Die frohen Botschafter

19. Oktober 2013 in Kommentar


Sind die Medien einseitig? - Kritik an den Kritikern von Tebartz-van Elst - Ein guter Bischof muss kein guter Bauherr sein. Treue zu Jesus reicht aus - Von Paul Badde (Christ und Welt)


Limburg (kath.net/Christ und Welt) Tebartz-van Elst bleibt Bischof. Bischofsweihen gelten in der katholischen Kirche lebenslänglich, und das trifft natürlich auch auf „Skandalbischöfe“, „Protzbischöfe“ und sogar auf kriminell gewordene Bischöfe zu. Bischofssitze sind auch keine Kegelbahnen. Ob Tebartz-van Elst in Limburg bleibt, scheint dennoch fast keine Frage mehr. Allerdings steht in seiner Causa noch ein anderer Konflikt im Raum, der in Rom weder unbekannt noch neu ist. Das ist die Frage: Wer bestimmt, wer Bischof ist und wer nicht?

Darum ging es schon im mittelalterlichen Investiturstreit, als darum gerungen wurde, wer die Bischofsstühle im Heiligen Römischen Reich besetzt und wer Bischöfe notfalls wieder abberuft. Am Ende hatten sich damals die Päpste in Rom grosso modo gegen die Kaiser durchgesetzt. In China gibt es seit der Machtübernahme durch die Kommunisten einen ähnlichen Konflikt, der bis heute anhält. Im aktuellen deutschen Fall aber steht Rom nun wieder einer Macht gegenüber, deren Konturen weit ungeklärter sind als die von Kaisern und Diktaturen. Das ist die öffentliche Meinung, die wahrhaftig „kein kleines Gesäusel“ ist, wie Elisabeth Noelle-Neumann entdeckt hat, „sondern vielmehr die gewaltige Macht, die Menschen bezwingt und zu Boden wirft und Regierungen stürzt“. Dieser Jagd, die sich als Debatte tarnt, hält auf die Dauer kein Mensch stand. Dieselbe Macht hat schon Benedikt XVI. bezwungen, als er vor Jahren keine Chance sah, den „Problembischof“ Mixa in Augsburg im Amt zu halten.

Papst Franziskus „will“, wie es Anfang der Woche in Rom noch hieß, Tebartz-van Elst halten. Auch viele seiner höchsten Mitarbeiter, die sich in den Fall vertieft haben, von Erzbischof Müller bis zu Kardinal Lajolo oder Kardinal Ouellet, halten unverdrossen fest an dem Mann. Tebartz-van Elst ist ja kein Verbrecher. Strafrechtlich sind die Dinge – immer noch – eher Peanuts, die ihm in Deutschland vorgeworfen werden, wo es in fast allen Bistümern stolze Traditionen und kostbare Bischofspalais gibt, die es durchaus nicht beklagenswert erscheinen ließen, wenn sich hier schon Weihbischöfe ihr neues Wappen auf ihr eigenes Porzellan brennen ließen. Die deutsche Tradition der Fürstbischöfe lässt mehr als einen deutschen Oberhirten in kostbaren Rokoko- oder Barockpalästen residieren. In Rottenburg wurde erst im Juli von Bischof Gebhard Fürst ein Ordinariatsgebäude für 40 Millionen feierlich eingeweiht und bei dieser Gelegenheit öffentlich als „architektonisches Highlight und starkes Zeichen des Dienstes an den Menschen“ gerühmt.

Dagegen wird der Fall des noch geschmackvolleren und schönsten Neubaus Deutschlands, den der Bischof von Limburg auf seinen Domberg setzen ließ, zu einem Lehrstück der Deutungshoheit über die innere Verfasstheit der katholischen Kirche. Es ist die jüngste Fortsetzung einer transmontanen Auseinandersetzung zwischen dem Vatikan und deutschen Ehrenmännern wie Wolfgang Thierse, Alois Glück bis hin zu Erzbischof Zollitsch, die sich von einer großen Koalition der Medien vom „Spiegel“ über die „Süddeutsche Zeitung“ bis zur „Bild“-Zeitung „e tutti quanti“ getragen wissen. Damit steht hier aber auch ein erstes Messen des neuen Pontifex aus Argentinien mit den Deutschen und ihren Meinungsführern und Medien in einem bisher ungetrübten Verhältnis an. Denn Tebartz-van Elst scheint ja schon ein erledigter Fall. Der Papst wird sich dennoch einmal darüberbeugen müssen. Wird er das fertige Urteil nur noch abnicken können? Wenn nicht, wäre sein Honeymoon mit den Deutschen vorbei. Doch schon in Buenos Aires ließ er sich ungern oder gar nicht von der öffentlichen Meinung treiben.

