Gott, Kapitalismus, Spießertum

18. November 2013 in Interview


„Was aber immer unterschätzt wurde, ist das nonkonformistische Potenzial des Katholizismus. Die katholische Kirche ist immer unabhängig geblieben.“ Interview mit Prälat Wilhelm Imkamp. Von Marcus Ertle (PUR magazin)


Maria Vesperbild (kath.net/PUR magazin) Ein Anpasser ist er nicht. Prälat Wilhelm Imkamp (Foto), Wallfahrtsdirektor in Maria Vesperbild, ist oft unbequem. Nicht nur Politikern mit seinen gesellschaftspolitischen Äußerungen, sondern auch Kirchenfunktionären, die in ihm einen katholischen Hardliner sehen. Dabei zeichnet Imkamp vor allem eine klare Sprache aus. Und er sagt nicht nur, wofür er ist, sondern auch ziemlich deutlich, wogegen. Auf manchen wirkt sein Stil provokativ, weil er unverbrüchlich zu den verankerten Traditionen und Haltungen der katholischen Kirche steht. Salz der Erde soll die Kirche sein und missionarisch, anstatt sich im progressiven gesellschaftlichen Diskurs zu verlieren. Markus Ertle sprach für das PUR magazin mit dem streitbaren Prälaten.


PUR: Herr Prälat, was ist ein Spießer?

Prälat W. Imkamp: Ein Spießer ist immer und jederzeit in Konformist, er tut, was man tut, und lässt, was man lässt, ein Spießer ist immer ein Dackel des Zeitgeistes.

PUR: Nun schließen sich katholisch und spießig allerdings nicht immer aus

Imkamp: Spießer passen sich immer an; wenn die Kirche gerade Konjunktur hatte, gab es durchaus das Phänomen, dass Spießer auch in der Kirche zu finden waren. Was aber immer unterschätzt wurde, ist das nonkonformistische Potenzial des Katholizismus. Die katholische Kirche ist immer unabhängig geblieben, sie ist nie im Staat und nie in der Gesellschaft aufgegangen. Das liegt auch im Wesen der Kirche begründet. Das Urchristentum entstand in einer gesellschaftlichen Atmosphäre, die der heutigen hedonistischen Atmosphäre gar nicht so fern ist.

PUR: Dann könnten Sie ja froh sein, wenn Sie die Spießer los sind.

Imkamp: Ich würde sagen, es herrscht sogar eine positive katholische Konjunktur, schauen Sie sich den Papstwechsel an, schauen Sie sich die Päpste der letzten zwanzig Jahre an.

PUR: Wieso dann der Mitgliederschwund?

Imkamp: Diese Frage ist typisch deutsch, global gesehen wächst die Kirche. Nennen Sie mir eine Institution, die zweihundert Jahre lang solche Spitzenleute hatte, wie die katholische Kirche! Religion hat Konjunktur, besonders dann, wenn sie ihr nonkonformistisches Potenzial aktiviert.

PUR: Aber der Katholizismus stand und steht doch auch nicht in Opposition zum Staat.

Imkamp: Doch, denn der Katholizismus ist nie im Staat aufgegangen, er hat sich bemüht mit dem Staat zusammenzuarbeiten. Jeder Staat hat den Versuch gemacht, die Kirche einzukassieren, das ist den orthodoxen Kirchen und den kirchlichen Gemeinschaften der „Reformation“ passiert, die katholische Kirche wurde aber nie Staatskirche.

PUR: Nennen Sie ein Feld, in dem die katholische Kirche heute nonkonformistisch ist.

Imkamp: Wir grenzen uns, was das Leben angeht, scharf vom Mainstream ab. Wir sind für unbedingten Lebensschutz, vom ersten Moment an bis zum letzten Atemzug. Bei uns Katholiken wird es nie das Prinzip des sozialverträglichen Ablebens geben!

PUR: Was würden Sie eigentlich zu einem Buch mit dem Titel: „Sei kein Spießer, sei muslimisch!“ sagen?

Imkamp: Den Islam kann man nicht mit dem Katholizismus vergleichen, da er kein nonkonformistisches Potenzial hat, sondern auf gewaltsame Konformität setzt. Der Islam ist in der Regel oder im Idealfall identisch mit dem Staat.

PUR: Wenn Sie sagen, dass sich der Islam gewaltsam ausgebreitet hat, wie sehen Sie die heutigen Tendenzen des Islam?

Imkamp: Das ist eine ganz schwierige Situation, ich glaube man kann nicht von einem Islam sprechen, denn er ist in sehr verschiedene Konfessionen geteilt. Zudem gibt es im Islam keine zentrale Autorität, deswegen sind Dialogbemühungen mit dem Islam extrem schwierig.

PUR: Dann ist der Islam ein Phantom.

