'Ich denke auch jedes Mal, der Priester kriegt einen Herzkasper!'

26. Juni 2013 in Interview


„Ich habe bisher noch keine Beichte bereut“, sagt 19-Jähriger über seine Einstellung zur Beichte. Rudolf Gehrig ist Co-Autor des neuen YOUCAT „Update! Beichten!“ und geht ungefähr einmal pro Monat beichten. KATH.NET-Interview von Petra Lorleberg


Augsburg (kath.net/pl) „Es ist Tatsache, dass ich trotz intensiver Beschäftigung mit dem Thema die Größe dieses Sakramentes immer noch nicht ganz fassen kann. Es ist einfach grandios! Aber das, was ich erkannt habe, lässt mich dann doch immer wieder zusammenzucken und ich muss mich ernsthaft fragen, warum Gott einem Vollpfosten wie mir in der Beichte immer wieder eine neue Chance gibt.“ Dies sagt Rudolf Gehrig (Foto) im kath.net-Interview.

Der 19-Jährige ist einer der Autoren des YOUCAT-Buches „Update! Beichten!“, das in wenigen Tagen herauskommen wird. Mit ihm erarbeiteten der Kölner Weihbischof Klaus Dick und der YOUCAT-Initiator Bernhard Meuser das leicht eingängige Buch zu dem schwierigen Thema. Gehrig, der aus Bad Kissingen stammt, hat vergangenes Jahr das Abitur gemacht und absolviert derzeit ein Praktikumsjahr bei Pfarrer Stephan Spiegel in der Pfarrei Senden (Iller) im Bistum Augsburg.

kath.net: Sie sind Mitautor eines Buches, das sich ausgerechnet mit der Beichte beschäftigt. Was sagen Ihre Freunde dazu?

Rudolf Gehrig: Vor allem freuen sie sich mit mir, dass mir diese große Ehre zuteil wurde, bei diesem Hammer-Projekt mitwirken zu dürfen. Ein paar ehemalige Klassenkameraden wundern sich, dass der Klassenkasper von damals plötzlich über ein so „frommes“ Thema schreibt. Und einer meinte neulich, er hofft, dass seine Mutter es ihm kauft.

kath.net: Darf ich neugierig sein? Haben Sie Ihre Beiträge wie ein Blinder über Farben geschrieben oder schätzen und praktizieren Sie die sakramentale Beichte auch selbst?

Gehrig: Es ist Tatsache, dass ich trotz intensiver Beschäftigung mit dem Thema die Größe dieses Sakramentes immer noch nicht ganz fassen kann. Es ist einfach grandios! Aber das, was ich erkannt habe, lässt mich dann doch immer wieder zusammenzucken und ich muss mich ernsthaft fragen, warum Gott einem Vollpfosten wie mir in der Beichte immer wieder eine neue Chance gibt.

Trotzdem muss ich alle ausbremsen, die mich für einen „Beichtexperten“ halten! Ich habe einfach meine persönlichen Erfahrungen mit der Beichte niedergeschrieben, in der Hoffnung, dass sich der ein oder andere dort wiederfindet und merkt: „Ach, sieh an! Der hat auch jedes Mal ziemliches Herzklopfen, wenn er den Beichtstuhl betritt!“

Ich versuche, einmal monatlich zu beichten, und habe bisher noch keine Beichte bereut. Meine Sünden schon.

kath.net: Ja, Ihre Erfahrungen klingen ermutigend. Doch andererseits hört man immer wieder Vorurteile gegen die Beichte. „Demütigend“, nennt man dieses Herzausschütten gelegentlich. Oder man sagt: „Wieso soll ich das einem Menschen erzählen. Das geht doch nur Gott und mich was an!“; „Ich geh einmal im Jahr in die Bußandacht, das reicht“; „Ich könnte dem Priester danach nie wieder in die Augen sehen, was würde er von mir denken, wenn er alles erfahren hätte?“; „Ach, so viele/große Sünden habe ich eh nicht, ich leb doch recht brav“. Doch auch das Gegenteil wird genannt: „MEINE Sünden kann ich niemandem zumuten, das hält der Priester nicht aus“.

Gehrig: Ich habe viele Leute gefragt, welche Fragen ihnen so spontan zum Thema „Beichte“ einfallen und da kamen unter anderem auch genau diese Fragen. Vor allem über Facebook wurden mir dann ganze Fragenkataloge zugeschickt, auch von Jugendlichen, die sich von der Kirche abgewandt haben oder nicht mal christlich sind.

