pressemitteilung der Anwaltskanzlei Bender Harrer Krevet, Dr. Sebastian Seith, Freiburg, Hervorh. H.Z.).

Gescheitert sind die deutschen katholischen Bischöfe, die mit ihrer Klage die Rechtswirksamkeit des Körperschaftsaustritts nicht verhindern konnten. Mit Urteil vom 26. September 2012 wurde dem Beigeladenen die Rechtswirksamkeit seines Körperschaftsaustritts zuerkannt. Es gibt ihn noch, unseren Rechtsstaat in Deutschland.

4. In seine Urteilsausfertigung (2 K 1746/08) hatte das Verwaltungsgericht Freiburg einen aus dem Protokoll der Austrittserklärung kopierten Passus eingefügt (Nr. 2). Daraus zitierte das Bundesverwaltungsgericht: „Er gab auf dem Standesamt der beklagten Stadt Staufen eine Erklärung über seinen ‚Austritt aus einer Kirche, Religionsgesellschaft oder Weltanschauungsgemeinschaft‘ ab. In dem so überschriebenen Formular trug der Standesbeamte auf Wunsch des Beigeladenen in der Rubrik ‚Erklärung‘ unter der Überschrift ‚Rechtliche Zugehörigkeit zu einer Kirche, Religionsgesellschaft oder Weltanschauungsgemeinschaft‘ ein: ‚römisch-katholisch, Körperschaft des öffentlichen Rechtes‘ und darunter: ‚Ich trete aus der angegebenen Religionsgesell-schaft oder Weltanschauungsgemeinschaft aus‘. Das Standesamt händigte dem Beigeladenen eine Bescheinigung über den Austritt aus und übersandte dem katholischen Pfarramt in Staufen eine entsprechende Mitteilung“ (Urteil Nr. 2, Hervorh. H.Z.).

4.1 Die Formulierung „römisch-katholisch, Körperschaft des öffentlichen Rechtes“ in der Austrittserklärung charakterisiert das Selbstverständnis der Religionsgemeinschaft, aus welcher der Austritt erklärt wurde. Abweichend von der für die Gläubigen der römisch- bzw. lateinisch-katholischen Kirche (Can. 1 CIC [Codex Iuris Canonici] : „Die Canones dieses Codex betreffen allein die lateinische Kirche“) zutreffenden Definition des can. 205 CIC („Voll in der Gemeinschaft der katholischen Kirche in dieser Welt stehen jene Getauften, die in ihrem sichtbaren Verband mit Christus verbunden sind, und zwar durch die Bande des Glaubensbekenntnisses, der Sakramente und der kirchlichen Leitung“.) verlangt die Deutsche Bischofskonferenz als weiteres für sie wesentliches Element die Mitgliedschaft in einer „öffentlich-rechtlichen Körperschaft eigener Art“ nach staatlichem Recht, verbunden mit der Erhebung von Kirchensteuern.
Entscheidende Voraussetzung, sich von dieser Belastung befreien zu können, ist die in formalisiertem Verfahren eindeutig und ernsthaft vor der zuständigen staatlichen Behörde erklärte Willenskundgabe, aus der mit dem Status der Körperschaft des öffentlichen Rechtes privilegierten Religionsgemeinschaft auszutreten: „Wird entsprechend der bundesverfassungsrechtlichen Vorgaben nur der protokollierte Wortlaut der Erklärung berücksichtigt, ist die Erklärung des Beigeladenen über den Austritt aus seiner Religionsgemeinschaft nicht mit einem Zusatz im Sinne des § 26 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 des Gesetzes über die Erhebung von Steuern durch öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften in Baden-Württemberg (Kirchensteuergesetz - KiStG) in der Fassung vom 15. Juni 1978 (GBl S. 370) versehen und die hierüber erteilte Bescheinigung rechtmäßig. Der Verwaltungsgerichtshof hätte sie nicht aufheben dürfen …“ (Urteil Nr. 12, Hervorh. H.Z.).

4.2 Das Gericht betonte das durch Art. 4 Abs. 1 GG garantierte Recht, „die innere Einstellung zu Glaube und Bekenntnis zu äußern“ (Urteil Nr. 31). „Der Austrittswillige muss aber zur Vermeidung von Mißverständnissen im Interesse der Rechtssicherheit hinnehmen, dass er seine Vorstellungen über die angestrebten innergemeinschaftlichen Wirkungen seines Austritts nicht zum Inhalt seiner Erklärung und der ihm hierüber zu erteilenden Bescheinigung machen kann … Dass der formalisierte Austritt aus der Religionsgemeinschaft nur Wirkungen für den staatlichen Bereich erzeugt, ergibt sich bereits unmittelbar aus § 26 Abs. 1 KiStG“ (Urteil Nr. 32, Hervorh. H.Z.).

