Der Rücktritt Benedikts XVI. und das dritte Geheimnis von Fatima

6. März 2013 in Aktuelles


‚Und wir sahen in einem ungeheuren Licht, das Gott ist: etwas, das aussieht wie Personen in einem Spiegel, wenn sie davor vorübergehen, einen in Weiß gekleideten Bischof. Wir hatten die Ahnung, dass es der Heilige Vater war.’ Von Armin Schwibach


Rom (kath.net/as) Über das Konklave der Journalisten wurde bereits geschrieben. Natürlich bringt es die von Kardinal Angelo Sodano und Kardinal Tarcisio Bertone gewollte strikte Geheimhaltung hinsichtlich der in den Generalkongregation diskutierten Themen mit sich, dass das Interesse der Medien, die Suche nach dem Scoop und selbstverständlich auch die Erfindungskraft angeheizt werden. Themen wie Vatileaks, die in den Jahren immer sichtbarer gewordenen Mängel im Wirken der Römischen Kurie und nicht zuletzt natürlich das einzigartige Ereignis des Rücktritts eines Papstes tragen das Ihre dazu bei, dass Nerven blank liegen und der Wissensdurst auf Höhepunkte zustrebt.

Über 5.000 akkreditierte Journalisten aus bisher 65 Ländern begleiten die Phase der Konklavevorbereitungen, um dann – so möglich – als erste der Welt den aus der Sixtinischen Kapelle aufsteigenden weißen Rauch und den Namen des neuen Pontifex mitteilen zu können. Das bedeutet: rein zahlenmäßig ist das Medieninteresse noch größer als in jenem besonderen Jahr 2005, als die Welt am Sterben eines großen Papstes Anteil nahm, um dann zu erfahren, wer in die Schuhe dieses Fischers treten würde.

Auch im Jahr 2005 wurde ein „Schweigen“ beschlossen, das nach den Bestattungsfeierlichkeiten am 8. April einsetzen sollte, um die Arbeiten der Kardinäle in den Generalkongregationen nicht zu kompromittieren. Damals waren es die Kardinäle, die ihre Entscheidung vor Joseph Ratzinger als Dekan des Kollegiums gebracht hatten: keiner der Purpurträger sollte außerhalb der Kongregationen etwas über Inhalt und Ablauf sagen dürfen, ohne damit einen Eid zu brechen. Es bestand die Befürchtung, dass gewisse Nationalitäten das Medieninteresse fokussieren würden, zum Nachteil der weniger „bekannten“ und weniger im öffentlichen Bewusstsein vertretenen Länder mit ihren Kardinälen. Kardinal Ratzinger war mit dieser Unterdrückung der Redefreiheit nicht einverstanden gewesen, akzeptierte jedoch den Willen des Kardinalskollegiums. Ratzinger war nach den Worten von Kardinal Daneels gegen eine Beschränkung der Freiheit der Kardinäle, da es seiner Ansicht nach ein „Menschenrecht“ sei, dass die Purpurträger ihre Meinung sagen, wenn sie dies wollten und für richtig hielten. Dennoch überwog die Sorge um die Unverletzlichkeit der Vorbereitungen der Wahl eines neuen Papstes.

Dieses Mal kam die Entscheidung wohl „von oben“. Bereits im Vorfeld des Rücktritts Benedikts XVI. hatte sich das Staatssekretariat in einer harten „Note“ gegen den Versuch verwahrt, die Papstwahl zu konditionieren und „das Gewicht der öffentlichen Meinung ins Spiel zu bringen, die oft auf Einschätzungen beruht, die den typisch spirituellen Aspekt des Augenblicks, den die Kirche gerade durchlebt, nicht erfassen“ (24. Februar). Zu Recht oder zu Unrecht – dies wird die Geschichte erweisen müssen. Dass die Forderung nach strikter Geheimhaltung die Gerüchteküche anheizt und selbst schlafende Hunde hinter dem Ofen hervorlockt, versteht sich im Informationszeitalter von selbst.

Zweifellos kommt in der Welt der Information und der lückenlosen medialen Abdeckung von Ereignissen der „spirituelle Aspekt“ zu kurz. Wichtiger ist es zum Beispiel, aus der Ferne geschossene Fotos des emeritierten Papstes bei seinen Spaziergängen in Castel Gandolfo zu veröffentlichen – wie dies heute die italienische Wochenzeitschrift „Chi“ tut –, als sich einer tiefgehenden Betrachtung der Ereignisse zu stellen. Diese Betrachtung kommt nicht ohne die Dimension des Glaubens aus, will sie nicht an der Oberfläche stecken bleiben.