Mit diesen Fragen bin ich dann mit einer Freundin zu Weihbischof Dr. Klaus Dick nach Köln gefahren; es war fantastisch! Da saß dann der Weihbischof wie ein gütiger, altehrwürdiger Opa in seinem Sessel und hat echt auf alle Fragen eine Antwort gewusst! Der Mann hat einen unglaublichen Erfahrungsschatz und eine umwerfende Warmherzigkeit. Aus Platzgründen war es leider unmöglich, alle Fragen in den YOUCAT BEICHTE aufzunehmen, aber die Antworten auf die oben genannten kann dort jeder nachlesen.

Vielleicht noch kurz zur letzten: Ich denke auch jedes Mal, der Priester kriegt einen Herzkasper, wenn ich ein oder zwei beschriebene DIN A4 Blätter mit in den Beichtstuhl nehme.

Aber letztlich knie ich doch nur dem „Sachbearbeiter Gottes“ gegenüber, ich beichte meine Sünden in erster Linie nicht dem Mann mit der Stola, sondern dem Herrn mit der Dornenkrone.

Und der hat bekanntlich eine ganze Menge ausgehalten… Das heißt aber nicht, dass meine Sünden harmlos sind! Denn bisher ist bei meiner Beichte noch kein Priester eingeschlafen.

kath.net: Könnte man sagen, dass Beichten auf manche Jugendliche inzwischen derart exotisch wirkt, dass sie dies schon wieder interessant finden? Also „Abenteuer Beichte“ statt „Abenteuer Bungeespringen“?

Gehrig: Puuuh, das kann ich nicht einschätzen! Ich kann auch nicht für alle Jugendlichen sprechen, aber ich kann mir kaum vorstellen, dass einer wegen des Adrenalin-Kicks beichten geht; das wäre auch die falsche Motivation.

Aber ich habe beispielsweise in der Firmvorbereitung erlebt, dass die größten Frechdachse dann plötzlich ganz kleinlaut werden, wenn sie an einem Nachmittag in der Kirchenbank kauern und warten, bis sie mit der Beichte an der Reihe sind. Ich selbst bin ja auch nicht anders…

Aber für viele meiner Altersgenossen ist die Beichte leider was Befremdliches, wenn nicht sogar Unheimliches. Sie reißen zwar ihre Witze, aber im Großen und Ganzen fehlt vielen dann doch der Mut und das Vertrauen, obwohl bisher noch keiner den Beichtstuhl verlassen hat und seinen Kopf nicht mehr auf seinem Hals trug.

Doch es gibt auch einige Jugendliche, die entdecken die Beichte auf einmal als eine Möglichkeit, ihr bisheriges Leben zu entrümpeln, neu anzufangen und von jetzt an mit Gott zu gehen. So was berührt mich besonders.

kath.net: Was schätzen Sie denn persönlich an der Beichte?

Gehrig: Die Kniebank. Kein Witz!

Wissen Sie, heutzutage neigen wir dazu, uns gegenseitig die Schuld zuzuschieben, teilweise versuchen Psychologen sie uns auszureden und immer wieder hört man die Ausrede: „Die Gesellschaft hat mich dazu gemacht, so zu sein, dies und jenes getan zu haben.“

Aber im Beichtstuhl kann ich vor Gott in die Knie gehen und sagen: „Sorry, ich habe richtig Scheiße gebaut!“ Ich muss mich vor Ihm nicht rechtfertigen, nicht begründen, welche äußeren Umstände mich dazu getrieben haben, sodass ich „gar nicht anders konnte“ oder warum ich zum hundertsten Mal eine Sache beichte, die Er mir schon so oft verziehen hat.

Meine Sünden werden dann nicht wegtherapiert, ich lerne auch nicht, sie zu „verarbeiten“ oder gar zu akzeptieren, sondern Gott nimmt sie einfach weg! Er reicht mir die Hand, zieht mich am Ende von der Kniebank wieder hoch und sagt: „Steh auf und geh! Dein Glaube hat dir geholfen…“

kath.net: Mal ganz ehrlich, Herr Gehrig, klopft Ihnen vor der Beichte das Herz wirklich etwas schneller?