Mit deutlichen Worten hat das Bundesverwaltungsgericht zu verstehen gegeben, dass im Interesse der Rechtssicherheit der Körperschaftsaustritt in formalisiertem Verfahren zu erklären ist, um aus einer Religionsgesellschaft „mit bürgerlicher Wirkung auszutreten“ (z.B. § 26 Abs. 1 KiStG Baden-Württemberg). Es ist unzulässig, bei der Austrittserklärung religiöse Bekenntnisse zu erfragen oder entgegenzunehmen: „Niemand ist verpflichtet, seine religiöse Überzeugung zu offenbaren. Die Behörden haben nur soweit das Recht, nach der Zugehörigkeit zu einer Religionsgesellschaft zu fragen, als davon Rechte und Pflichten abhängen oder eine gesetzlich angeordnete statistische Erhebung dies erfordert“ (Art. 140 GG iVm Art. 136 Abs. 3 WRV, Hervorh. H.Z.).

Welche Wirkungen eine Kirche oder Religionsgemeinschaft mit einer solchen Erklärung des Körperschaftaustritts verbindet, unterliegt nach herrschender Meinung allein innerkirchenrechtlichen bzw. innergemeinschaftlichen Regelungen, selbstverständlich stets „innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes“ (Art. 140 GG iVm Art. 137 Abs. 3 WRV, Hervorh. H.Z.).

Weiter unterstrich das Gericht die Bedeutung des protokollierten Wortlauts als Mittelpunkt des formalisierten Verfahrens. Mit Bundesrecht unvereinbar ist“ des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg „Annahme, dass die Wirksamkeit der Austrittserklärung nicht allein an dem protokollierten Wortlaut der Erklärung und ihrem dadurch umrissenen Sinn zu messen ist, sondern weitere äußere, sie begleitende Umstände heranzuziehen sind, namentlich andere Äußerungen des Austrittswilligen im zeitlichen Umfeld seines Austritts. Damit stellt der Verwaltungsgerichtshof an eine Erklärung Anforderungen, die von Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV nicht gefordert werden und mit Art. 4 Abs. 1 GG nicht vereinbar sind“ (Urteil Nr. 36, Hervorh. H.Z.).

4.3 Ein „formalisiertes Verfahren bleibt mit der Glaubensfreiheit des Einzelnen gerade deshalb vereinbar, weil der Austretende seine Vorstellungen außerhalb des formalisierten Verfahrens äußern kann. Diese Gewährleistung darf nicht dadurch zurückgenommen werden, dass solche Äußerungen inhaltsbestimmend der formal eindeutigen Austrittserklärung übergeordnet werden.Maßgeblich ist allein der Wortlaut der Erklärung selbst. Im formalisierten Verfahren des Austritts aus der Religionsgemeinschaft kann es nur auf das ankommen, was der Standesbeamte nach dem Willen des Erklärenden in die Niederschrift aufnimmt und was dann Inhalt der ausgestellten Bescheinigung wird“ (Urteil Nr. 38, Hervorh. H.Z.). Zum Erklärungswortlaut des Körperschaftsaustritts stellte das Gericht fest: „Bei einer bundesrechtskonformen Auslegung und Anwendung des § 26 Abs. 1 KiStG ist die Erklärung des Beigeladenen über seinen Austritt aus der Religionsgemeinschaft wirksam; insbesondere stellen die Worte ‚Körperschaft des öffentlichen Rechts‘, die der Beigeladene neben die Worte ‚römisch-katholisch‘ hat setzen lassen, keinen Zusatz im Sinne des § 26 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 KiStG dar“ (Urteil Nr. 42, Hervorh. H.Z.).

Auch bei einer „strikten Auslegung des § 26 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 KiStG ist die Erklärung des Beigeladenen wirksam. Die Vorschrift gibt keinen bestimmten Wortlaut für die Austrittserklärung vor. Der Austrittswillige wählt den Wortlaut selbst. Ihm bleibt ein gewisser Spielraum. Dieser ist hier gewahrt. Der Beigeladene hat seinen Austritt aus der römisch-katholischen Kirche erklärt, ohne seine Erklärung auf eine Körperschaft des öffentlichen Rechts zu beschränken“ (Urteil Nr. 46, Hervorh. H.Z.).

„Wenn nur der Wortlaut der Erklärung des Beigeladenen berücksichtigt wird, besteht kein Zweifel, dass er einen Austritt aus der römisch-katholischen Kirche erklärt und sich auf diese Erklärung beschränkt hat … Nach ihrem formalen Gehalt entspricht die Erklärung danach den Anforderungen, die sich aus Bundesverfassungsrecht für einen wirksamen Austritt aus einer Religionsgemeinschaft ergeben … Die Worte ‚Körperschaft des öffentlichen Rechts‘ in der Erklärung des Beigeladenen sind danach ein zwar nicht notwendiger, aber auch nicht schädlicher Teil der Bezeichnung für die Religionsgemeinschaft, aus der der Beigeladene austreten wollte“ (Nr. 47, Hervorh. H.Z).

