3. März 2013 in Aktuelles
Timothy Kardinal Dolan ist Erzbischof in der Metropole des Westens: New York. Dort mischt er sich launig in Debatten ein, etwa zur Homosexualität. Ist er ein Mann für die Nachfolge Papst Benedikts? Von Paul Badde (Die Welt)
Vatikan (kath.net/Die Welt) "Herr, zu wem sollen wir gehen?" heißt das lateinische Motto im Wappen Timothy Michael Kardinal Dolans (63) aus New York auf Deutsch und eine bessere Frage lässt sich zur Zeit, leicht abgewandelt, wohl auch dem Rest der Kardinäle vor dem nun bald anbrechenden Konklave nicht stellen. Im Evangelium des Johannes (6,68) ist die Frage rhetorisch, weil Petrus dort ja selbst gleich danach die Antwort darauf gibt: "Du allein hast Worte des ewigen Lebens".
Bei den Kardinälen ist es so allerdings nicht. Unter ihnen ist es die momentan wichtigste Frage der universalen Weltkirche. Wem wollen und sollen sie in dieser Zeit des Umbruchs das Steuer des "Schiffleins Petri" anvertrauen, wie Benedikt es sagte, der auch die gewaltigen Wellen sah, in denen das Schiff zuletzt auf dem Ozean tanzte (mit dem schlafenden Christus an Bord auf einem Kissen im Heck des Bootes)?
In New York, einer der größten Hafenstädte der Welt, hat Kardinal Dolan zuletzt den Hurrikan "Sandy" erlebt, aber auch verschiedene noch viel verheerendere Stürme, die in den letzten Jahren über die katholische Kirche in den Vereinigten Staaten hinweg gefegt sind, wo sie viele das Fürchten gelehrt haben. Ihn nicht. Als Hausherr der Saint Patrick's Cathedral in Manhattan ist er außerdem auch der Erzbischof in der größten jüdischen Metropole der Welt, wo er sich zu seinem Mutterwitz inzwischen auch noch eine gehörige Portion Chuzpe angeeignet hat. Die multikulturelle Welt, mit dem Clash der Kulturen darin, ist sein Element.
Amerikanischer Shooting-Star
Timothy Dolan hatte seinen 63. Geburtstag gerade eine Woche hinter sich, als er am 11. Februar von der Rücktrittserklärung Benedikts XVI. hörte und auf die ersten Gerüchte, dass er vielleicht dessen Nachfolger werden könnte, spontan meinte, dass der Urheber dieser Nachricht wohl Marihuana geraucht haben müsse. Er kennt das Vokabular der Reizworte der politisch korrekten und unkorrekten Debatten im Schlaf. Den weiß ihm keine Wortpolizei zu rauben. Die Vorstellung, ihn als ersten Nachfolger Petri aus der Neuen Welt in den Schuhen des Fischers zu sehen, ist deshalb nicht nur bekifft eine schöne Vision.
Benedikt hat ihn vor einem Jahr im Konsistorium vom 18. Februar 2012 noch gerade rechtzeitig vor seinem Abschied zum Kardinal erhoben (und als Titelkirche "Nostra Signora di Guadalupe" auf dem Monte Mario verliehen).
Der amerikanische Shooting-Star im ehrwürdigen Kollegium des vatikanischen Senats wurde in St. Louis, Missouri, in den amerikanischen Südstaaten als ältestes von fünf Kindern einer Mittelklassefamilie irischer Abstammung geboren. Er hat Theologie und Philosophie studiert, ab 1972 als Alumne des Päpstlichen Nordamerika-Kollegs in Rom, wo er an der Päpstlichen Universität Heiliger Thomas von Aquin das Lizentiat in Theologie erwarb. 1976 wurde er zum Priester geweiht, war Kaplan in Richmond Heights und ein viel besuchter Beichtvater in einem Konvent der unbeschuhten Karmelitinnen.
Furchtlos und witzig
Von 1979 bis 1983 studierte er Kirchengeschichte, promovierte, wurde wieder Kaplan und Seelsorger in Missouri, 1987 Mitarbeiter in der Apostolischen Nuntiatur in Washington D. C. und 1992 Subregens, Spiritual und Dozent für Kirchengeschichte, bevor er 1994 wieder zurück nach Rom gerufen wurde, diesmal als Regens am Päpstlichen Nordamerika-Kolleg. In dieser Zeit vervollkommnete er auch sein Italienisch als die Sprache, die immer noch unerlässlich ist in der Zentrale der römisch-katholischen Universalkirche, seit die Apostelfürsten Petrus und Paulus von Jerusalem nach Rom aufbrachen.
2001 ernannte ihn Papst Johannes Paul II. zum Titularbischof von Natchesium und zum Weihbischof in St. Louis und am 25. Juni 2002 zum Erzbischof von Milwaukee. Benedikt XVI. berief ihn von dort im Februar 2009 nach New York, in die unangefochtene Metropole der westlichen Welt, wo er sich furchtlos, witzig und oft auch mit launigen Kommentaren in die aktuellen ethischen Debatten einmischte, etwa zu brisanten Fragen der Homosexualität in der katholischen Kirche oder der transnationalen Ideologie eines geschlechtsbereinigenden "Gendermainstreaming".
Bei der Bischofssynode fiel er auf
Spätestens seit seiner Zeit als Beichtvater ist dem konservativen Sanguiniker nichts Menschliches fremd. Im November 2010 wurde er zum Präsidenten der US-amerikanischen Bischofskonferenz gewählt. Danach hätte er gern Greg Burke, den Topjournalisten von Fox-News, als Pressesprecher aus Rom zu sich nach New York geholt, den ihm dann aber der Vatikan selbst vor der Nase wegschnappte. Bei Interviews, die der er für einen lokalen Sender mit Stimmen aus Rom durchführte, konnte es auch schon geschehen, dass er sich am Schluss einer theologischen Debatte bei angeschaltetem Mikrofon im Äther noch rasch nach der besten Restaurantempfehlung in der Nähe des Vatikans erkundigte.
Bei der Bischofssynode, die Benedikt XVI. im letzten Herbst zur Neuevangelisierung der Völker nach Rom einberufen hatte, fiel er allerdings dadurch auf, dass er in den fünf Minuten Redezeit, die jedem Bischof zustanden (und die dabei so gut wie keinem von ihnen genügten), dass Mikrofon ergriff und sagte, dass es zur Neuevangelisierung und Verlebendigung der katholischen Kirche völlig genüge, wenn die Bischöfe hier zuerst das Sakrament der Buße und Beichte wieder neu entdecken und auferstehen lassen würden.
Schon war er fertig, nach knapp zwei Minuten. Kürzer hatte kaum ein Bischof geredet und mehr Applaus hatte hier auch kaum einer bekommen.
Weiterführender Link: Das Statement von Timothy Kardinal Dolan bei der Bischofssynode 2012, kath.net hat berichtet
Archbishop Timothy Dolan: The most ´popular´ American Cardinal
Cardinal Dolan: Three challenges for the next pope
© 2013 www.kath.net