18. November 2013 in Kommentar
Wie widerständig dürfen Kunst und Kirche sein? Anmerkungen zur Neugestaltung einer Kapelle im Essener Kardinal-Hengsbach-Haus. Ein kath.net-Kommentar von Petra Lorleberg
Essen (kath.net/pl) Die Farbkraft lädt den Besucher auf. So lautet die Überschrift zu einem Artikel, mit welchem das Bistum Essen auf seiner Homepage die neugestaltete Franziskuskapelle im Kardinal-Hengsbach-Haus vorstellt. Das Tagungshaus ist die Bischöfliche Tagungsstätte für Priesterfortbildung, Pastorale Bildung und Exerzitien im Bistum Essen (Selbstbeschreibung auf der Homepage des Hauses).
Die Kapelle wurde von Grund auf neu gestaltet, erläutert der Beitrag auf der Homepage des Bistums weiter. Denn nachdem das Priesterseminar in Bochum aufgegeben worden war, sollte die sehr schlichte, in Stahl und Birkensperrholz gestaltete Ausstattung der dortigen Seminarkapelle in der Kapelle des Kardinal-Hengsbach-Hauses einen neuen Platz finden. Positiv hervorgehoben werden in dem Beitrag die sparsame Gestaltung, die Schlichtheit der grauen Patina der Bronzefigur des hl. Franziskus, welche die Sprache der Christusskulptur fortsetze, sowie des aus Gips und Wachs modellierten Christustorsos. Die Ruhe und Stille des Raumes laden zur Betrachtung ein. Professor Thomas Kesseler gestaltete die Farbelemente passend zu den vier Elementen des Sonnengesangs, beispielsweise bestimme Krapplackviolett, eine Pflanzenfarbe, die Kreuzrückwand.
Über Geschmack kann man bekanntlich trefflich streiten und zugegeben: nicht alles kann jedem gefallen. Doch der Blick auf die Fotos zeigt mit Ausnahme des warmen (möglicherweise schon vorgefunden?) Parkettfußbodens und der aus den 60er Jahren stammenden gestalteten Fenster einen auffallend nüchternen Raum, dessen Deckenlampen fast schon an ein Provisorium denken lassen. Die Fotos lassen Fragen aufkommen: Handelt es sich bei dem hohen Tisch in der Mitte um einen Altar oder nur um einen Stellplatz für einen Beamer? Warum gibt es in einer katholischen Kapelle keine einzige Kniemöglichkeit? Ist in dem Raum eigentlich ein Tabernakel?
Und warum lädt gemäß Bistumsbeschreibung die Farbkraft den Besucher auf und nicht das christliche Gebet und die Gegenwart des eucharistischen Herrn wohnt der Farbkraft möglicherweise eine eigene Wirkmacht inne?
Doch man möchte noch weiter fragen: Warum wirkt eigentlich selbst der Speisesaal des Hauses ansprechender als die Kapelle? Und warum laden im Speisesaal gepolsterte und ergonomischer geformte Stühle zum gemeinsamen Mahl ein, in der Kapelle aber ungepolsterte und obendrein kantig wirkende Sitzgelegenheiten, auf denen ältere Herrschaften vielleicht nicht unbedingt gut sitzen?
Manch einer mag sich auch fragen: Was hat diese Kapelle, die immerhin doch mehr Charme als ein Kühlhaus aufweist, eigentlich gekostet? Beispielsweise jene von einem Professor hochwertig gestalteten einfarbigen Flächen? Doch über diese Kosten werden im Bistumsartikel keine Angaben gemacht.
Doch auf all diese Anfragen könnte man auch entgegnen: Kunst ist in ihrer Widerständigkeit - anders als etwa Werbung - nicht einfach Anpassung an den Mehrheitsgeschmack.
Im Gegenteil: Kunst darf herausfordern. Kunst darf auch unbequem, kantig und nicht auf den ersten Blick erschließbar sein. Kunst darf sogar geheimnisvoll bleiben. Dies können auch die Gestalter der Franziskuskapelle völlig zu Recht für ihre Komposition in Anspruch nehmen.
Es darf dann allerdings auch nachgefragt werden, warum eigentlich in kirchlicher Lehre und Pastoral, deutlich thematisiert etwa im Dialogprozess, hierzulande häufig genau die gegenläufige Tendenz vertreten wird. Die Aufforderung Jesu zur Nachfolge, so steht es bereits in der Bibel, ist ebenfalls kein breiter Weg. Vielleicht sollte man die Kirche und den Glauben einmal als Kunst präsentieren, um ihre fruchtbare Widerständigkeit hervorheben zu dürfen? Oder möchte die Kirche hierzulande in Lehre und Pastoral statt Kunst tatsächlich nur noch deren kleine und wenig anstössige Schwester Werbung anbieten?
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Fotos der Franziskus-Kapelle im Kardinal-Hengsbach-Haus:
Zum Vergleich: Der Speisesaal des Kardinal-Hengsbach-Hauses
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