Römisches Tagebuch vom Petersplatz

20. März 2013 in Aktuelles


Ein großes Fest des Glaubens war die Amtseinführung von Papst Franziskus. Die Schriftstellerin und Journalistin Monika Metternich war auf dem Petersplatz dabei. (Teil 5)


Vatikan (kath.net) Um vier Uhr morgens aufzustehen ist sonst kein wirkliches Vergnügen. Für die Amtseinführung des neuen Papstes ist aber kein Opfer zu groß: Um fünf Uhr quetsche ich mich durch die vielen Absperrungen Richtung Petersplatz, bald schon stehe ich zwischen anderen Journalisten und Kameraleuten mit schwerem Gerät in der ersten von sage und schreibe fünf dichtest gedrängten Warte- und Kontrollschlangen, die alle Journalisten zu bewältigen haben, bevor sie ihrer Aufgabe nachkommen können. Zu der merkwürdigen und teilweise gefährlich anmutenden Kanalisation der Massen – in der Via della Conciliazione soll es frühmorgens Berichten von Besuchern zufolge zu einem unkontrollierten Ansturm gekommen sein, der selbst einige Polizisten weiß um die Nase werden ließ – lässt sich positiv vermerken, dass es bei jeder Großveranstaltung am Petersplatz doch immer wieder ein Wunder ist, dass nichts Ernsteres passiert. Um acht Uhr stehe ich schließlich auf dem Petersplatz, der sich nun in rasender Geschwindigkeit füllt. Bunte Fahnen, Spruchbänder, ein Meer von Menschen aller Nationen – und über allem zum ersten Mal seit Tagen blitzblauer Himmel. Papstwetter.

Ich finde ein Plätzchen an einer Säule, wo sich sogleich eine spontane Familiensituation ergibt: Jacky, die anglikanische Britin, die von sich sagt, Benedikt XVI. habe in ihr den Wunsch zur Konversion geweckt, im Pontifikat von Franziskus werde sie ihn nun wohl verwirklichen – heute wolle sie ihn hier „kennenlernen“. Dann die junge Mutter mit zwei kleinen Kindern, eskortiert von der Nonna, die genügend Kekse und Getränke bereithält, bis der Heilige Vater kommt. Die spanische Biologin, die aus den Seiten des mitgebrachten Osservatore Romano schützende Papierhüte für die Kinder bastelt. Die sechsjährige Chiara, die unbedingt ihre Barbiepuppe „il Papa“ zeigen möchte und deren Vater ängstlich ist, dass sie verlorengehen könnte und deshalb seine Augen nicht von ihr lässt. Drei lustige Klosterschwestern, deren eine, mindestens siebzig Jahre alt, mit spitzbübischem Gesicht und – während der gestrenge Ordner gerade wegschaut – mit Hilfe der Umstehenden kletternd eine abgesperrte, winzige Lücke direkt an der Balustrade erobert, an der der Heilige Vater vorbeifahren könnte. Ihre beiden Mitschwestern lachen verschmitzt über ihre Findigkeit und wir alle freuen uns über den gelungenen kleinen Trick.

Ein kleines Stück weiter sitzen die Rollstuhlfahrer, gespannt und aufgeregt ob des großen Erlebnisses. Und dann geht ein Jubel durch die Reihen, der ganze Petersplatz wogt – und da ist er, der neue Papst: Im offenen Wagen fährt er an uns vorbei, winkt, als hätte er nie etwas anderes gemacht – er küsst lachend ein schreiendes Baby, das ihm angereicht wird, und dann die riesige Überraschung: das Papamobil hält an. Der Papst steigt behende aus und geht auf einen schwer behinderten jungen Mann zu, der in den Armen eines Angehörigen liegt. Er küsst ihn fast ehrfürchtig, segnet ihn, legt immer wieder die Hände liebevoll um sein Gesicht – und erntet ein Strahlen, das allen Beobachtern die Tränen in die Augen treibt. Dann geht es weiter in der „großen Runde“ über den ganzen Petersplatz. Grenzenloser Jubel und greifbare Freude.

Auf den großen Videoleinwänden lässt sich das weitere Geschehen wie aus nächster Nähe mitverfolgen: Die Übergabe von Pallium und Fischerring, der stellvertretende Obödienz-Akt von sechs ausgewählten Kardinälen – aus der Menge hinter mir ruft es „Schau, da ist Meisner!“ – und schließlich der Beginn der Messe. Es ist immer wieder verblüffend, wie konzentriert und andächtig eine derart große Menschenmenge gemeinsam Messe feiern kann. Die Stimmung ist feierlich und konzentriert.

Als der Papst zu predigen beginnt, wird er von Beifall unterbrochen, als er davon spricht, „die Menschen zu hüten, sich um alle zu kümmern, um jeden Einzelnen, mit Liebe, besonders um die Kinder, die alten Menschen, um die, welche schwächer sind und oft in unserem Herzen an den Rand gedrängt werden.“ Auch in der Familie müsse man aufeinander achten: „Die Eheleute behüten sich gegenseitig, als Eltern kümmern sie sich dann um die Kinder, und mit der Zeit werden auch die Kinder zu Hütern ihrer Eltern.“ Hüter der Gaben Gottes sollen wir sein.

Besonders aufmerksam hört die Menge zu, als der Papst beschreibt, welcher Art die Macht ist, die dem Nachfolger Petri verliehen ist: „Vergessen wir nie, dass die wahre Macht der Dienst ist und dass auch der Papst, um seine Macht auszuüben, immer mehr in jenen Dienst eintreten muss, der seinen leuchtenden Höhepunkt am Kreuz hat“.

Die Liturgie ist – wie es schon bei Benedikt XVI. war - betont einfach und gerade deshalb von bewegender Schönheit. Nur einige kleine Änderungen fallen auf: So findet zum Beispiel keine Gabenprozession statt und der Papst teilt nicht persönlich die Kommunion aus.

Mit einem vieltausendfach geschmetterten „Salve Regina“ schließt die Messe auf dem Petersplatz. Noch einmal wehen die Fahnen fröhlich im Wind – friedlich und ohne Gedrängel machen sich die vielen Menschen dann auf den Nachhauseweg. „Sich gegenseitig behüten“ - das ist wohl bei vielen hängengeblieben. Und von Franziskus sind sie begeistert.

Amtseinführung von Papst Franziskus. Die Messe und die Begegnungen mit den Menschen in voller Länge (mit deutsch. Übersetzung)


Foto: © kath.net/Monika Metternich


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