Was bedeutet der Rücktritt eines Papstes, dieses Papstes, Benedikts XVI., der nun sogar den Titel „emeritierter Papst“ trägt und immer noch die weiße Soutane trägt? Der Papst ist ja doch „immer und für immer“ Papst, er gehört immer und ganz allen, der ganzen Kirche, ohne die Möglichkeit einer Rückkehr ins Private (vgl. Generalaudienz 27.2.2013). Der emeritierte Papst – Benedikt XVI. – trägt keine amtliche Vollmacht mehr für die Leitung der Kirche, aber im Dienst des Gebetes bleibt er „im engeren Bereich des heiligen Petrus“. Wie kann man sich das vorstellen? Was ist der größere Zusammenhang dieses „Bleibens“?

Auf seiner Reise nach Portugal ging Benedikt XVI. am 11. Mai 2010 auf das dritte Geheimnis von Fatima ein, das er selbst im Jahr 2000 bei dessen Veröffentlichung vorgestellt hatte. Dieses „Geheimnis“ lautet:

„Nach den zwei Teilen, die ich schon dargestellt habe, haben wir links von Unserer Lieben Frau etwas oberhalb einen Engel gesehen, der ein Feuerschwert in der linken Hand hielt; es sprühte Funken, und Flammen gingen von ihm aus, als sollten sie die Welt anzünden; doch die Flammen verlöschten, als sie mit dem Glanz in Berührung kamen, den Unsere Liebe Frau von ihrer rechten Hand auf ihn ausströmte: den Engel, der mit der rechten Hand auf die Erde zeigte und mit lauter Stimme rief: Buße, Buße, Buße!

Und wir sahen in einem ungeheuren Licht, das Gott ist: "etwas, das aussieht wie Personen in einem Spiegel, wenn sie davor vorübergehen" einen in Weiß gekleideten Bischof "wir hatten die Ahnung, dass es der Heilige Vater war". Verschiedene andere Bischöfe, Priester, Ordensmänner und Ordensfrauen einen steilen Berg hinaufsteigen, auf dessen Gipfel sich ein großes Kreuz befand aus rohen Stämmen wie aus Korkeiche mit Rinde. Bevor er dort ankam, ging der Heilige Vater durch eine große Stadt, die halb zerstört war und halb zitternd mit wankendem Schritt, von Schmerz und Sorge gedrückt, betete er für die Seelen der Leichen, denen er auf seinem Weg begegnete.

Am Berg angekommen, kniete er zu Füßen des großen Kreuzes nieder. Da wurde er von einer Gruppe von Soldaten getötet, die mit Feuerwaffen und Pfeilen auf ihn schossen. Genauso starben nach und nach die Bischöfe, Priester, Ordensleute und verschiedene weltliche Personen, Männer und Frauen unterschiedlicher Klassen und Positionen. Unter den beiden Armen des Kreuzes waren zwei Engel, ein jeder hatte eine Gießkanne aus Kristall in der Hand. Darin sammelten sie das Blut der Märtyrer auf und tränkten damit die Seelen, die sich Gott näherten“.

Diese Worte beziehen sich für Benedikt XVI. nicht nur auf bereits Vergangenes wie das Leiden seines Vorgängers Johannes Paul II. Es werden vielmehr „Realitäten der Zukunft der Kirche aufgezeigt, die sich nach und nach entfalten und zeigen“. Über den in der Vision gezeigten Moment hinaus müsse die Notwendigkeit eines Leidens der Kirche gesehen werden, „das sich natürlich in der Person des Papstes widerspiegelt, aber der Papst steht für die Kirche und daher werden Leiden der Kirche angekündigt“.

Die wahre und grundlegende Antwort der Kirche müsse die Umkehr sein. Für Benedikt XVI. wird heute deutlich: Die Angriffe gegen den Papst und die Kirche kommen „nicht nur von außen, sondern die Leiden der Kirche kommen gerade aus dem Inneren der Kirche, von der Sünde, die in der Kirche existiert“, denn: „Die größte Verfolgung der Kirche kommt nicht von den äußeren Feinden, sondern erwächst aus der Sünde in der Kirche“.

„... wie Personen in einem Spiegel, wenn sie davor vorübergehen, einen in Weiß gekleideten Bischof – Am Berg angekommen, kniete er zu Füßen des großen Kreuzes nieder“: Benedikt XVI. ist nun den Berg der Begegnung mit Gott hinaufgestiegen (vgl. letzter Angelus, 24. Februar 2013).

Aufgabe der Kirche ist es, jener „Notwendigkeit des Leidens“ zu begegnen, in der Umkehr, in der radikalen Entweltlichung. Wie eine im Spiegel sichtbare Person begleitet Benedikt XVI. diese neue Zeit mit seinem kontemplativen Lehramt.


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