5. Gemäß can. 331 CIC ist der „Bischof der Römischen Kirche … Haupt des Bischofskollegiums, Stellvertreter Christi und Hirte der Gesamtkirche hier auf Erden; deshalb verfügt er kraft seines Amtes in der Kirche über höchste, volle, unmittelbare und universale ordentliche Gewalt, die er immer frei ausüben kann“. Zur katholischen Weltkirche gehören neben der weitaus größten römisch- bzw. lateinisch-katholischen Rituskirche 22 unierte ostkirchliche Rituskirchen, mit der katholischen Weltkirche (wieder-)vereinte Kirchen aus fünf Ritengruppen (Annuario Pontificio per l’anno 2010, Vatikan 2010, 1145-1148). Sie stehen in Gemeinschaft mit der katholischen Weltkirche, behielten ihre liturgische, sprachliche wie spirituelle Tradition und - das entscheidende Kriterium - anerkennen den Papst als Oberhaupt der katholischen Weltkirche. Seit 1990 gibt es für alle unierten Ostkirchen den „Codex der Canones der Orientalischen Kirchen“.

Der Begriff „katholisch“ (katholikós: alles umfassend, allgemein) in der Bezeichnung einer Religionsgesellschaft bedeutet nicht immer die Anerkennung des päpstlichen Primats. Die alt-katholische Kirche z.B. (Katholisches Bistum der Alt-Katholiken in Deutschland, in Baden-Württemberg Körperschaftsstatus) und die katholische Weltkirche stehen sich zwar nahe durch gemeinsames Glaubensbe-kenntnis und Sakramente. Wegen der Nichtanerkennung des päpstlichen Primats (I. Vatikanum 1870) fehlt jedoch die entscheidende Voraussetzung für die volle Gemeinschaft mit der katholischen Weltkirche.

6. Sorgfältig unterschied das Bundesverwaltungsgericht zwischen staatskirchenrechtlichem und innerkirchenrechtlichem (innerkirchlichem bzw. innergemeinschaftlichem) Recht. „Der auf Grund staatlichen Gesetzes erklärte Kirchenaustritt hat zwar nach dem insoweit allein maßgeblichen staatlichen Recht (hier § 26 Abs. 1 KiStG Baden-Württemberg) lediglich die Folge, mit Wirkung für den Bereich des staatlichen Rechts die staatlich durchsetzbaren Konsequenzen der Mitgliedschaft entfallen zu lassen. Welche Folgerungen aus einer Austrittserklärung vor einer staatlichen Behörde für den innergemeinschaftlichen Bereich zu ziehen sind, regelt indes allein das religionsgemeinschaftliche Recht“ (Urteil Nr. 26, Hervorh. H.Z.).

6.1 Der vom Staat verliehene religionsrechtliche Status der Körperschaft des öffentlichen Rechtes eigener Art (sui iuris) ist keine selbständige Religionsgemeinschaft, aus der ein „Austritt“ möglich wäre, sondern haftet als eine Art Privilegsbezeichnung an diesen Gemeinschaften. Den Körperschafts-Status gibt es nicht ohne Verbindung mit einer konkreten Religionsgesellschaft, auf die - gleichsam als Trägerin - dieser Status angewiesen ist. Entsprechend gibt es kein Verlassen der Körperschaft des öffentlichen Rechtes ohne die vorherige Aufgabe der Mitgliedschaft in der jeweiligen Religionsgemein-schaft. Die mit ihr verknüpften Auswirkungen sind mit der rechtswirksamen Austrittserklärung aufgehoben. Mit dem Aufgeben der Mitgliedschaft in der Religionsgemeinschaft kommt gleichzeitig die Mitgliedschaft in der Körperschaft des öffentlichen Rechtes zum Erliegen. Um das Erlöschen seiner Mitgliedschaft in der konkreten grundgesetzkonform benannten Körperschaftskirche ging es dem Beigeladenen. Er hat sein Ziel erreicht.

6.2 Diesen Sachverhalt hat das Bundesverwaltungsgericht in der Überschrift seiner Pressemitteilung vom 26. September 2012 exakt charakterisiert: „Staatskirchenrechtlich kein isolierter Austritt aus der Kirche als Körperschaft des öffentlichen Rechts“. Mit seiner Unterscheidung zwischen staatskirchen- und innerkirchenrechtlichem bzw. innergemeinschaftlichem Bereich ermöglichte es je nach religionsgemeinschaftlicher Rechtsordnung verschiedene Rechtsfolgen. „Die Mitgliedschaft in der Glaubensgemeinschaft, bei den christ-lichen Kirchen begründet durch die Taufe, vermittelt eine Mitgliedschaft in der Körperschaft des öffentlichen Rechts. Es gibt keine Mitgliedschaft in der Körperschaft des öffentlichen Rechts ohne Mitgliedschaft in der Religionsgemeinschaft“ (Urteil Nr. 27, Hervorh. H.Z.).

