Birgit Kelle über Ehe, Familie und Politik

1. September 2013 in Familie


Vortrag in Augsburg: Der Staat vernachlässigt die Familien, deshalb muss er andernorts Strukturen schaffen, die wir bezahlen. „Unterstützt doch einfach mal die ganz normale Familie, das käme für alle viel billiger!“ Von Barbara Wenz.


Augsburg (kath.net) Ein weiterer sehr gut besuchter Vortrag beim diesjährigen Kongress „Freude am Glauben“ des Forums Deutscher Katholiken war derjenige der bekannten und beliebten Journalistin Birgit Kelle, deren frische Art, neu über die Themen Ehe und Familie nachzudenken, bereits zum Einstieg ihrer Rede für Fröhlichkeit und viel Beifall sorgte. Ihr neues Buch gegen den Gleichheitswahn "Dann mach doch die Bluse zu" könnte ein Bestseller werden.

Man habe ihr im Rahmen eines Zeitungsinterviews die Frage gestellt, warum sie überhaupt zum Kongress „Freude am Glauben“ fahren würde, der doch christlich sei und noch dazu sogar katholisch!“ Ans Publikum gewendet rief Kelle aus:

„Ich bin hier, weil ich mir sicher bin, dass Sie keinen Stuhlkreis brauchen um zu entscheiden, ob Sie Mann oder Frau sind! Weil Sie davon überzeugt sind, dass die Ehe zwischen Mann und Frau das erfolgreichste Familienmodell ist, das die Menschheit kennt! Und weil Sie wissen, dass jedes Kind ein echtes Geschenk Gottes ist!“

Das Thema Ehe und Familie werde, so Kelle, zum immer schwierigeren Thema in Deutschland. Wir seien ein Volk von Alleinerziehenden, Singles und Patchworkfamilien. „Aber die Fakten sagen, dass über 80 Prozent aller Kinder bei ihren verheirateten Eltern aufwachsen – wir sind die Mehrheit in diesem Land, und nur weil die Berichterstattung anders ist, heißt das nicht, dass wir nicht mehr existieren!“

Die Mehrheit lebe genau dieses Modell, es sei nicht traditionell oder rückständig, sondern vielmehr die Normalität. Demzufolge wäre davon auszugehen, dass die traditionelle Ehe und Familie oberste Priorität in der Familienpolitik innehaben solle - es scheint aber so, als sei gerade das Gegenteil der Fall: Als gälte es das Modell zu überwinden. „Wir sind der Politik ein großer Dorn im Auge, so fühle ich mich jedenfalls!“ Kelle fragt sich: “Wie kommt das eigentlich? Warum werden ich und meine Familie nicht wahrgenommen? Wo sind die Ursachen des Problems?“

Nach einer Allensbach-Umfrage definieren 96 Prozent der Bevölkerung Familie als die Gemeinschaft von Vater, Mutter und Kind. Wenn man jedoch in die Wahlprogramme schaut, findet man ganz erstaunliche Sachen. Für die CDU ist Familie, wo „Eltern für Kinder und Kinder für Eltern dauerhaft Verantwortung übernehmen“ – das stehe zumindest noch auf dem Papier, denn leider sei es nachher nicht das, was in der Tagespolitik umgesetzt werde.

Für die SPD seien Begriffe wie „Kinder oder Eltern“ nicht mehr notwendig. Familie meint hier „alle Menschen, die dauerhaft Verantwortung füreinander übernehmen“. Selbst lebenslange Sicherheitsverwahrung fiele bei dieser Definition, so Frau Kelle schmunzelnd, für die SPD noch unter den Familienbegriff.

