20. August 2013 in Kommentar
Ich habe Mühe, "wenn der Eindruck entsteht, man könne auch in Fragen des Glaubens und der Lehre nicht wissen, was nun wahr und was Irrtum sei" - Ein Gastkommentar von Stefan Fleischer
Grenchen (kath.net) Nein, ich habe keine Mühe mit Rom. Ich hatte nie Mühe mit Papst Benedikt und habe auch jetzt keine Mühe mit Papst Franziskus. Ich habe keine Mühe mit der Lehre dieser Kirche, mit ihrer Moral und ihrer Disziplin, wenigstens nicht in der Theorie. Die persönliche Umsetzung allerdings fällt mir, wie wohl den meisten von uns, auch nicht immer leicht. Doch ich habe Mühe mit der Kirche hierzulande!
Ich habe Mühe mit Priestern und Theologen, die glauben, uns einfachen Laien nicht mehr die ganze Lehre dieser Kirche verkünden zu dürfen. Ich habe Mühe nicht zuletzt dort, wo dies dazu führt, dass diese Lehre verwässert oder gar verfälscht wird. Ich habe Mühe, wenn so aus jenem Reich Gottes, das wir erhoffen, eine heile Welt hier und jetzt gemacht wird, die doch nur eine Illusion ist. Ich habe Mühe, wenn solche Leute als erlaubt, oder zumindest tolerierbar darstellen, was eindeutig der Lehre und der Moral widerspricht. Ich habe Mühe, wenn viele glauben, die Vorschriften der Kirche in Fragen der Liturgie oder sonst wo seien da, um umgangen zu werden. Ich habe Mühe, wo jeder meint, alles verbessern zu müssen, was von Rom kommt.
Ich habe Mühe mit Bischöfen, die zwar den Wolf kommen sehen, dann aber meinen zuerst eine Diskussion darüber führen zu müssen, wie man ihm begegnet, oder zumindest die eigene Haut rettet. Ich habe Mühe mit jenen anderen, die sogar glauben, in einen Dialog mit ihm treten zu müssen, in der Meinung, es werde sich schon eine Lösung des Problems finden. Zumindest beiße er in dieser Zeit nicht. Ich habe Mühe, wenn von hohen Würdenträgern der Kirche Irrlehren verbreitet oder zumindest Aussagen gemacht werden, die vom einfachen Volk falsch verstanden werden können. Ich habe Mühe, wenn dann die übrigen Bischöfe, sei es einzeln oder sei als Bischofskonferenzen, nicht öffentlich intervenieren und ruhig aber bestimmt sagen, was Sache ist. Ich habe Mühe, wenn so oft der Eindruck entsteht, als wüsste diese Kirche selber nicht mehr, was sie nun sein und verkünden will. Ich habe Mühe, wenn der Eindruck entsteht, die Kirche hierzulande sei einem ganz neuartigen Agnostizismus verfallen, der behauptet, man könne auch in Fragen des Glaubens und der Lehre nicht wissen, was nun wahr und was Irrtum sei.
Leider aber habe ich auch Mühe mit mir selber. Ich habe genauso Mühe nicht immer alles besser wissen zu müssen als anderen. Ich neige genauso zu Einseitigkeiten und Eigenmächtigkeiten im Verständnis der Lehre und in meiner Spiritualität, und der Gehorsam ist auch nicht meine besondere Stärke. Es fehlt mir genauso oft am nötigen Vertrauen auf Gott, den Allmächtigen, auf Christus, den Herrn seiner Kirche und auf den heiligen Geist. Doch genau bei letzterem, dem Vertrauen, müssen wir alle ansetzen, wenn wir der Kirche und unserer Welt helfen wollen, so wie Gott dies von uns erwartet.
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