Pädophilie-Affäre: Grünen-Spitzenkandidat Trittin unter Druck

17. September 2013 in Deutschland


Trittin verantwortete 1981 ein umstrittenes Kommunalwahlprogramm der AGIL, in welchem dafür plädiert wurde, dass Sex zwischen Kindern und Erwachsenen straffrei sein solle, sofern er ohne Anwendung und Androhung von Gewalt zustande kam


Berlin (kath.net/idea) In der Pädophilie-Affäre bei Bündnis 90/Die Grünen gerät nun auch der Spitzenkandidat der Partei, Jürgen Trittin (Foto), unter Druck. Der Grund: 1981 habe er das Kommunalwahlprogramm der Alternativen-Grünen-Initiativen-Liste (AGIL) in Göttingen presserechtlich verantwortet, schreiben die Politologen Franz Walter und Stephan Klecha in der Tageszeitung (taz). Die AGIL plädierte dafür, dass Sex zwischen Kindern und Erwachsenen straffrei sein solle, sofern er ohne Anwendung und Androhung von Gewalt zustande kam. Walter und Klecha vom Institut für Demokratieforschung der Universität Göttingen waren im Mai von den Grünen beauftragt worden, die Pädophilie-Verstrickungen in der Frühzeit der Partei aufzuklären. Ihr Abschlussbericht soll bis Ende 2014 vorliegen. Trittin sei unter dem damaligen Kommunalwahlprogramm als eines von fünf Mitgliedern der Schlussredaktion aufgeführt, schreiben die Wissenschaftler. Hinter Trittins Namen stehe das Kürzel V.i.S.d.P. für „Verantwortlich im Sinne des Presserechts“. Er war damals Student und Göttinger Stadtratskandidat. Trittin bestätigte die Darstellung der Göttinger Wissenschaftler. „Wir haben es nicht mal hinterfragt, als wir unser Programm zur Kommunalwahl 1981 erstellt haben“, sagte Trittin. „Dies ist auch meine Verantwortung. Und dies sind auch meine Fehler, die ich bedaure.“ Es könne keine Straffreiheit für Missbrauch geben.

Rückendeckung von Göring-Eckardt

Co-Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt verteidigte Trittin. Ihm sei seinerzeit nicht bewusst gewesen, dass er 1981 als Verantwortlicher für die Veröffentlichung eines Kommunalwahlprogramms aufgeführt gewesen sei, sagte Göring-Eckardt im ZDF-Morgenmagazin. Sie äußerte sich auch zu der bei den Grünen seinerzeit mehrfach vertretene Forderung nach Straffreiheit für sexuelle Handlungen mit Kindern. Es sei für sie eine „nach wie vor unvorstellbare Geschichte”, dass so eine Diskussion stattgefunden habe. Sie sei sehr froh, dass die Grünen mit dieser Phase abgeschlossen hätten. Inzwischen verhalte sich die Partei bei der Frage von Gewalt gegen Kinder und Kindesmissbrauch „wirklich ein-eindeutig”. Göring-Eckardt ist auch Präses der EKD-Synode, lässt dieses Amt aber bis zur Bundestagswahl ruhen.

CSU: Trittin war Teil des „Pädophilie-Kartells“

Kritik kommt von der CSU. Generalsekretär Alexander Dobrindt forderte, Trittin müsse seine Spitzenkandidatur angesichts dieser Affäre ruhen lassen. „Trittin war Teil des Pädophilie-Kartells bei den Grünen und ist als Frontmann untragbar“, erklärte er gegenüber Focus Online. Statt sich selbst zu stellen und die Karten auf den Tisch zu legen, habe er gewartet, „bis er enttarnt und überführt wurde“. Der Umgang mit der Pädophilie-Vergangenheit sei ein Grund, weshalb sich die Wähler von den Grünen abwendeten.

Keine Anlaufstelle für Opfer „grüner“ Täter

Zweifel am Willen zur vollständigen Aufarbeitung dieser Vergangenheit äußerte auch der Autor eines Beitrags mit dem Titel „Die große Legende“ in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (Ausgabe 15. September), Christian Füller. Anders als die Kirchen sträubten sich die Grünen, eine gesonderte Anlaufstelle für die Opfer „grüner“ Täter einzurichten. Dabei sei die Partei durchsetzt gewesen „von propädophilen Gruppen aller Art“. Mit Blick auf die „Arbeitsgemeinschaft Schwule und Päderasten“ schreibt Füller: „Die Päderasten waren bei den Grünen keine Splittergruppe, sondern eine von der Bundestagsfraktion finanzierte Arbeitsgruppe, die ganz formell in Parlamentsarbeit eingebunden war.“ Dass sich die Grünen später bewusst von den Päderasten distanziert hätten, sei „bestenfalls Geschichtsklitterung“. Sie seien nicht aus der Fraktion geworfen worden, sondern hätten sie von sich aus verlassen, „um künftig mehr in die Partei hineinzuagieren“, wie es ihr Frontmann Dieter Ullmann damals ausgedrückt habe.

kath.net dokumentiert die Stellungnahme von Jürgen Trittin auf seiner Homepage zum taz-Artikel in voller Länge:

Der Göttinger Politikwissenschaftler Franz Walter arbeitet im Auftrag des Bundesvorstandes von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Rolle von Pädophilie Befürwortern in der Gründungsphase der Grünen auf. Im Zuge seiner Arbeit ist er auf das Kommunalwahlprogramm der Göttinger AGIL von 1981 gestoßen, für das ich im Sinne des Presserechtes verantwortlich war. Dort wird die Reform der Paragraphen 174 und 176 des Strafrechts gefordert. Die Formulierungen sind aus dem Bundesprogramm von 1980 entnommen.

Ich habe mehrfach bestätigt, dass in der damaligen Zeit bei den Grünen diese falschen Forderungen weit verbreitet waren. Mir selbst waren die Details des damaligen Kommunalwahlprogramms nicht mehr präsent. Es ist gut, dass diese Vorgänge nun systematisch aufgearbeitet werden und nicht der zufälligen Erinnerung Einzelner überlassen werden.

Es war das Selbstverständnis der Göttinger AGIL, die Forderungen einzelner Initiativen – in diesem Fall der Homosexuellen Aktion Göttingen – Eins-Zu-Eins zu übernehmen. Diesem falschen Politikverständnis und diesen falschen Forderungen haben wir uns nicht entgegengestellt. So sind viele falsche Forderungen in das Grüne Wahlprogramm dieser Zeit gekommen, auch in das Kommunalwahlprogramm in Göttingen.

Dies ist auch meine Verantwortung. Und dies sind auch meine Fehler, die ich sehr bedauere.

Es hat zu lange gedauert, bis diese Haltung dann im Jahr 1989 korrigiert wurde. Es kann keine Straffreiheit für Missbrauch geben. Dies sage ich auch mit Blick auf die Opfer solchen Missbrauchs - sie haben zu Recht, kein Verständnis für eine falsch verstandene Liberalität gegenüber solchen Straftaten und sind zu Recht, über solche Haltungen empört.

Aus diesem Grund hat der Bundesvorstand von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Herrn Prof. Walter mit der Aufarbeitung beauftragt. Herr Walter hat angeboten – und ich möchte sein Angebot wiederholen – dass sich alle Opfer bei ihm melden können.

Zur Dokumentation: Das sagte Jürgen Trittin vor drei Jahren über den Missbrauch in der Kirche


Foto Trittin © www.trittin.de


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