Oberhaupt der Anglikaner rügt 'Gier' in der Finanzwelt

10. Februar 2013 in Weltkirche


Ex-Ölmanager Welby kritisiert Gehälter und Boni in Millionenhöhe


London (kath.net/idea) Scharfe Kritik an überhöhten Bezügen von Bankmanagern hat der anglikanische Primas, Erzbischof Justin Welby (London), geübt. Der 57-jährige frühere Finanzmanager der Ölkonzerne Elf Aquitaine und Enterprise Oil beschuldigte die Chefs von führenden britischen Finanzinstitutionen der Geldgier. Sie hätten Jahreseinkünfte in siebenstelliger Höhe und wollten beides – ein hohes Grundgehalt und noch darüber hinaus gehende Boni, sagte Welby am 6. Februar in London. Nach seiner Ansicht sollten sie sich auf eines von beiden beschränken. Beamte, Ärzte und Lehrer erhielten beispielsweise auch keine Boni, erklärte das geistliche Oberhaupt der „Kirche von England“ bei einer Anhörung des parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur Bankenaufsicht, dem er angehört. Das Gremium befragte die beiden Leiter der Großbank HSBC, Douglas Flint und Stuart Gulliver. HSBC hatte vor zwei Monaten wegen Geldwäsche in Millionenhöhe in den USA eine Rekordstrafe von umgerechnet 1,4 Milliarden Euro zahlen müssen. Die Bank hatte mindestens 650 Millionen Euro aus dem mexikanischen Drogenhandel durch ihre Konten laufen lassen und „gewaschen“.

Finanzmanager erhält das Hundertfache des Erzbischofsgehalts

Flint und Gulliver sagten jetzt aus, sie wollten HSBC zu einer Bank „beherzter Integrität“ machen. Gleichwohl zeigte sich Welby „verdutzt“ von ihren Vorstellungen. Einerseits wollten sie sich um Werte-Orientierung bemühen, andererseits argumentierten sie, dass sie die wichtigsten Top-Manager, die Werte-Vorbilder sein sollten, nur mit „Barem“ motivieren könnten. Nach Angaben der Londoner Zeitung „The Times“ erhielt Gulliver im vorigen Jahr Bezüge von 8,3 Millionen Euro – genau das Hundertfache des Jahresgehalts des „Erzbischofs von Canterbury“, dem allerdings freie Unterkunft im Lambeth-Palast und eine Alterspension in Höhe seines letzten Gehalts zusteht. Gulliver könnte in diesem Jahr zusätzlich zu seinem Grundgehalt von 1,4 Millionen Euro mit Boni von bis zu 13 Millionen Euro rechnen.

Oberhaupt von 77 Millionen Anglikanern

Welby ist ein Evangelikaler, der als Erwachsener zum christlichen Glauben kam und sich daraufhin entschloss, seine Karriere in der Wirtschaft aufzugeben und Geistlicher zu werden. Am 9. November 2012 wurde er überraschend zum „Erzbischof von Canterbury“ ernannt. Er ist damit geistliches Oberhaupt der rund 77 Millionen Anglikaner weltweit. Er folgte in dem Amt auf den 62-jährigen Waliser Rowan Williams, der nach zehnjähriger Amtszeit ab 1. Januar die Leitung des Magdalene College an der Universität Cambridge übernommen hat.


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