Ägyptischer Jesuit Henri Boulad: Sturz Mursis war legitim

22. September 2013 in Aktuelles


Mystiker und Ex-Caritaspräsident verteidigt in Salzburg Kurs der Übergangsregierung in seiner Heimat - Muslimbrüder vertreten fundamentalistischen, antimodernistischen Islam - Schwierige Lage der Christen.


Salzburg (kath.net/ KAP)
„Ich bin mir sicher, dass das Militär nicht die Absicht hat eine Militärdiktatur zu errichten, sondern Wahlen vorbereiten will": Das sagte Henri Boulad, Jesuit und Mystiker aus Alexandrien, am Freitag bei einem Pressegespräch im kirchlichen Bildungszentrum St. Virgil in Salzburg über die gegenwärtige Situation in Ägypten. Der 81-Jährige widersprach jenen westlichen Medien und Politikern, die von einem Militärputsch in seiner Heimat sprechen: "Es ist ganz offensichtlich, dass das Militär dem Willen des Volkes gefolgt ist. Das war eine Aktion des Volkes."

Immerhin seien 33 Millionen Menschen in allen ägyptischen Städten gegen Mohammed Mursi aufmarschiert. Außerdem sei es eine Lüge, Mursi als legitimen Präsident darzustellen: "4,5 Millionen Wahlzettel wurden im Vorhinein ausgefüllt. Die Muslimbrüder haben in Dörfern den Zugang zu den Wahllokalen versperrt und zahlreiche Stimmen gekauft", Sagte Boulad laut einer Zusammenfassung auf der Website der Erzdiözese Salzburg (www.kirchen.net).

Die Ägypter würden sich gerade in einer Übergangszeit befinden und mehrheitlich hinter der jetzigen Regierung stehen. "In der Übergangsregierung sitzen lauter Technokraten ohne religiöse Färbung. Ich bin mir sicher, dass sie wieder Stabilität und Ordnung herstellen wollen", sagte der frühere Leiter der Caritas Ägyptens und ganz Nordafrikas.

Das, was in Ägypten momentan passiert, ist in den Augen Boulads eine wahre Revolution: Das Volk wende sich gegen die Muslimbrüder und gegen ihren radikalen Islam. Einen Rückzug der Muslimbrüder erwartet der Jesuit nicht. Falls sie aus Ägypten verdrängt werden, würden sie ihr Hauptquartier einfach in eine andere Stadt verlegen, ist er überzeugt. Die Lage im Land sei nach wie vor äußerst unsicher. Die Muslimbrüder würden versuchen, ihre Ziele mit allen Mitteln durchzusetzen, wenn nötig mit Gewalt, so Boulad: "Sie vertreten einen sehr radikalen und fundamentalistischen Islam, der sich gegen die Modernisierung stellt." Boulad schätzt, "dass 90 Prozent der Bevölkerung gegen diese Interpretation des Islams sind. Die Mehrheit der Muslime sind nette und tolerante Menschen." Ein Großteil der Ägypter habe mit der Revolution deutlich gemacht, dass sie gegen die Radikalisierungsversuche der Muslimbrüder immun sind.

Öffnung zum Westen brachte Blüte

Henri Boulad verwies auf die Geschichte als Schlüssel zum Verständnis des gegenwärtigen Ägyptens. Im 19. Jahrhundert sei das Land am Nil unter Muhammad Ali aufgeblüht, der eine Öffnung Richtung Westen einleitete. Alis Nachfolger Ismail habe diesen Kurs mit einer Modernisierung fortgesetzt. Mit dem Sturz des Kalifats 1924 habe sich das Blatt jedoch gewendet, so Boulad. "Ab da stürzte auch der Islam in eine tiefe Krise." 1928 gründete Hasan al-Banna dann die Muslimbrüderschaft , die ihr Heil in einem fundamentalistischen Islam suchte.

Boulad nannte es bemerkenswert, "dass im Land, in dem die Wiege der Muslimbrüderschaft steht, nun ein solcher Widerstand gegen sie da ist". Auch wenn sich manche Vertreter der Brüderschaft sanft und moderat gäben, dürfe man nicht naiv sein: "Sie meinen es nicht immer so."

Exodus der koptischen Christen

Die Situation der Christen in Ägypten bezeichnete Boulad als überaus schwierig. Vor allem in den letzten Jahren würden sie ständig in Angst und Schrecken leben. "Allein am 14. August wurden 50 bis 80 Kirchen und kirchliche Einrichtungen zerstört. Es ist eine Katastrophe", sagte Boulad. Von den rund zehn Millionen Christen ist die Mehrheit koptisch-orthodox. Vor allem am Land seien die Christen sehr verletzbar. Entführungen kämen nicht selten vor. "Die Polizei hat die Situation nicht im Griff", so der Mystiker. Die Folge davon sei wie in anderen islamisch dominierten Ländern eine Auswanderungswelle - vor allem nach Kanada und Australien.

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Foto: P. Henri Boulad SJ © Kath. Kirche Vorarlberg


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