Die sich unmittelbar daran anschließende, für das Urteil entscheidende Folgerung des Gerichts wurde in ihrer Bedeutung weithin nicht realisiert: „Lediglich umgekehrt kann es eine Mitgliedschaft in der Glaubensgemeinschaft geben, ohne zugleich Mitglied in der Körperschaft des öffentlichen Rechts sein zu müssen, nämlich wenn nach dem theologischen Selbstverständnis der jeweiligen Religionsgemeinschaft eine Unterscheidung von Glaubensgemeinschaft und Körperschaft des öffentlichen Rechts möglich ist“ (Urteil Nr. 27, Hervorh. H.Z.). Genau dies trifft für die innerkirchenrechtliche Situation in der katholischen Weltkirche wie in der römisch-katholischen Rituskirche zu. Nach ihrem theologischen Selbstverständnis ist der Unterschied zwischen der unverlierbaren Gliedschaft in der römisch-katholischen Rituskirche - damit auch in der katholischen Weltkirche - und der Mitgliedschaft in einer historisch zufälligen staatlichen Rechtsfigur eminent.

6.3 In einer seiner deutlichsten Aussagen stellte das Bundesverwaltungsgericht fest: „Die Erklärung bezieht sich nicht auf eine von der Glaubensgemeinschaft getrennte Körperschaft des öffentlichen Rechts, sondern auf die Glaubensgemeinschaft der römisch-katholischen Kirche in der Form, wie sie im Geltungsbereich des Kirchensteuergesetzes besteht“ (Urteil Nr. 47, Hervorh. H.Z.).

Diese Rechtsauffassung, der sich bereits das Bayerische Verwaltungsgericht München angeschlossen hat, betont denselben Sachverhalt wie die kanonistisch akzentuierte, den Bereich der Deutschen Bischofskonferenz charakterisierende Bezeichnung „deutschbischöflich-katholische Körperschaftskirche“.

Der Körperschaftsstatus stellt innerkirchenrechtlich das ausschlaggebende Unterscheidungskriterium der deutschbischöflich-katholischen Körperschaftskirche gegenüber sowohl der römisch-katholischen Rituskirche als auch der katholischen Weltkirche dar: Keine der beiden verfügt über den Körperschaftsstatus nach dem deutschen Grundgesetz, so dass die religionsrechtliche „Körperschaft des öffentlichen Rechtes“ für die Identifizierung der Körperschaftskirche unerlässlich wird.

6.4 Eine Erklärung vor staatlichen Behörden, um bürgerliche Rechts folgen zu erwirken, ist ohne Bedeutung für die volle Gemeinschaft von katholischen Gläubigen mit ihrer Kirche. Voraussetzung von seiten Austrittswilliger ist die eindeutige, vor der zuständigen staatlichen Behörde erklärte Willenskundgabe, die betreffende Religionsgemeinschaft zu verlassen. Ein „Offenbaren“ religiöser Überzeugungen (vgl. Art.140 GG iVm Art. 136 Abs. 3 WRV) oder Offenlegung von Motivationen ist nicht von staatlichem Interesse. Der Austritt aus einer verbandsrechtlichen Institution mit dem vom Staat verliehenen Status der „Körperschaft des öffentlichen Rechtes“ (vgl. Art. 140 GG iVm Art. 137 Abs. 5 WRV), kann nichts mit der unverlierbaren Gliedschaft in der katholischen Weltkirche zu tun haben. „Der Kirchenaustritt erfolgt nur ‚mit bürgerlicher Wirkung‘, d.h. nur mit Wirkung für den staatlichen Rechtsbereich. Er läßt demgemäß die kraft Kirchenrechts bestehenden Bindungen unberührt“ (Alexander Hollerbach, Hdb.kath.Kirchenrecht, 2. Aufl. Regensburg 1999, 1078-1092, 1086, Hervorh. H.Z.), beeinträchtigt das dreifache Band der vollen Kirchengemeinschaft (can. 205 CIC, vgl. oben Nr. 4.1) nicht, kann daher auch nicht die Verweigerung der Sakramentenspendung zur Folge haben.

Zu diesen „Bindungen“ zählt auch die kirchenrechtliche Beitragspflicht. Can. 222 § 1 CIC beansprucht von den Gläubigen berechtigt, “für die Erfordernisse der Kirche Beiträge zu leisten“, u. a. auch „für einen angemessenen Unterhalt der in ihrem Dienst Stehenden“. Christen kennen das Wort des Apostels Paulus im ersten Korintherbrief (9, 13-14): „Wisst ihr nicht, dass alle, die im Heiligtum Dienst tun, vom Heiligtum leben, und dass alle, die am Altar Dienst tun, vom Altar ihren Anteil erhalten? So hat auch der Herr denen, die das Evangelium verkündigen, geboten, vom Evangelium zu leben.“ Nicht unter diese „Beiträge“ fallen allerdings die von den deutschen Bischöfen in offener Opposition zum päpstlichen Primat unter Androhung ungesetzlicher Sanktionen geforderten Zwangsabgaben.

