13. Juni 2013 in Aktuelles
Durch eine Indiskretion aus einer Privataudienz des Papstes kam an die Öffentlichkeit, worüber schon länger spekuliert wurde: Im Zentrum der katholischen Kirche gibt es offenbar eine "Schwulen-Lobby". Von Paul Badde
Vatikan (kath.net/Die Welt) Papst Benedikt XVI. ist am 28. Februar aus Altersschwäche zurückgetreten, aber nicht wegen des Ausmaßes der Vatileaks-Affäre um gestohlene Dokumente, Sex, schwule Netzwerke und Korruption im Vatikan, wie die römische Zeitung "La Repubblica" noch im März behauptete.
Die Kräfte des 86-Jährigen schwinden, und allein der Gedanke an die anstrengenden Zeremonien, die als Papst auf ihn am Karfreitag und Ostern warteten, hatte ihn noch schwächer werden lassen, gar nicht zu denken an die Strapazen der kommenden Reise zum Weltjugendtag in Rio de Janeiro. Dazu sah er sich nicht mehr in der Lage.
Der Inhalt des Dossiers, mit dem er im letzten Jahr die Kardinäle Julián Herranz, 83, aus Spanien, Jozef Tomko, 89, aus der Slowakei und den Süditaliener Salvatore De Giorgi, 82, beauftragt hatte, dürfte zum Gefühl der Überforderung aber durchaus beigetragen haben.
Das Ergebnis ihrer Untersuchungen war ein schonungsloser Bericht zur exklusiven Kenntnis des Papstes, der seinem Nachfolger Franziskus bei dessen Amtsübergabe am 13. März als Dossier in einem roten Ledereinband übergeben wurde. In eher diskreten Andeutungen war darin auch von einer "lobby gay" (einer schwulen Lobby) die Rede, wie es in der italienischen Presse hieß.
Überzeugt von der Existenz einer Schwulen-Lobby
Pater Federico Lombardi, der Pressesprecher des Vatikans, dementierte die Sache damals zwar sogleich als "verleumderisch, unbestätigt, nicht überprüfbar oder komplett falsch". Doch wer in der Nähe des Petersplatzes wohnt, braucht kein Geheimdossier verdienter Kardinäle, um sich von der Existenz einer derartigen Schwulen-Lobby überzeugen zu lassen.
Danach fiel das Dementi Pater Lombardis auch schon dezenter aus, als nach einer Privataudienz bei Papst Franziskus über eine chilenische Internetseite durchsickerte, dass inzwischen auch der Nachfolger Benedikts die Kenntnis einer solchen Lobby zugab und sich der Schwierigkeiten im Umgang mit ihr wohl bewusst ist.
Es gebe sehr viele, sehr gute Leute im Vatikan, die über jeden Zweifel erhaben seien, hat er am vergangenen Donnerstag in einer Begegnung mit Vertretern verschiedener Orden aus Lateinamerika beteuert. Doch es gebe auch Korruption und leider treffe auch die "Rede von einer Schwulen-Lobby" zu. "Es gibt sie, und wir müssen sehen, was wir tun können." Da kann er möglicherweise noch sehr lange "sehen", ohne auf bessere Lösungen als seine Vorgänger zu kommen.
Aufzeichnung gelangte an die Öffentlichkeit
Die faktische Aussage wurde nun jedenfalls von einem Teilnehmer der Audienz noch einmal bestätigt, wenn auch mit Bedauern, dass die vertrauliche Aufzeichnung auf unbefugte Weise an die Öffentlichkeit gelangt sei. Da war der Text der Mitschrift aber schon unwiderruflich im Internet abrufbar.
Fast rührend ist da auch noch zu lesen, dass der neue Mann auf dem Heiligen Stuhl seiner Selbsteinschätzung nach verwalterisch nicht sehr begabt sei und deshalb auf die Hilfe von acht Kardinälen aus fünf Kontinenten hoffe, die ihn unterstützen sollen, die Verwaltung des Vatikans zu reformieren.
Er selbst sei nämlich eher "sehr unorganisiert". Die Aussage wird deshalb auch gewiss das eine oder andere schwarze Schaf im Vatikan hoffen lassen, dass es ihnen egal sein kann, wer unter ihnen der Oberhirte ist, weil die Hirten immer gehen, die Herde aber bleibt.
Der "menschliche Faktor" im Vatikan wird deshalb gewiss auch dem neuen Papst die Grenzen seiner Möglichkeiten aufzeigen, egal welche Menschenmassen er derzeit noch Sonntag für Sonntag und Mittwoch für Mittwoch auf den Petersplatz anziehen mag.
Wie sehr er in diesen ersten hundert Tagen darüber auch schon gealtert ist, bleibt keinem verborgen, der den neuen Mann von Nahem sieht. Wie sehr dazu auch die Kenntnis über die Zustände der Kurie und des Vatikans innerhalb und außerhalb der Mauern beitragen, bleibt hingegen Objekt reiner Spekulation.
Verletzungen des sechsten und siebten Gebotes
Gewiss zeichnet das Dossier von Papst Benedikt XVI. auch für Franziskus ein Panorama der Realität, dessen Schonungslosigkeit beispiellos in der jüngeren Kirchengeschichte sein dürfte und das ihm in seiner Heimat Buenos Aires so wohl noch nicht bewusst war.
Im Frühjahr hatten die Zeitschrift "Panorama" und die Tageszeitung "La Repubblica" ohne Angabe von Quellen jedenfalls einige Details aus dem Bericht veröffentlicht, nach denen es im Hintergrund der Dokumentenflucht auch um homosexuelle Beziehungen und Erpressbarkeit und Verletzungen des sechsten und siebten der zehn Gebote gehen solle.
Das sechste Gebot heißt: "Du sollst nicht die Ehe brechen" und wird von der katholischen Kirche auch als Ablehnung gleichgeschlechtlicher Beziehungen interpretiert. Das siebte lautet: "Du sollst nicht stehlen."
Dass im Vatikan wie überall, wo Menschen sind, gegen alle Zehn Gebote verstoßen wird, ist nicht neu. Das kann auch Papst Franziskus nicht neu sein, dem offenkundig nichts Menschliches fremd ist.
Franziskus, der ein ähnlich instinktives Mediengenie wie Johannes Paul II. sein soll, wird auch nicht unbekannt sein, dass kaum ein Begriffspaar so Schlagzeilenkompatibel ist wie die Kombination "Sex" und "Vatikan". Verständlich, dass er sich deshalb bisher nur privat dazu geäußert hat und nicht öffentlich, auch angesichts der Tatsache, dass es Schlimmeres in der Welt und im Vatikan gibt.
Gabriele Amorth, der prominenteste Exorzist Roms, sprach vor Jahren in der "Welt" schon ganz offen von "satanischen Sekten", die auf den Papst zielten und hinter den Mauern des Vatikans ihre Fäden spinnen würden.
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