Nicht selten machen sich Räte zu Inquisitionstribunalen

6. Juli 2013 in Buchtipp


"Die Geräusche, die bei diesen Selbstgesprächen einer Funktionärskaste entstehen, sind noch lange kein Dialogprozess" - Jeden Samstag im Juli exklusiv auf kath.net Auszüge aus dem Buch von W. Imkamp - "Sei kein Spießer, sei katholisch!" - Teil 2


München (kath.net)
Wie nämlich die Priester durch die Verrichtung des Breviers öffentlich (das heißt im Namen und Auftrag der Kirche) und fortwährend und darum sehr wirksam beten, so ist auch das Gebet der Sodalen beim Rosenkranzgebet oder Psalter der heiligen Jungfrau, wie es auch von einigen Päpsten genannt worden ist, gewissermaßen öffentlich beharrlich und gemeinsam.«

Mündigkeit zeigt sich ja nicht in erster Linie im Widerspruch. Mündig ist man erst, wenn man die Pubertät überwunden hat. In der kirchlichen Landschaft heute überwiegt allerdings eine Mischung aus pubertärem Übermut und prä­seniler Weinerlichkeit, verbunden mit einer geradezu penetranten emotionalen Inkontinenz, die sich in lähmender Betroffenheitslyrik und Empörungsrhetorik erschöpft. Die Kirchengeschichte lehrt eindeutig, dass alle Bewegungen der sorgfältigen Begleitung durch die Leitung der Kirche bedürfen.

Der Schwung der Neuevangelisierung, die Begeisterung so vieler Laien, ist etwas Großartiges. Aber ohne konsequente Begleitung durch das Lehramt besteht immer auch die Gefahr einer reinen Gefühlsreligion, die sich ihre Riten und Dogmen selbst macht. Kennzeichen dieser Gefühlsreligion ist ein etwas schizoides Selbstverständnis. Ganze Gruppen werden aus den Dialogprozessen ausgegrenzt. Wer aus welchen Gründen auch immer als konservativ gilt, kann sich häufig genug des Mobbings nicht erwehren. Nicht selten machen sich Räte zu Inquisitionstribunalen und fällen Urteile über Abwesende, auch in Glaubensfragen. Die Geräusche, die bei diesen Selbstgesprächen einer Funktionärskaste entstehen, sind noch lange kein Dialogprozess.

Neuevangelisierung ist die Aufgabe mündiger Laien und nicht pubertär motzender Krawalltheologen. Kritik am kirchlichen Lehramt ist darum auch kein Gütesiegel der Verkündigung. Wer hingegen die Frage nach dem Glauben vernünftig formuliert, stellt auch die Weichen für die Neuevangelisierung richtig. Für Katholiken geht es nicht um irgendeinen Minimalkonsens: Woran muss ich glauben, um noch katholisch zu sein? Wir müssen nicht glauben, wir dürfen glauben.

Glaubenswahrheiten sind keine Lasten, die dem Menschen auferlegt werden, sondern Geschenke der göttlichen Wahrheit. Bei der Lehre der Jungfrauengeburt beispielsweise geht es neben der Lehre über die Mutter Jesu auch um eine christologische Aussage. Jesus hatte keinen menschlichen Vater. Die Lehre von der Jungfrauengeburt ist endgültig, sie ist ein Dogma. Wer dieses Dogma leugnet, befindet sich in einem schweren Dissens mit dem katholischen Glauben.

Auch alle anderen katholischen Dogmen und Lehrsätze sind keine Einengung, sondern eine Befreiung zum Denken. Als Wegweiser und Schilder können sie den gläubigen Christen von Irrwegen des Geistes abhalten. Die Kirche hindert niemand am Denken. Auch für das Denken gibt es allerdings eine »Straßenverkehrsordnung«. Denken bedeutet für reflektierende Gläubige nicht, auf Mountainbike-Rädern durch irgendwelche Dschungelcamps zu rasen. Ohne die Lehre der Kirche zerfallen die Gelehrsamkeit und Gottesfurcht der Christen. Auf das Blitzeis des Zeitgeistes gehört das Streusalz des Glaubens. Bei modischen Schneeverwehungen muss schweres Gerät heran. Es ist eine Ironie der Geschichte, dass in einer Zeit, in der der christliche Glaube im Allgemeinen und die katholische Kirche im Besonderen den größten Angriffen ausgesetzt sind, ausgerechnet die früher vorhandenen Lehrstühle für Apologetik, die für die Verteidigung und die Begründung des Glaubens eingerichtet worden waren, vielfach zu fundamentaltheologischen Zeitgeistagenturen geworden sind, die alles Mögliche vermitteln, aber keine Verteidigung des Glaubens, des Christentums und der katholischen Kirche, wie sie dringend nötig wäre.


Text (c) by KÖSEL VERLAG

Wilhelm Imkamp
Sei kein Spießer
KÖSEL-Verlag
Gebundenes Buch mit Schutzumschlag, 160 Seiten,
13,5 x 21,5 cm
ISBN: 978-3-466-37071-9
€ 18,50

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