7. Jahrzehntelang verunsicherten die deutschen Bischöfe Katholikinnen und Katholiken, die aus der Körperschaft des öffentlichen Rechtes „mit bürgerlicher Wirkung“ austraten oder austreten wollten, mit der Behauptung, dieser Rechtsakt im nur staatlichen Bereich bedeute den „Austritt aus der Kirche“.

7.1 Nach Lehre und Recht der katholischen Weltkirche kann die Kirchengliedschaft wegen des in der Taufe bewirkten untilgbaren Prägemals („character indelebilis“, can. 849 CIC) jedoch nicht verloren gehen. Daher stellt die von den deutschen Bischöfen gewählte Formulierung vom „Austritt aus der katholischen Kirche“ eine Irreführung dar, zumal der Austritt aus einer religionsrechtlichen Körperschaft nur vor staatlichen Behörden (Ausnahme Bremen) erfolgen kann. Die Rede vom „Kirchenaustritt“ fördert das Mißverständnis, bei dem Körperschaftsaustritt handle es sich um mehr als einen Rechtsakt nur im staatlichen Bereich. Das 1983 promulgierte Gesetzbuch der römisch- bzw. lateinisch-katholischen Rituskirche enthielt eine bis dahin fremde Bestimmung, wonach die kirchliche Eheschließungsform nur einzuhalten war, „wenn wenigstens einer der Eheschließenden in der katholischen Kirche getauft oder in sie aufgenommen wurde und nicht durch einen formalen Akt von ihr abgefallen ist“ (can. 1117 CIC, Hervorh. H.Z.). Papst Benedikt XVI. beendete die Auseinandersetzungen in der katholischen Weltkirche um die kirchenrechtliche Bedeutung dieser sog. Defektionsklausel durch die von ihm approbierten Normen des Päpstlichen Rates für Gesetzestexte, veröffentlicht am 13. März 2006 in sechs Sprachen mit der Anordnung zur „amtliche(n) Bekannt¬machung an alle Präsidenten der Bischofskonferenzen“.

7.2 Darin heißt es: „Das bedeutet, dass ein derartiger formaler Akt (Hervorh. im Original) des Abfalls nicht nur rechtlich-administrativen Charakter hat (das Verlassen der Kirche im meldeamtlichen Sinn mit den entsprechenden zivilrechtlichen Konsequenzen), sondern dass er sich als wirkliche Trennung von den konstitutiven Elementen des Lebens der Kirche darstellt: Er setzt also einen Akt der Apostasie[Aufgeben des Glaubens], Häresie [Ablehnung einzelner Glaubenssätze] oder des Schisma [Verweigerung der Gemeinschaft mit Papst und Bischöfen] voraus“ (Normen Nr. 2). „Es wird überdies verlangt, dass der Akt von dem Betroffenen schriftlich vor der zuständigen katholischen Autorität bekundet wird: Vor dem Ordinarius oder dem eigenen Pfarrer, dem allein das Urteil darüber zusteht, ob wirklich ein Willensakt des in Nr. 2 beschriebenen Inhalts vorliegt oder nicht“ (Normen Nr. 5, Communicationes 38, 2006, 170 ff., dt. 175-177 [176], Hervorh. H.Z.).

Daher kann die den Kirchensteuergesetzen gemäße Austrittserklärung vor staatlichen Behörden nur nach kirchenamtlicher Feststellung als formale Kirchendefektion gewertet werden. Doch die Deutsche Bischofskonferenz verweigerte in ihrer Erklärung vom 24. April 2006 durch generelle Umdeutung des Körperschaftsaustritts in einen Formalakt der Kirchendefektion dem Papst in nicht nachvollziehbarer Reaktion den Gehorsam:

„Wer - aus welchen Gründen auch immer - den Austritt aus der katholischen Kirche erklärt, zieht sich die Tatstrafe der Exkommunikation zu“ (vgl. z.B. Amtsblatt der Erzdiözese Freiburg vom 19. Mai 2006, Nr. 12, 349, Hervorh. H.Z.).

7.3 Innerkirchenrechtlich setzte sich die Auseinandersetzung um den Körperschaftsaustritt zwischen dem Apostolischen Stuhl und der deutschbischöflich-katholischen Körperschaftskirche fort mit dem „Allgemeine(n) Dekret der Deutschen Bischofskonferenz zum Kirchenaustritt“ vom 17. September 2012, in Kraft getreten am 24. September 2012. Von der Drohung mit der Exkommunikation vom 24. April 2006 ist darin nichts mehr enthalten: Die Deutsche Bischofskonferenz mußte die 2006 erfolgte Androhung der „Tatstrafe der Exkommunikation“ nach nicht näher bekannten Verhandlungen zurücknehmen.

