Sollte man als Christ Geld anlegen?

24. August 2013 in Kommentar


Christen, Gott und die Finanzen. Von Hans-Joachim Vieweger (idea)


München (kath.net/idea) „Immer heißt es nur ‚Sorget nicht‘. Ist das nicht unverantwortlich?“ Erst jüngst haben wir uns im Hauskreis mit dieser Frage beschäftigt. In der Tat ist es so, dass im Neuen Testament meist vor zu viel Sorge gewarnt wird. Wenn Gott für die Vögel und die Blumen sorge, wieso sollten wir uns dann Gedanken über unsere irdische Zukunft machen – so heißt es in der Bergpredigt Jesu (Matthäus 6,26–28). Viele Menschen haben erfahren, dass Gott ihnen in ihren Nöten konkret geholfen hat, auch in finanzieller Hinsicht. Andere mussten erleben, dass bitter Erspartes zwischen den Händen zerrann. Und manchmal führt die Vorsorge der Vorfahren nur zu unerbittlichem Streit zwischen den Erben. Doch ist damit gleich jede Vorsorge – insbesondere jede finanzielle Vorsorge – unbiblisch?

Gott oder Geld?

Bei der Frage nach dem Verhältnis zum Geld geht es letztlich um Vertrauen: Vertraue ich Gott, oder vertraue ich dem Geld? Und auch bei der Frage nach richtiger oder falscher (Vor-)Sorge spielt der Faktor Vertrauen eine zentrale Rolle: Wenn hinter meinem Sorgen die Angst steckt, ich könnte zu kurz kommen, dann ist das letztlich ein Misstrauensbeweis gegenüber Gott. Zudem kann hinter manch materieller Absicherung eine ziemlich egoistische Haltung stehen, wenn man nur an sich und nicht an andere und ihre Nöte denkt.

Die kluge Vor-Sorge

Allerdings: Einer solchen falschen Sorge steht in der Josefsgeschichte die kluge Vorsorge gegenüber. Dank der Gabe Gottes, die wirren Träume des Pharaos zu deuten, kann Josef vor der drohenden Hungersnot warnen und sie dank einer Vorratspolitik sogar verhindern (1. Mose 41,1–57). Es handelt sich also um eine von Gott gewollte Vorsorge, die Menschen dient, die sonst Hunger leiden müssten.

„Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen“

Was gehört nun heute zur rechten Vorsorge? Eine allgemeingültige Antwort darauf gibt es nicht, weil auch das Verhältnis zum Geld und die Lebenssituationen höchst unterschiedlich sind.

Generell aber lässt sich sagen, dass finanzielle Vorsorge für die Zukunft, insbesondere für das Alter, in unserer Zeit sehr wichtig ist. In einer alternden Gesellschaft lässt sich das bisherige Rentenniveau nur halten, wenn entweder die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung steigen, das Renteneintrittsalter weiter erhöht oder privat vorgesorgt wird. Wem das egal ist, der kann nicht einfach auf die Hilfe der anderen bzw. der Allgemeinheit hoffen. Im übertragenen Sinn gilt hier der Satz von Paulus „Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen“ – ein Satz, der sich an die richtete, die sich – trotz der Fähigkeit zu arbeiten – lieber von anderen mitversorgen ließen. Das aber ist keine Form des Sich-auf-Gott-Verlassens, sondern nur eine andere Form des Egoismus.

Trotz niedriger Zinsen muss man sparen

Die Altersvorsorge wird uns derzeit freilich nicht leicht gemacht. Die niedrigen Zinsen, für die vor allem die Notenbanken verantwortlich sind, lassen Sparen unattraktiv erscheinen. Wer vergleichsweise sichere Bundesanleihen kauft (also Schulden der Bundesrepublik Deutschland), muss derzeit sogar eine negative Rendite in Kauf nehmen: Die Zinsen liegen unter der Inflationsrate; mit Blick auf die Kaufkraft nimmt das eigene Vermögen also sogar ab. Doch es wäre fatal, das Sparen aus diesem Grund sein zu lassen – im Gegenteil: Je niedriger die Zinsen, umso mehr muss man eigentlich sparen, um die erhofften Erträge zu bekommen.

Sind Zinsen verboten?

In der Kirchengeschichte waren Zinsen lange Zeit verboten. Maßgeblich dafür waren neben den zinskritischen Stellen im Alten Testament Einschätzungen der mittelalterlichen Theologen Thomas von Aquin (1225–1274) und Bonaventura (1221–1274). Thomas meinte, dass nur der Hände Arbeit rechten Ertrag bringe, Bonaventura galten Zinsen als verwerflich, weil man mit der Zeit keinen Handel treiben dürfe; Gott allein sei Herr der Zeit – eine Vorstellung, die heute nach wie vor im Islam dominiert.