Gehrig: Klaro! Das wummert dann mehr als beim ersten Date; ist aber auch kein Wunder! Schließlich trete ich im Beichtstuhl Jemandem gegenüber, der noch grandioser ist als jeder andere Mensch dieser Erde. Nämlich Gott.

Aber nach der Beichte klopft es noch schneller; mir wurde eine Riesenlast abgenommen, ich bin mit meinem Chef wieder versöhnt, meine Freundschaftsbeziehung mit Christus ist wieder voll im Reinen.

Diese Gefühle der Erleichterung sind allerdings auch nur eine Gnade, die ich nicht zwangsläufig nach jeder Beichte bekomme! Ich kann sie nicht erzwingen und ihr Ausbleiben bedeutet nicht, dass ich falsch gebeichtet hätte oder Gott mir nicht verziehen hat. In solchen Fällen habe ich dann die feste Zusage Gottes, dass Er mir durch den Priester tatsächlich verziehen hat. Und darauf muss ich mich dann verlassen.

kath.net: Sie haben eine ganze Zeit lang überlegt, ob Sie den Weg ins Priestertum aufnehmen wollen. Dann hätten Sie also eventuell das Beichtesakrament auch aus der Perspektive des Priesters kennenlernen können. Was löst diese Vorstellung in Ihnen aus?

Gehrig: „Non sum dignus“ – Ich bin nicht würdig. Ich fabriziere ständig irgendeinen Bockmist und käme mir wahrscheinlich ziemlich komisch vor, wenn dann ausgerechnet ich beauftragt wäre, anderen ihre Sünden im Auftrag Jesu zu vergeben. Aber so ist Gott nun mal; es haut mich um, dass Er in Seiner Liebe tatsächlich schwache und sündige Menschen mit dieser Aufgabe betraut.

Ein Klassenkamerad wollte mich auf einer Feier mal zum Shisha-Rauchen überreden; damals steckte ich noch voll drin in der Frage, ob ich eine Priesterberufung habe und das wusste er auch. Also hat er mir vorgeschlagen, wenn ich einmal „Pater“ werden sollte, kommt geht er Beichten und ich danach zu ihm zum Shisha-Rauchen. Ich habe eingeschlagen. Aus der Shisha wird nichts werden. Aber vielleicht geht er eines Tages trotzdem freiwillig beichten…

kath.net: Bei einem Interview zum Thema Beichte habe ich nicht unbedingt das Stichwort „Shisha“ erwartet, Herr Gehrig. ;)
Ja, Sie bringen spürbar das Lebensgefühl von Jugendlichen mit und damit kommen wir zum Grundanliegen des YOUCAT: Er wendet sich ausdrücklich an junge Menschen. Was halten Sie denn von der Initiative YOUCAT?

Gehrig: Ich finde die ganze Sache einfach genial! Und sie ist ja so wichtig… Für Außenstehende hat es oft den Eindruck – ich hoffe, ich trete niemandem zu nahe – dass Kirche nur für „die Alten“ ist oder für kleine Kinder, die halt zur Kommunion und Firmung „müssen“. Die Heilige Messe für die frommen Omis, für die Kinder gibt es Kindergottesdienste.

Aber das ist doch nicht alles!

Dass sich Papst Benedikt für den YOUCAT stark gemacht hat, ist doch ein eindeutiges Zeichen, dass die Kirche auch auf uns Jugendliche zählt und uns ernst nimmt!

Und das Faszinierende ist, dass hier Jugendliche wieder einen echten Draht zu Gott und zur Kirche finden können, obwohl da nichts anderes gelehrt wird, was die Kirche eigentlich schon seit 2.000 Jahren verkündet und ein Großteil als „weltfremd“ und „altmodisch“ empfindet. Aber YOUCAT hat es wohl irgendwie geschafft, den Nerv vieler Jugendlichen zu treffen.


kath.net-Buchtipp – Geben Sie das Buch auch weiter an Jugendliche und Junggebliebene:
YOUCAT Update! Beichten!
Von Dr. Klaus Dick, Rudolf Gehrig, Bernhard Meuser
27 Seiten; ab 12 Jahre
Sankt Ulrich Verlag 2013
ISBN 978-3-86744-173-5
Preis: 5.20 EUR

Das Buch wird in wenigen Tagen erscheinen, Vorstellungen sind bereits möglich - Bestellmöglichkeiten bei unseren Partnern:

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Rapper Tilos singt über die Beichte


Foto: (c) Rudolf Gehrig


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