Hilferufe aus dem Jenseits

27. Oktober 2013 in Spirituelles


Eine Kirche in Rom zeigt Botschaften aus dem Fegefeuer. Von Burkhard Jürgens (KNA)


Rom (kath.net/KNA) Dass irgendetwas unheimlich ist an dieser Kirche, spürt jeder in Rom. Sacro Cuore di Gesu (Foto) am Tiber, unweit der Engelsburg: ein neogotischer Bau inmitten des lebensvollen Barock, hager, streng, ein Fremder aus dem Norden, aus dem Reich der Dunkelheit.

Wer in seine Düsternis eintritt, findet neben der Sakristei ein kleines Museum mit beunruhigenden Exponaten: angebliche Hilferufe von Verstorbenen, Brandspuren aus dem Fegefeuer.

Die Kirche verdankt sich der Initiative von Victor Jouet, einem französischen Priester des Herz-Jesu-Ordens. Mit dem «Herz Jesu» wollte Jouet auf die Barmherzigkeit Gottes hinweisen; Voraussetzung dafür ist natürlich, dass der Mensch der Barmherzigkeit bedarf, und dies nicht nur zu Lebzeiten, sondern auch nach dem Tod. Daher Jouets Faible für die Armen Seelen.

Zunächst ging es dem Ordensmann mit der 1893 gegründeten Kirche nur um einen Stützpunkt für seine seelsorgerische Mission. Am 15.September 1897 geschah es, dass in einer benachbarten Kapelle Feuer ausbrach, und als beherzte Gläubige den Brand gelöscht hatten, meinten manche auf der rauchgeschwärzten Wand neben dem Altar ein schmerzverzerrtes Gesicht zu erkennen. Das gab Pater Jouet den Anstoß, systematisch nach Botschaften aus dem Jenseits zu forschen.

Die folgenden Jahre reiste der Geistliche durch halb Europa, fragte in Pfarreien und Ordenshäusern nach Belegen des Übernatürlichen. Jouet zahlte. Er bekam reichlich. Inzwischen ist seine Sammlung wieder ausgedünnt. Manche Stücke weckten zu starke Zweifel an der Authentizität. Übrig blieben anderthalb Dutzend Exponate in einer schmucklosen Vitrine unter Neonlicht: Kleidungsstücke und Gebetbücher, auf denen verschmorte Abdrücke eines Fingers oder einer Hand zu erkennen sind.

Es könnte eine Sensation sein. Doch das Bistum Rom gibt sich diskret. Vor vielen Jahren brachte das Kirchenmagazin «Roma Sette» zum Allerseelenfest einen kleinen Artikel. Das Museum sei «einzigartig», aber die Exponate hinsichtlich ihres Beweischarakters «nicht immer verlässlich und oft legendarisch». Auf Anfrage bei der Bistumspressestelle heißt es, die Kirche und ihre Sammlung seien «Orte, die den Gläubigen helfen, an das jenseitige Leben zu denken und besonders für die Verstorbenen zu beten».

«Die Diözese will, dass wir die Sache etwas unten halten», heißt es im Konvent von Sacro Cuore. Offiziell reden die Patres nicht mit Journalisten. «Wir machen keine Werbung.» Dabei sehen sich die Geistlichen hundertprozentig auf dem Boden der katholischen Lehre, auch nachdem Benedikt XVI. das Jenseits gründlich entmystifiziert hat. Das Fegefeuer «ist kein Ort, sondern ein Zustand, ein spirituelles Leiden an der Gottesferne», sagt ein Ordensmann. «Dass in der Hölle Feuer brennt, gibt's nur bei Dante.»

Dafür allerdings sehen die Brandspuren der Ausstellungsstücke ziemlich konkret aus. Wie sie genau zustande kamen, interessiert den Priester nicht. Für ihn sind es «keine Glaubensbeweise, sondern Glaubenszeugnisse». Im Labor untersucht wurden sie nie. «Die Wissenschaft kann nichts erklären», sagt der Pater.

Ausweislich der Exponate sind es häufig Priester und Ordensleute, die nach dem Tod um Hilfe bitten müssen. Ein Olivetaner-Abt aus Mantua wandte sich am Allerheiligentag 1731 besonders eindringlich an die Hinterbliebenen: Padre Panzini verursachte einen Kreuzabdruck auf dem Schreibtisch der Äbtissin Isabella Fornari und Brandlöcher in Kutte und Hemd.

Eine Ordensfrau aus Perugia, die 1894 nach langer Krankheit den Wunsch zu sterben geäußert hatte, musste ihre Unduldsamkeit mit 20 Tagen Fegefeuer büßen; mit einem eingebrannten Finger auf dem Kissen bat sie eine Mitschwester um ihr Gebet, und nach der Frist teilte sie in einem Traumgesicht ihre selige Aufnahme in den Himmel mit.

Es sind Botschaften, die an die Solidarität der Lebenden mit den Verstorbenen appellieren, die zu Vergebung und Füreinander-Einstehen mahnen. «Wir Menschen machen Fehler, weil wir menschlich sind», sagt der Pater im Museum, und um den Armen Seelen diese Fehler ausbügeln zu helfen, kostet es nur ein Gebet.

Wer weiß, was jener Priester aus Montefalco verschuldet hat, dass er einem Kloster über mehrere Wochen insgesamt 30 Banknoten – leicht angekokelt - zu je zehn Lire aus dem Jenseits schicken musste, damit sie dort Messen für ihn lesen. Und weiß der Himmel, wo er das Geld herbekam.

Die Römer, scheint es, haben Sinn für solche Menschlichkeiten. Und hoffen vielleicht leise, dass irgendwann sich jemand auch für sie an höherer Stelle einsetzt. «Es kommen immer Leute, die für die Armen Seelen beten», sagt der Pater.

Sacro Cuore di Gesu in Prati, Lungotevere Prati 12, Rom. Das "Museum der Seelen im Fegefeuer" (Museo delle Anime del Purgatorio) ist von der Kirche aus zugänglich und täglich von 7.30 bis 11.00 Uhr und 16.30 bis 19.00 Uhr (außer während der Gottesdienste) zu besichtigen. Eintritt frei.

Kathpedia: Fegefeuer

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