Für die Partei „Die Linke“ sei „Familie da, wo Menschen füreinander Verantwortung übernehmen, egal welcher sexuellen Orientierung füreinander da sind.“ In dieser Formel ist nicht einmal von „Dauer“ die Rede - damit könne jede Studenten-WG Familienstatus beantragen. Außerdem verspreche die Linke keine staatliche Subventionierung des „überholten Familienmodells mit dem Mann als Ernährer und der Frau als Zuverdienerin!“ Damit seien sie nicht wählbar, konstatiert die mehrfache Mutter nüchtern, was mit Applaus quittiert wird.

Bei den Grünen sei „Familie dort, wo Kinder sind“. Dazu wäre zu sagen, dass auch in den Slums von Indien Kinder lebten, auch wenn dort beklagenswert wenig von Familie zu spüren sei.

Die FDP schütze laut ihrem Programm in besonderem Umfang vielfältige Lebensformen und -entwürfe und damit ein „angstfreies Anderssein“... Familie werde also reduziert auf das, was sich ganz doll nach Familie anfühlt.

Wenn man sich diese Definitionen anschaue, stelle man fest, dass es demnach gar nicht mehr möglich ist, ein Familienmodell gemäß Artikel 6 des Grundgesetzes zu fördern. Es gelte nur noch das Prinzip Gießkanne, denn es gebe ja keinen Grund mehr, irgendjemanden aus irgendeinem besonderen Grund zu fördern: Wenn die Ehe für alle freigegeben ist, könne auch die Ehe zwischen Mann und Frau auch nicht mehr gefördert werden.

Der Fehler liege darin, dass die politischen Parteien glaubten, sie könnten die Ehe auf irgendeine Art und Weise definieren. Der Staat könne jedoch nur die Ehe schützen und fördern, aber nicht stiften und auch nicht definieren, weil die Ehe ein vorstaatliches Gebilde sei: die Grundkernkonstellation unserer Gesellschaft, die Konstellation, die Kinder hervorbringt und die Stabilität unserer Gesellschaft gewährleistet.

Es sei auch keine Diskriminierung, dass wir darauf beharren zu sagen, Familie bestehe aus Vater, Mutter, Kind, weil es nun einmal die Auffassung der Mehrheit ist. „Ehe und Familie stehen bei den jungen Menschen als Idealvorstellung ganz hoch im Kurs. Wir schaffen ja auch nicht unser Rechtssystem ab, nur weil es Rechtsbrecher gibt, die daran scheitern, wir halten ja trotzdem an unseren Idealen fest!“

An dieser Stelle gab es wieder kräftigen Applaus für Birgit Kelle, die nun zu einem neuen Themenfaden überging: das Problem des demografischen Wandels und des daraus resultierenden Fachkräftemangels, das die Politik nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa beschäftigte.

Beide Probleme solle nun die Frau lösen. Die Politik kämpfe um die Frauen zwischen 20 und 40, die sowohl Kinder bekommen als auch den Fachkräftemangel beseitigen sollen. Deshalb haben wir, so Kelle in ihren Erläuterungen, die Krippenpolitik im Land. Im Kreislauf erwerbstätiger Menschen störten aus dieser Sicht Kinder nur noch, denn sie bänden ihre Mütter ans Haus.
Und so komme es dazu, dass aus dem direkten Umfeld und aus der Politik sowieso, dass man als Frau in eine Rechtfertigungsposition gestellt werde, wenn man sagt, man möchte gerne zu Hause bleiben. Dafür müsse man sich heute entschuldigen. Jedoch wollte noch bräuchte die Mehrheit von 65 Prozent der Frauen gar keinen Krippenplatz, weshalb Krippenpolitik eine Minderheitenpolitik hierzulande sei.