Jesus ist nicht gegen Zinsen

In der Tat sind Zinsen eine Art Preis für den zeitlichen Verzicht auf Geld. Denn in der Regel gilt: Eine gleiche Menge Geld heute ist uns lieber als die gleiche Menge Geld in der Zukunft – die Differenz dieser Wertschätzung ist für einen Teil der Zinsen verantwortlich. Der andere Teil hängt mit dem Risiko zusammen, das jeder Geldgeber eingeht – der Privatmann mit seinen Anlagen genauso wie eine Geschäftsbank mit ihren Darlehen. Wenn es sich dabei nicht um Wucherzinsen handelt und der stärkere Partner auch nicht eine Notlage des schwächeren Geschäftspartners ausnutzt, sind solche Zinsen ethisch kein Problem. Auch Jesus bezieht sich im Gleichnis von den Talenten auf das Zinsnehmen und nennt die Anlage bei der Bank als eine Möglichkeit, etwas aus den anvertrauten Gütern zu machen (Matthäus 25,14–30).

Als Christ widersprechen

Geldanlagen sind also sinnvoll und sogar ethisch geboten – um für sich und andere vorzusorgen.

Zu einer falschen Sorge werden Geldanlagen dann, wenn sie zum Denken des Kornbauern aus Lukas 12,16 ff verführen, der seine Sicherheit im Besitz sieht und nur noch an sich denkt. Wenn Banken heutzutage mit Sprüchen wie „Unterm Strich zähl ich“ oder „Ich bin deine Sicherheit – dein Vermögen“ werben, dann müssen wir dem als Christen deutlich widersprechen.

Was heißt das nun konkret?

• Bevor es mit der Geldanlage losgeht, kommt der Zehnte, also die freiwillige Spende von (mindestens) 10 Prozent des Einkommens. Daneben sollten Christen regelmäßig Geld als Vorsorge zur Seite legen, kleinere Beträge für unerwartete Ausgaben, weitere Beträge für die Altersvorsorge. Klare Regeln helfen hier – genauso übrigens wie beim Zehnten.

• Die Art dieser Anlage kann sehr unterschiedlich sein – je nach persönlicher Risikoneigung und Lebenssituation. Wer sein Geld aufs Sparbuch legt oder Anleihen kauft, nimmt meist ein geringeres Risiko in Kauf als derjenige, der in Aktienfonds oder direkt in Aktien investiert. Doch beides ist für eine Volkswirtschaft wichtig.

• Der Satz einer Genossenschaftsbank „Wir machen nur Geschäfte, die wir können, mit Kunden, die wir kennen“ lässt sich auch auf Anleger übertragen: Von Angeboten, die man nicht versteht, ist abzuraten. Sehr kritisch sind auch Anlagen zu sehen, die anonym, zum Beispiel allein über das Internet, vertrieben werden.

• In der heutigen Finanzwelt, in der praktisch alle Geldinstitute miteinander verknüpft sind, ist es schwer, direkt Einfluss darauf zu nehmen, was mit dem „eigenen“ Geld geschieht. Generell aber gilt: Je regionaler eine Bank wirtschaftet, umso leichter lässt sich in Erfahrung bringen, wo das Geld landet. Manche Institute vertreiben auch spezielle Produkte wie Bürgeranleihen, mit denen kommunale Projekte finanziert werden, oder Ökosparbriefe zur Finanzierung erneuerbarer Energien.

• Wer sein Geld nicht im Kasino lässt, wird auch keine Aktien von Kasinobetreibern kaufen – dieser Gedanke steckt hinter vielen „christlichen“, „ethischen“ oder „nachhaltigen“ Geldanlagen, die heute angeboten werden. Entsprechende Fonds arbeiten mit „Ausschlusskriterien“ (z. B. Ausschluss von Unternehmen, die Abtreibung oder Formen der Stammzellenforschung fördern, bei denen Embyronen zerstört werden) und/oder investieren gerade in Unternehmen, die sich nach bestimmten Kriterien vorbildlich verhalten.

• Doch Vorsicht: Auch Geldanlagen, die als besonders nachhaltig verkauft werden, sind nicht risikolos, was beispielsweise Aktionäre von Solarfirmen in jüngster Zeit leidvoll erfahren haben.
Wir bleiben Sünder

Generell gilt: Die Beschäftigung mit speziellen „christlichen“ Kriterien bei der Geldanlage darf nicht zu dem Irrglauben verleiten, man könne hier gleichsam sündlos leben. Nein, auch bei der Geldanlage bleiben wir Sünder, selbst wenn wir uns noch so anstrengen, „ethisch“ zu handeln. Manchmal wegen falscher Einschätzungen, manchmal, weil wir nicht alle Zusammenhänge überblicken können. Wir dürfen uns bei der Frage auch nicht überfordern – wir fragen uns in der Regel ja auch nicht, was unser Lieblingsbäcker mit unserem Geld macht.

Der Autor, Hans-Joachim Vieweger (München), ist Wirtschaftsjournalist und Synodaler


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