Dass Tebartz-van Elst grobe Fehler gemacht hat, ist ihm kein Geheimnis. Auch nicht, dass alle Bischöfe Sünder sind. Bei den Apostelgräbern ist aber auch jenes Alleinstellungsmerkmal der katholischen Kirche noch fest verankert, dass ihre Bischöfe allesamt direkte Nachfolger der zwölf Apostel sind, die Jesus von Nazareth in Galiläa um sich versammelt hatte. 2000 Jahre lang wurden ihnen seit damals jeweils von ihren Vorgängern und anderen Bischöfen die Hände aufgelegt. Sie sind also nicht gewählt und können nicht abgewählt werden. Bischöfe sind erwählt. Nicht von ihrer Gemeinde, sondern von Jesus selbst. Auch gute Bischöfe müssen deshalb nicht mit Geld umgehen können. Sie sollten verlässliche Mitarbeiter haben, die dazu imstande sind. Doch auch das macht noch keinen guten Bischof aus. Tebartz-van Elst hat einen exzellenten Geschmack. Ein guter Bauherr war er nicht. Doch müssen Bischöfe gute Bauherren sein? Davon weiß die Bibel nichts.

Die Bibel beschreibt dennoch detailliert, wie wir uns die Apostel vorzustellen haben, die Modelle aller guten Bischöfe. Fangen wir dafür am besten einmal mit Petrus an, dem „Apostelfürsten“. „Ich kenne diesen Menschen nicht“, sagte er, als Jesus in einem Blasphemieprozess gebunden an ihm vorbeigeführt wurde. Sein „Meister“ ging von da aus direkt in den Tod. Petrus wärmte sich währenddessen am Feuer – es war ja kalt – und schaute dem Vorgang zu. Er kannte diesen Menschen nicht, wie er dreimal unter Flüchen und Verwünschungen in dieser Stunde geschworen hat! Das war nicht nur eine dreifache eidesstattliche Falschaussage, das war übelster Verrat. Die Apostel Jakobus und Johannes hingegen sorgten sich kurz vor der Passion Jesu vor allem darum, welche Pöstchen sie im Himmelreich (und wie nah oder weit weg von ihrem Herrn) bekommen würden. Diese Männer sind die Urbilder aller Bischöfe.

Bischöfe dürfen seitdem Fehler haben. Wunderbar, wenn sie Heilige sind wie Ulrich von Augsburg (890–973), der erste kanonisierte Heilige der katholischen Kirche, und viele andere Oberhirten mehr, doch das ist keine Bedingung. Seit den Tagen der frühen Märtyrer sollte sich ein guter Bischof aber immer auch durch Mut zum Widerstand gegen den Zeitgeist auszeichnen und durch seine Bereitschaft, sich von Jesus „wie ein Lamm mitten unter die Wölfe“ schicken zu lassen, wie in unserer Epoche und unter den Nazis Graf von Galen. Er ist das große Vorbild für Tebartz-van Elst.

Das macht erklärlich, wie er es wagte, im Bistum Limburg von Anfang an jenem Zeitgeist entgegenzutreten, mit dem hier von zwei überaus populären Vorgängern in Jahrzehnten der unbequeme Geist des Evangeliums ersetzt worden war. So gesehen war es von Anfang an ein Himmelfahrtskommando, als Benedikt XVI. dachte, den in Limburg in die Kirche eingedrungenen Zeitgeist mit der Personalie Tebartz-van Elst noch einmal in die Flasche zurückzwingen zu können. In Passau oder Bamberg hätte der Mann womöglich als sehr guter Bischof in die Geschichte eingehen können. Im Bistum Limburg aber hatte der konservative und oft ungeschickte junge Professor aus dem Wallfahrtsort Kevelaer von Anfang an keine Chance, wo er nicht nur als Oberhirte, sondern auch als Hüter einer katholischen Tradition auftreten wollte, die es hier schon fast nicht mehr gibt.

Sein Scheitern in Limburg heißt deshalb noch nicht, dass er ein schlechter Bischof ist. Gute Bischöfe werden sich nur durch ihre Treue zum Willen des Stifters bestimmen lassen, der seinen fehlerhaften Aposteln am Schluss den Auftrag gab: „Geht hinaus in alle Welt und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen.“ Das war im Kern die frohe Botschaft vom Leben und Sterben Jesu und seiner Auferstehung von den Toten am dritten Tag, die auch sie von da an mit ihrem Leben und Sterben bezeugen sollten. Es ist keine Mission, die man sich suchen und nach der man sich drängen möchte.

Bis auf Johannes haben alle Apostel ihre Mission mit dem Leben bezahlt und haben sich um des Evangeliums willen jagen, prügeln, erschlagen, zersägen, kreuzigen, köpfen oder die Haut abziehen lassen. Dazu wäre sicher auch Tebartz-van Elst bereit, selbst wenn er es kaum noch wagen kann, sonntags gegen den Volkszorn den Limburger Dom zu betreten. In diesem Sinne ist er ein guter Bischof. Deshalb ist er nicht nur seiner finanziellen Verfehlungen, seines Erste-Klasse-Fluges nach Indien und seiner Badewanne wegen untragbar. Er sei „300 Jahre zu spät gekommen“, heißt es in Limburg. Hier aber fänden sich inzwischen genügend Stimmen, die glauben, dass die Apostel, kämen sie heute (mit Jesus mitten unter ihnen) ins Bistum Limburg, wohl 2000 Jahre zu spät dran seien.

Führung durch die Bischofsresidenz in Limburg - Amateurvideo vom 5.9.2013 direkt vor Ort




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