Nun ist zu lesen: „Die Erklärung des Kirchenaustritts vor der zuständigen zivilen Behörde stellt als öffentlicher Akt eine willentliche und wissentliche Distanzierung von der Kirche dar und ist eine schwere Verfehlung gegenüber der kirchlichen Gemeinschaft“.

Erneut wird in nahezu denselben Worten wie im Dekret von 2006 behauptet: „Wer vor der zuständigen zivilen Behörde aus welchen Gründen auch immer[!] seinen Kirchenaustritt erklärt, verstößt damit gegen die Pflicht, die Gemeinschaft mit der Kirche zu wahren (c. 209 § 1 CIC) und gegen die Pflicht, seinen finanziellen Beitrag dazu zu leisten, dass die Kirche ihre Aufgaben erfüllen kann (c. 222 § 1 CIC i. V. m. c. 1263 CIC)“ - angesichts der viele Sachverhalte umfassenden Bedeutungsmöglichkeit und der kirchlichen Skandale der letzten Jahre eine ungeheuerliche Aussage, zumal materiell in ihren Auswirkungen sehr ähnliche Drohungen wie im Dekret vom 24. April 2006 ergehen: „Die Erklärung des Kirchenaustritts zieht folgende Rechtsfolgen nach sich: Die aus der Kirche ausgetretene Person darf die Sakramente der Buße, Eucharistie, Firmung und Krankensalbung - außer in Todesgefahr - nicht empfangen“. (vgl. z.B. Amtsblatt der Erzdiözese Freiburg vom 20. September 2012, Nr. 24, 343, Hervorh. H.Z.).

Weiterhin verstößt die Deutsche Bischofskonferenz gegen die päpstlich approbierten Normen vom 13. März 2006, die nach wie vor in Kraft sind. Körperschaftsaustritt kann daher nicht als Kirchendefektion gewertet werden, die „einen Akt der Apostasie, Häresie oder des Schisma“ voraussetzt (vgl. oben Nr. 7.2). Die Ausführungen des Dekrets mit seinen ungerechtfertigten, unverhältnismäßigen Drohungen sind mit kanonischem Recht nicht vereinbar. Zu fragen bleibt, ob die Seelsorge überhaupt willens und in der Lage ist, die Einhaltung der Verbote sicherzustellen.

7.4 Eine sorgfältige Kommentierung des Dekrets charakterisiert es u. a. als einen „mit dem Apostolischen Stuhl vermutlich nicht abgestimmten, theologisch und rechtlich unpräzisen Text“ (Georg Bier, Wer nicht zahlen will, muss büßen? Zur Problematik des „Kirchenaustritts“, in: Herder Korrespondenz 66 [2012] 551-555, 554). Abschließend wird festgestellt: „Die Botschaft ist angekommen: Kein Glaube ohne Kirchensteuer, Sakramente nur gegen Unterhaltszahlungen“. In einem einzigen Punkt seiner Darstellung fordert Professor Bier allerdings Widerspruch heraus, wenn er schreibt: „Die Gläubigen werden sich schließlich damit abfinden“ (G. Bier, Wer nicht zahlen will, ebda 555, Hervorh. H.Z.). Warum sollten sie? Dazu besteht keine Veranlassung: Sie erklären, im Interesse der Rechtssicherheit in einem „formalisierten Verfahren“ (vgl. oben Nr. 4 und Nr. 4.1 - 4.3), eindeutig ihren Körperschaftsaustritt.

Für den staatskirchenrechtlichen Bereich tritt als „bürgerliche Wirkung“ das Ende der Mitgliedschaft in der Religionsgemeinschaft ein, das seinerseits die Beendigung der Mitgliedschaft in der Körperschaft des öffentlichen Rechtes zur Folge hat. Dadurch brauchen sie keine Kirchensteuer mehr zu entrichten. Vielmehr können sie gemäß dem letzten der fünf „Gebote der Kirche“ selbst entscheiden, wie und zu welchem Zweck sie „im Rahmen der eigenen Möglichkeiten der Kirche in ihren materiellen Erfordernissen beistehen“ (Katechismus der Katholischen Kirche. Kompendium, München 2005, Nr. 432, Hervorh. H.Z.).

Für den innerkirchenrechtlichen Bereich indessen läßt der Körperschaftsaustritt die kraft Kirchenrechts bestehenden Bindungen unberührt (vgl. oben Nr. 6.4). Auch nach dem Körperschaftsaustritt stehen diese Gläubigen nach wie vor „voll in der Gemeinschaft der katholischen Kirche“ (can. 205 CIC), sind daher nach kanonischem Recht auch nicht am Empfang der Sakramente gehindert.

