22. März 2013 in Chronik
Schweizer Regisseur Stefan Haupt schuf Film abseits der üblichen Touristenbilder - "Bau großer Kathedralen wie der Sagrada ist Ausdruck der Sehnsucht nach Geborgenheit, Verbundenheit und Klarheit"
Wien (kath.net/KAP) Der Bau großer Kathedralen wie der "Sagrada Familia" in Barcelona ist in heutiger Zeit Ausdruck einer anachronistisch anmutenden Sehnsucht nach Geborgenheit, Verbundenheit und Klarheit - und zugleich ein Stück "Heimat". Das sagte der Schweizer Filmregisseur Stefan Haupt am Montagabend bei der Österreich-Premiere seines Dokumentarstreifens "Sagrada. el misteri de la creacio" im Wiener Votivkino. Der Film zeigt das seit 1882 in Bau befindliche Gotteshaus des katalonischen Architekten Antoni Gaudi aus ungewohnten, oft spektakulären Blickwinkeln und anhand der an der "ewigen Baustelle" beschäftigten Menschen. Kinostart in Österreich ist der kommende Freitag, 22. März.
Stefan Haupt - der mit seinem Film über die berühmte Sterbeforscherin "Elisabeth Kübler-Ross - Dem Tod ins Gesicht sehen" den bisher erfolgreichsten Schweizer Dokumentarfilm schuf - blickt in seinem aktuellen Streifen hinter die Kulissen der stets von Besucherströmen heimgesuchten Sagrada Familia. Er veranschaulicht die enormen Dimensionen der bereits ganz oder teilweise fertiggestellten Abschnitte wie das 90 Meter lange Hauptschiff oder das 75 Meter hohe Abschlussgewölbe, deren Krönung mit einem 170 Meter hohen "Christusturm" noch aussteht. Für Außenaufnahmen flog Haupt im Helikopter um den Bau oder ließ die Kamera an einem der Baukräne befestigen.
Es sei ihm nicht darum gegangen, "die üblichen Touristenbilder" ein weiteres Mal auf die Leinwand zu bringen, betonte der für die Österreich-Premiere angereiste Haupt im "Kathpress"-Interview. Stattdessen habe er die Menschen kennenlernen wollen, die an der Vollendung dessen mitwirken, was Antoni Gaudi (1852-1926) jahrzehntelang umtrieb: Im Bild ist der langjährige, weit über 80-jährige Chefarchitekt Jordi Bonet, der freimütig einräumt, die Fertigstellung der Kirche wohl nicht mehr zu erleben. Sein Bruder Lluis Bonet, ein Priester, wird als Zelebrant im bisher einzigen komplett fertigen Raum, der Krypta, gezeigt. Fast meditativ wirkt die Arbeit des Glasmalers Joan Vila-Grau, der seinem Beruf ebenso mit der Ruhe eines mittelalterlichen Meisters nachgeht wie der aus Japan stammende Bildhauer Etsuro Sotoo, der zum Katholizismus konvertierte, um den Blickwinkel seines Idols Gaudi authentischer einnehmen zu können.
Starmusiker Jordi Savall öffnete Türen
Haupt schuf seinen Film in vierjähriger Drehzeit und nach vielen Hindernissen, wie er im "Kathpress"-Gespräch berichtete. Ausgangspunkt sei im Jahr 2007 eine Visite in Barcelona und in der spektakulärsten Baustelle der Stadt gewesen. Die damals entstandene Idee eines Dokumentarfilms sei allerdings nicht leicht umzusetzen gewesen, so der mehrfach ausgezeichnete Regisseur. "Wenn es einen 'Oscar' gäbe für das Erringen der schwierigsten Drehbewilligung, dann wären wir sicher auf der Shortlist", witzelte Haupt z.B. über die anfängliche Weigerung von Chefarchitekt Bonet, der gemeint habe, die Sagrada brauche nicht noch mehr Promotion. Der katalonische Starmusiker Jordi Savall - im Film als Dirigent der H-moll-Messe Bachs zu sehen - half als Fan von Haupts Arbeit und Freund des Stiftungspräsidenten der Sagrada bei der Drehbewilligung, die sonst nur gegen das Zugeständnis der "Endabnahme" erteilt werde.
Für ihn habe sich das Projekt als eine Art "back to the roots" erwiesen, so Haupt. Als Spross eines methodistischen Elternhauses oftmaliger Besucher gotischer Kathedralen und als Jüngling "tief beeindruckt" von Taizé habe er sich später von der Religion distanziert und sei aus der Kirche ausgetreten. Bei der Arbeit in der Sagrada habe ihn dann selbst überrascht, wie ansprechbar er für die großen Menschheitsfragen und die religiösen Antworten darauf ist. Er sei dem Glauben seiner Kindheit wieder näher gerückt, bekennt er auch im Film; es sei "immer noch ganz tiefe Heimat, wenn ich in so ein Gebäude hineingehe".
Letztlich drehe sich sein Film - so Haupt - um die urmenschlichen Suche nach dem Kern des Daseins, nach dem Woher und Wohin und "um die Frage nach unserer menschlichen Schöpfungskraft - und wofür wir sie einsetzen wollen".
Kein "Verrat am Erbe Gaudis"
Eine vieldiskutierte Streitfrage, ob seine Nachfolger "Verrat am Erbe Gaudis" begehen - dessen Pläne und Skizzen von der Sagrada Familia 1936 im spanischen Bürgerkrieg größtenteils verbrannten -, in dem sie sich zu viele Abweichungen vom Stil des Genius erlauben, beantwortet Haupt in seinem Film mit einem Zitat Jordi Savalls: Wer heute Musik von Bach interpretiere, wisse längst nicht mehr, wie Bach sie selbst hören wollte. Jede Zeit habe ihren Zugang - und das sei gut so. Auch Haupt befürwortet, dass bei der Sagrada "nicht strenggläubig Gaudi weiter imitiert wird". Er verwies auf die offenkundige stilistische Diskrepanz zwischen der noch zu Lebzeiten Gaudis entstandenen Geburtsfassade mit ihren vielen Feinheiten und der "harten, eckigen, abweisenden" Passionsfassade des Bildhauers Josep Subirachs auf der anderen Seite der Kathedrale. Diese inhaltlich stimmige Spannung zwischen Leben und Tod gelte es auszuhalten, "dass beides im selben Gebäude vereint ist, finde ich super", so der Filmemacher.
Wer den "Spirit" der Sagrada bestmöglich wahrnehmen will, solle kurz vor Schluss der Öffnungszeiten hingehen, wenn die Touristenscharen abnehmen, und sich einen möglichst hochgelegenen Standort suchen, riet Haupt. "Meinen Film zu sehen reicht nicht, aber es schadet auch nicht", sagte der Schweizer lächelnd.
Der Trailer: SAGRADA - Das Wunder der Schöpfung
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Foto von den Türmen der Sagrada Familia: (c) kath.net
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