Zum Argument, es sei kein Geld für die Mütter da: dann könne man als Politiker aber auch nicht sagen, ich gebe das ganze Geld aus, das für Familien zur Verfügung steht, um Krippenplätze zu bauen. Wenn man wisse, dass jeder Krippenplatz 1.200 Euro pro Kind im Monat kostet, ich aber sage, ich brauche den Platz nicht, ich möchte euer Angebot nicht wahrnehmen, dann bekomme ich 150 Euro pro Kind! „Es geht hier nicht um Abschaffen des Betreuungsgeldes, sondern um das Aufstocken! Wir sollten mal über 500 Euro pro Kind reden, dann sind wir auf Augenhöhe!“

Der Staat habe schließlich nie gesagt: „Hier, wir haben die Summe, wie möchtet ihr sie denn einsetzen? Krippe, zu Hause erziehen, die Oma – sondern er hat gesagt: Nimm den Krippenplatz oder du bekommst einfach gar nichts!“ Dies habe nichts mit Gerechtigkeit zu tun. „Das regt mich auf! Weil die Politik mich so behandelt, als sei es mein persönlicher Luxus, mal eben vier Kinder großzuziehen!“ Auch an dieser Stelle wurde Birgit Kelle wieder durch Applaus unterbrochen.

Für Themen wie gender mainstreaming sei genügend Geld vorhanden, Viel Geld werde hier für eine sinnlose Ideologie ausgegeben, die mit der Realität überhaupt nichts zu tun habe, statt dass wir einfach akzeptierten, dass Mann und Frau nun einmal unterschiedlich sind! Es gebe über einhundert Lehrstühle für gender mainstreaming, wo man sich fragen müsse, was die eigentlich täten und wie viele Milliarden dies koste! Wenn man dieses Geld nähme, um es den Familien zur Verfügung zu stellen, käme es auch endlich einmal da an, wo es wirklich gebraucht wird!

Viele Familien kämen nicht mehr über die Runden. Der Staat vernachlässige die Familien, die da sind, deshalb müsse er dann andernorts neue Strukturen schaffen, die wir von unserem Geld bezahlen sollten. Die Frage laute, so Kelle: „Warum unterstützen wir nicht gleich das Original?“ Es gebe genug neue Programme wie etwa “Mehr Männer in Kitas“, Mehrgenerationenhäuser usw. „Unterstützt doch einfach mal die ganz normale Familie, das käme für alle viel billiger!“

Jedes Kind, erläuterte Birgit Kelle weiter, bedeute für den Staat einen Gewinn von 50.000 Euro, wohlgemerkt, einen Gewinn nach sämtlichen Abzügen. Der Staat wisse, dass er von den herkömmlichen Familien profitiere. Und deshalb, so Kelle, sei es endlich an der Zeit, Forderungen zu stellen. „Wir müssen uns alle einfach mal zu Wort melden! Wenn alle Familien endlich auf die Barrikaden gingen, könnte nicht so weitergemacht werden wir bisher, wo am Schluss immer die die Dummen sind, die die nächsten Generationen großziehen!“

Das Rentensystem, bemerkte Kelle abschließend, sei eine einzige Schande: Jeder, der in Deutschland Kinder großzöge, werde am Schluss dafür bestraft. Vor allem aber müsse endlich aufhören, dass Politiker auch noch die Frauen, die zu Hause bleiben wollen als „vergeudetes Potential“ oder als „Heimchen am Herd“ bezeichnen dürften. Dies sei schlicht Sexismus.
Und von diesem hatte sie, das war deutlich zu merken, als Frau und vierfache Mutter endgültig genug. „Wir holen uns diese Gesellschaft wieder zurück!“ lautete folgerichtig der Schlusssatz von Kelles fulminanter Rede.

Birgit Kelle ist Journalistin und Vorsitzende des Vereins „Frau2000 plus“ und Member of the Board der „New Women for Europe“ mit Beraterstatus am Europäischen Parlament.

Buchtipp:

Dann mach doch die Bluse zu
Ein Aufschrei gegen den Gleichheitswahn
Von Birgit Kelle

Gebundene Ausgabe, 192 Seiten
2013 Adeo
ISBN 978-3-942208-09-3
Preis 18.50 EUR

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Foto: © Birgit Kelle und Verlag Adeo


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