Franziskus greift wieder zum Sperrholz-Altar

16. März 2013 in Aktuelles


Nicht allein durch seine Namenswahl macht der neue Papst Franziskus deutlich, wie anders er das Amt versteht als sein Vorgänger Benedikt XVI. Seine ersten Tage offenbaren grundsätzlich neue Akzente. Von Paul Badde (Die Welt)


Vatikan (kath.net/Die Welt) Papst Franziskus lässt sich mit vernünftigen Gründen nicht als Handlanger der argentinischen Militärdiktatur bezeichnen. Zwei Tage nach seiner Wahl ist ein erster Versuch, den neuen Papst (und Nachfolger des „Hitlerjungen Ratzinger“) zu diskreditieren, mit einer Entlastung des 85-jährigen Jesuitenpaters Franz Jalics zusammengebrochen, der dem ehemaligen Erzbischof von Buenos Aires bescheinigt, völlig unschuldig an seiner Verhaftung in den 70er Jahren zu sein.

Auch freundliche Vergleiche zwischen dem neuen und dem alten Papst haben es allerdings schwer, einem Faktencheck standzuhalten. Beide haben sich mit dem zivilen „buona notte“ und „buona sera“ in Castel Gandolfo und Rom verabschiedet und vorgestellt. Beide sprechen sich zudem gegenseitig mit „Heiligkeit“ an. Doch sonst sind kaum gegensätzlichere Persönlichkeiten vorstellbar, die – beide mit tiefem persönlichen Glauben - nun hintereinander die Nachfolge des Apostels Petrus angetreten haben. Papst Franz „erschüttert die Kirche“ schrieb der römische „Messaggero“ schon am zweiten Tag seiner Amtszeit. Er hätte es auch schon am ersten Tag schreiben können. Gegensätzlicher als sein Vorgänger konnte er das neue Pontifikat kaum beginnen.

Schon die Namen der beiden stehen für völlig verschiedene Programme und Positionen. Benedikt von Nursia (480 – 547), dessen Namen Papst Benedikt für sich gewählt hat, war der Vater des Mönchtums im Abendland. Nach seinen Impulsen und seiner Regel haben die Benediktiner Europa in zahlreichen Klöstern wie kaum eine andere geistige Kraft zivilisiert und bereichert. Ihr Orden hat sich um die Liturgie des Gebets verdient gemacht und um die Heiligung der Arbeit.

Kaum ein Stand war deshalb im Mittelalter auch erfolgreicher und reicher geworden als die Benediktiner – denen Franziskus von Assisi (1181 – 1226) deshalb zu seiner Zeit als ein Revolutionär der Armut und Einfalt entgegen trat, der keine Regel außer dem Evangelium gelten lassen wollte. Dass Papst Innozenz III. (1160 – 1216) ihm und seinen Gefährten schließlich dennoch die Erlaubnis für einen neuen Weg in der Kirche gab, hatte der Legende nach damit zu tun, dass er in einem Traum gesehen haben wollte, wie Franziskus eine einstürzende Kirche stützte.

Schon vielen seiner Zeitgenossen galt Franziskus als ein „neuer Christus“. Sich diesen Namen als Jesuit zu geben, zeugt nicht nur von Bescheidenheit, sondern auch von einem enormen Selbstbewusstsein.

Die verschiedenen Namen der beiden Päpste erklären deshalb auch manche der neuen Akzente, mit denen Papst Franz sein Amt in den ersten Tagen angetreten hat, zur Freude vieler in Rom und zum Missfallen mancher. Noch führt er die „Ferula“, den goldenen Pilgerstab der Päpste, den Papst Benedikt wieder eingeführt hat. Doch keiner weiß, wie lange noch. Für Papst Franz geht es dabei keineswegs nur um Stilfragen. Seine vielen Freunde sehen hier „lebendige Demut“ am Werk, seine ersten Gegner und Kritiker hingegen „demonstrative und gespielte Bescheidenheit“.

Den ersten Dissens gab es schon in der „Kammer der Tränen“ neben der Sixtinischen Kapelle, wo nach der Wahl des Papstes die neuen Kleidungsstücke für den Papst bereit liegen. Die rote Samt-Mozzetta mit einer weißen Hermelin-Borde, mit der Päpste seit über 800 Jahren an das Blut und Leiden Christi und an seine Reinheit und Unschuld erinnert werden sollen, lehnte der neue Papst entschieden ab. „Das können Sie anziehen“, soll er Monsignor Guido Marini, dem Zeremonienmeister Papst Benedikts beschieden haben, der ihn ankleiden wollte.

Auch die roten Schuhe, die der kaiserlichen Tradition Konstantinopels entstammen, lehnte er kurzerhand ab und behielt seine schwarzen Straßenschuhe bei. Für das goldene Kreuz der Päpste wollte er sich nicht von seinem Eisenkreuz trennen, das er schon als Erzbischof getragen hatte. Sein Hirtenring soll versilbert sein, nicht golden.

Bei seiner ersten Messe am Tag nach seiner Wahl ließ er wieder einen so genannten „Volksaltar“ zur Zelebration in die vornehme Sixtinische Kapelle tragen, mit einer Schauseite und einer Rückseite aus billigem Sperrholz, wo Papst Benedikt XVI. zuletzt nur noch an dem ursprünglichen Altar am Kopfende der Kapelle zelebriert hatte, mit dem „Gesicht zu Gott gewandt“ - und dem Weltgericht Michelangelos über seinen Augen. Es ist mehr als nur eine Richtungsänderung.

Dagegen ist es wirklich eher eine Frage des Stils, dass er seine Rechnung im Hotel (noch) selber zahlen will, dass er weiter lieber mit dem Bus als mit der Limousine fährt, dass er „Nein“ zu den umfangreichen Sicherheitsmaßnahmen um seine Person sagt, weil er ein „Pilger unter Pilgern“ sein möchte. Seine kommenden Reisen wird er nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurücklegen können.

Keiner war ein größerer Kritiker der Institutionen als der heilige Franziskus. Als Papst konnte man sich den Heiligen deshalb bis heute überhaupt nicht vorstellen. Will Papst Franz deshalb demnächst vielleicht auch aus dem „Apostolischen Palast“ und seinen Fluren und Hallen ausziehen, wo er als ein „Gefangener in einem Museum“ leben muss, wie Kardinal O’Malley aus Boston sagt?

Vor den Kardinälen rühmte er am Freitag den Amtsverzicht Benedikt XVI. als einen „mutigen und demütigen Schritt“ – und kam danach vor Kardinal Sodano ins Stolpern. „Wer nicht zum Herrn betet, betet zum Teufel", zitierte er in seiner ersten Predigt Léon Bloy. Wer davor erschrak, sollte sich in Assisi einmal all die Teufel ansehen, vor denen es da nur so wimmelt in den Fresken. Am Samstag wird sich der neue Papst den Medien stellen. Bei einem ähnlichen Termin dieser Art bekannte Benedikt XVI. vor acht Jahren, wie er im Konklave das Fallbeil der „Guillotine auf sich zustürzen“ sah. Wer weiß, was Papst Franz nun auf sich zukommen sieht.

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Die im Text erwähnte Rückwand des provisorischen Altares in der Sixtinischen Kapelle ist in diesem Video in Minute 53 zu sehen:



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