8. März 2013 in Chronik
Der anglikanische Primas Justin Welby hat im doppelten Boden des Wohnmobils die Heilige Schrift in den Ostblock gebracht Mindestens zweimal hatte er sich telefonisch vorsorglich von seiner Frau verabschiedet, weil sein Leben bedroht gewesen war
London (kath.net/idea) Vom Bibelschmuggler zum Kirchenführer: Das neue geistliche Oberhaupt der rund 77 Millionen Anglikaner, Erzbischof Justin Welby (London), hat in der Zeit des Kalten Krieges Bibeln in Ostblockstaaten gebracht.
Kurz nach seiner Hochzeit fuhr er Anfang der achtziger Jahre mit seiner Frau Caroline mit einem präparierten Wohnmobil im Auftrag der niederländischen Osteuropäischen Bibelmission in die Tschechoslowakei und nach Rumänien, berichtet jetzt die Londoner Zeitung The Times. In einem doppelten Boden seien die Exemplare der Heiligen Schrift versteckt gewesen.
Die Welbys seien gründlich auf ihre Mission vorbereitet worden: Sie hätten Fahrtrouten und Codewörter auswendig lernen müssen, um Kontakt zu Christen im Untergrund aufnehmen zu können. Außerdem habe man sie auf Gefahren durch Spitzel und Geheimpolizisten aufmerksam gemacht. Ferner hätten sie lernen müssen, wie sie sich in Verhören verhalten sollten.
Gefährliche Mission: Leben mehrfach bedroht
Der Times zufolge könnten diese Erfahrungen Welby auf seine späteren teilweise gefährlichen diplomatischen Missionen vorbereitet haben. Der heute 57 Jahre Kirchenmann war elf Jahre lang in Paris und London als Finanzmanager der Ölkonzerne Elf Aquitaine und Enterprise Oil tätig. Sein Schwerpunkt waren Förderprojekte in der Nordsee und im westafrikanischen Nigeria.
Nach seiner Hinwendung zum christlichen Glauben verließ er 1989 seine bisherige Karriere und studierte Theologie, um Pfarrer zu werden. Von 2002 bis 2007 leitete er als Kanonikus (Domherr) unter anderem die Versöhnungsarbeit an der Kathedrale von Coventry (Mittelengland). Bei Friedensmissionen in Afrika und im Nahen Osten verhandelte er mit Kriegsherren in Nigeria, etwa über die Freilassung von Geiseln.
Dabei war sein Leben mehrfach bedroht. Mindestens zweimal habe er sich mit einem Telefonanruf vorsorglich von seiner Frau verabschiedet, weil sein Leben bedroht gewesen sei, berichtet die Times. Ein weiteres Mal habe er keine Chance gehabt, sein Handy zu benutzen. Welby vermittelte auch zwischen Israelis und Palästinensern. Nach dem Einmarsch der US-Truppen und ihrer Verbündeten im Irak im Jahr 2003 eröffnete Welby zusammen mit Kanonikus Andrew White die anglikanische Kirche in Bagdad.
Durch Alpha-Kurs zum Glauben
Welby wird dem evangelikalen Flügel der Anglikaner zugerechnet. Seine Lebenswende wurde durch einen tragischen Verkehrsunfall in Paris ausgelöst, bei dem 1983 seine sieben Monate alte Tochter ums Leben kam. Inzwischen haben die Welbys fünf weitere Kinder.
Welby kam durch einen Alpha-Kurs an der Kirche der Heiligen Dreifaltigkeit im Londoner Stadtteil Brompton zum Glauben. Er studierte Theologie in Durham (Nordostengland) und war als Pfarrer von 1993 bis 2002 in der mittelenglischen Grafschaft Warwickshire tätig. Dort führte er auch modern gestaltete Gottesdienste ein, worauf sich die Zahl der Besucher vervielfachte. Es folgten Ämter in Coventry und Liverpool. 2011 wurde er zum Bischof von Durham und im November 2012 zum Primas der Anglikaner gewählt.
Fällt Inthronisierung mit Papstwahl zusammen?
Er folgt auf den 62-jährigen Waliser Rowan Williams, der nach zehnjähriger Amtszeit ab 1. Januar die Leitung des Magdalene College an der Universität Cambridge übernommen hat. Am 21. März wird Welby als Erzbischof von Canterbury inthronisiert.
Es ist nicht ausgeschlossen, dass der Termin mit der Wahl des neuen Papstes zusammenfällt. Welby bezeichnete Benedikt XVI., der am 28. Februar zurückgetreten war, als einen außergewöhnlichen Theologen und Kirchenleiter. Er freue sich auch, mit dessen Nachfolger im Laufe des Jahres zusammenzutreffen. Ich bin überzeugt, dass wir eine gemeinsame Liebe für Christus entdecken werden, so Welby.
Foto Bischof Welby: © www.durham.anglican.org
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