8. Mit ihrer gesetzwidrigen Position versucht die Deutsche Bischofskonferenz nach wie vor, katholische Gläubige unter widerrechtlichen Drohungen in Mißachtung grundlegender Rechtsprinzipien irrezuführen. Sie widersetzt sich päpstlich approbierten Normen und verstößt damit in gravierender Weise gegen das weltkirchlich geltende Prinzip der Primatialgewalt des Papstes. Auf längere Sicht dürfte gelten: Den deutschen Bischöfen „wird zum Verhängnis, dass ihre realen Finanzmittel viermal so hoch sind wie 1960. Da entsteht kein Druck, der Wandel befördert“ (Melanie Amann, FAS 30. September 2012, 43). Sie dürften gut beraten sein, setzten sie sich mit der Definition des can. 751 CIC auseinander: „Schisma nennt man die Verweigerung der Unterwerfung [„subiectio“] unter den Höchsten Oberpriester“. Danach befindet sich die deutschbischöflich-katholische Körperschaftskirche im Schisma, bedroht von der „Exkommunikation als Tatstrafe“ (can. 1364 § 1 CIC). Ob sie noch mit unabdingbaren katholischen Lehren übereinstimmt, noch in voller Gemeinschaft mit dem Papst und der katholischen Weltkirche steht, oder ob sie als dissidierende Nationalkirche wird einzustufen sein, entscheidet allein der Papst:

„Von entscheidender Bedeutung für die römisch-katholische Kirche … ist die geistlich-rechtliche Oberhoheit des Bischofs von Rom als Papst. Nur er produziert selbständig globale Verbindlichkeit in Lehre und Recht, nur er ist nach katholischer, unaufgebbarer Glaubens-überzeugung oberster und absoluter Leiter und Lehrer der Kirche … Bei ihm liegt die Kompetenz-Kompetenz“ (Norbert Lüdecke, Globales Kirchenrecht, in: Katholizität im Kommen. Hrsg. von Claude Ozankom, Regensburg 2011, 49-62 (53).

9. Außer den im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts betonten Prinzipien staatlicher Neutralität und eigenständiger Entscheidung innerkirchenrechlicher bzw. innergemeinschaftlicher Fragen nach eigenem Recht der Religionsgemeinschaften zeigen sich im säkularen Staat Tendenzen, sich generell aus dem religiösen Bereich der Religionsgemeinschaften zurückzunehmen.

9.1 Im Kontext des Körperschaftsaustritts eigens erwähnenswert ist die Beendigung der seit Jahren angemahnten Praxis staatlicher Behörden, z. B. in Baden-Württemberg, vor dem Übertritt in eine andere Religionsgesellschaft („Konversion“) eine „Kirchenaustrittserklärung“ zu verlangen, selbst wenn unmittelbar darauf der Eintritt in eine andere Kirche erklärt werden sollte. In § 26 KiStG Ba-Wü wurde ein vierter Absatz eingefügt: „Wer aus einer Religionsgemeinschaft in eine andere übertreten will, kann im Falle einer Vereinbarung über den Übertritt zwischen diesen Religionsgemeinschaften nach den Bestimmungen dieser Vereinbarung ohne Erklärung des Austritts übertreten“ (Änderungsges. v. 14.10.2008, GBl S.335).

9.2 Kaum wahrgenommen wurde die Streichung der §§ 67 und 67a des Personenstands gesetzes mit Wirkung vom 1. Januar 2009. Damit wurde das wohl letzte Kulturkampf-Relikt abgeschafft, das Verbot der kirchlichen Voraustrauung. Ebenso entfiel Art. 26 (mit Schlußprotokoll) des Reichskonkordats (1933). Es war das Ende der obligatorischen Zivileheschließung. „Die vom Staat geregelte bürgerliche Ehe und die Ehe des kirchlichen Rechts, die sich seit der frühen Neuzeit schrittweise getrennt haben, stehen aus der Sicht des Staates nun völlig unverbunden nebeneinander“ (Dieter Schwab, Kirchliche Trauung ohne Standesamt - Die stille Beerdigung eines historischen Konflikts -, Zeitschr. f. das gesamte Familienrecht 55, 2008, 1121-1124 (1121).

Staatliche Trauungen und religiöse Eheschließungsfeiern können in Deutschland nun frei gewählt werden. Zu beachten ist, dass aus einer nicht standesamtlich geschlossenen Ehe keinerlei Rechtswirkungen für den staatlichen Bereich entstehen.

9.3 Wie der Staat die vorgängige obligatorische Zivilehe abschaffte und dadurch Art. 26 des Reichskonkordats hinfällig wurde, könnte auch die religionsrechtliche Körperschaft des öffentlichen Rechtes nach Art. 140 GG iVm Art. 137 Abs. 5 WRV ihr Ende finden, trotz des Art. 13 RK (mit Schlußprotokoll). Sie ist bis heute Ursache der mit dem deutschen Finanzierungssystem für Kirchen und Religionsgemeinschaften verbundenen Mißstände. Dieser religionsrechtliche Status ist außer für die übermäßigen Kirchensteuern - je „Großkirche“ ca. 5 Milliarden jährlich, verwendet vor allem für Personalkosten der Bistümer bzw. Landeskirchen - auch für die kaum bezifferbaren, als „Privilegienbündel“ bekannten Vergünstigungen verantwortlich, ebenfalls zu Lasten des allgemeinen Steueraufkommens. „Es handelt sich, abgesehen vom Kirchensteuerwesen, um umfassende Steuerbefreiungen und andere Vergünstigungen im Steuerrecht“, besonders anstößig die in der Öffentlichkeit immer kritischer registrierte „Befreiung von arbeitsrechtlichen Vorschriften“ (vgl. mit weiteren Aufzählungen Gerhard Czermak, Religions- und Weltanschau¬ungsrecht. Berlin 2008, 108 Rnr.195, Hervorh. H.Z.),

9.4 Hinzu kommen staatliche „Unterstützungen“, z. B. für Kinder gärten, Schulen, Heimen, Krankenhäuser in Trägerschaft der evangelischen Diakonie und der katholischen Caritas, die bis über 90 % der Kosten betragen. Gläubige kritisieren, „daß die Kirchen dank ihrer geballten Finanzkraft aus Steuer, Subventionen und Pflegebeiträgen zu profitorientierten Sozialkonzernen mutieren“ (Melanie Amann, FAS 27. September 2009, 36). Gegenüber diesen viele Milliarden betragenden Ausgaben nehmen sich die ewigen Staatsleistungen napoleonischen Erbes, von den Bundesländern nach Art. 140 GG iVm Art. 138 Abs. 1 WRV abzulösen, geradezu bescheiden aus. Im Jahr 2012 belaufen sich diese Staatsleistungen auf 475 Millionen Euro als „Zuschüsse für kircheninterne Personalkosten (Bischofsbesoldung, Kirchenleitung, Priester, etc)“. (http://www.staatsleistungen.de/rubrik/daten-und-fakten/brd) http://www.staatsleistungen.de/ ; http://www.rp-online.de/politik/deutschland/fdp-politiker-wollen-ende-der-staatsleistungen-1.2515908)

9.5 Einmal mehr wird der Staat um Hilfe zur Beendigung der mit dem deutschen Kirchen finanzierungssystem verknüpften Unzuträglichkeiten angegangen werden müssen, stammt es letztlich doch aus seinem Bereich. Sowohl die Privilegierung bestimmter Religionsgesellschaften als auch der „Kirchenaustritt“ gehen auf staatlichen Ursprung zurück und sind insoweit von ihm zu verantworten. Das „Allgemeine Landrecht für die Preußischen Staaten“ (1794) bestimmt in Teil II, Titel 11, 1. Abschnitt „Von Kirchengesellschaften überhaupt“, § 17 in Differenzierung zwi-schen „öffentlich aufgenommenen und geduldeten Kirchengesellschaften“: „Die vom Staate ausdrücklich aufgenommenen Kirchengesellschaften haben die Rechte privilegirter Corporationen …“ Dazu erklärten die Herausgeber Ernst und Wolfgang Huber, Staat und Kirche im 19. und 20. Jh., Bd I, Berlin 1973, 4 in einer Anmerkung: „Das heißt, nach heutigem Sprachgebrauch, von ‚Körperschaften des öffentlichen Rechts‘“. Für deren „weltliche Mitglieder“ schreibt § 110 vor: „Solange sie Mitglieder der Gesellschaft bleiben“ - hier wird die Austrittsmöglichkeit impliziert- „müssen sie zur Unterhaltung der Kirchenanstalten nach den Verfassungen der Gesellschaft beytragen“ (Hervorh. H.Z.).

10. Nahezu überall in der katholischen Weltkirche wird die Frage bejaht, ob es auch „ohne Kirchensteuer gehe“. „JA“ sagt auch - erfreulich festzustellen - eine sehr gewichtige Stimme. Für Reinhard Kardinal Marx, Erzbischof von München, ist es „selbstverständlich möglich“. Vgl. kath.net: Münchner Erzbischof: Es geht auch ohne Kirchensteuer (2.2.2012): „Die katholische Kirche in Deutschland kann nach Ansicht des Münchner Kardinals Reinhard Marx auch ohne die Kirchensteuer existieren. Dies sei 'selbstverständlich' möglich - 'aber anders', sagte Marx der Hamburger Wochenzeitung 'Die Zeit' (Donnerstag). 'Man müsste dann diskutieren, welche Aufgaben für das Gemeinwesen die Kirche künftig nicht mehr schultern soll', betonte der Erzbischof von München und Freising. 'Aber es wäre ja wirklich abenteuerlich, zu meinen, die katholische Kirche würde ohne Kirchensteuer untergehen.' Marx weiter: 'Dann müsste die Weltkirche ja längst untergegangen sein!'“.

Der Autor dieses Memorandums, Hartmut Zapp, ist ein emeritierter Kirchenrechtler der Theologischen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, vgl. kathpedia: Hartmut Zapp


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