Imkamp: Exakt, das ist auch eine gute Begründung für die hierarchische Struktur der katholischen Kirche.

Bei uns gibt´s einen Boss, da weiß man, wo es langgeht.

PUR: Ist der Islam Partner, Konkurrent oder Gegner?

Imkamp: Der Islam und das Christentum haben sicher einen gemeinsamen Gegner, das ist die hedonistische, weltliche, säkular und im wahrsten Sinne des Wortes gottlose Gesellschaft.

PUR: Was ist so schlecht an einer gottlosen Gesellschaft?

Imkamp: Eine gottlose Gesellschaft ist in der Gefahr, alles zu machen, was technisch möglich ist. Eine Gesellschaft, in der Gott nicht mehr vorkommt, ist gottvergessen. Dort werden irgendwann als Werte nur noch Börsenwerte wahrgenommen und die einzige Moral ist die Steuermoral.

PUR: Da würde jetzt ein atheistischer Humanist sagen: Wir haben auch ohne Religion Werte.

Imkamp: Der atheistische Humanist hat große Werte, aber sie wechseln ständig, sie sind mit jeder Wetterlage anders. Wir sollten nie vergessen, dass gottlose Gesellschaften immer auch mit Massenmord zu tun haben. Die französische Revolution, die den Massenmord gesellschaftsfähig gemacht hat, der kommunistische Totalitarismus und der Nationalsozialismus.

PUR: Ist der real existierende Kapitalismus auch gottlos?

Imkamp: Das ist er in der Tat! Der Kapitalismus ist eine Perversion des Denkens und zu Ende gedacht führt der Kapitalismus zur Selbstauflösung. Er muss moralisch und sozial gebändigt werden; wenn das nicht geschieht, geht alles den Bach runter. Auch da sieht man wieder, wie notwendig der Glaube ist. Der Kapitalismus ist immer in Gefahr, zu einer strukturellen Sünde zu werden.

PUR: Wie kann man den Kapitalismus zähmen?

Imkamp: Indem man die Menschen zu Gott führt. Die Eliten dürfen keine gottlosen Funktionärseliten oder Managersöldner sein, sie müssen Menschen sein, die ein gebildetes Gewissen haben, die sich verantwortlich für Andere fühlen und auch verantwortlich vor Gott. Die Finanzkrise, in der wir stecken, ist für mich eine zutiefst moralische Krise der Elite, die veröffentlichten Gespräche von Bankern während der Krise offenbaren eine Perversion des Denkens, das sind Gespräche aus der Vorhölle. Reichtum ist nie ein Selbstzweck, denn da wo Reichtum zum Selbstzweck wird, zur Finanzierung eines brutalen Egoismus, ist er schwer sündhaft.

PUR: Sie haben mal gesagt, es gäbe in der herrschenden politisch korrekten Meinung heimliche Dogmen, können Sie welche nennen?

Imkamp: Es gibt unter dem Vorwand der Berufung auf das Menschenrecht die Aushebelung des Naturrechts. Die ganze Diskussion um die Homo-Ehe, die Ehe überhaupt. In dem Moment, wo ich die Gesetzgebung zur Homo-Ehe kritisiere, werde ich als homophob bekämpft, und eine Diskussion zum Thema ist gar nicht mehr möglich. Wer sich diesem Mainstream entgegenstellt, verschwindet in einer Schweigespirale. Deutschland hat keine Debattenkultur, es hat eine Empörungskultur. Das erinnert mich manchmal in Wortwahl und Inhalt an die Fatwas islamischer Großmuftis.

PUR: Was ist gegen die Homosexualität aus kirchlicher Sicht zu einzuwenden?

Imkamp: Schauen Sie im Katechismus der katholischen Kirche unter diesem Stichwort nach. Papst Franziskus hat in einem großen Interview genau das gesagt.

PUR: Was sagt der Katechismus denn?

Imkamp: Die ausgeübte Homosexualität ist gegen die Natur und schwer sündhaft.

PUR: Sie sagten: In der kirchlichen Landschaft überwiegt eine Mischung aus pubertärem Übermut und präseniler Weinerlichkeit. Wo geht es in kirchlichen Landschaft pubertär zu, wo senil?

Imkamp: Beides geht prächtig zusammen, lesen Sie nur die Memoranden, die in den letzten Jahren in der Diözese Augsburg geschrieben worden sind, da trifft das genau zu.

PUR: Worüber wird geweint?

Imkamp: Über die böse Struktur der Kirche, dass die Laien zu wenig mitzureden hätten, dass Rom zu zentralistisch wäre, dass man endlich die Frauen zu Diakonen und Priestern weihen solle, dass mehr Demokratie in die Kirche rein müsste. Diese Leute haben die Geschichte verschlafen. Diese Rätestruktur ist doch eine Schaufensterveranstaltung, wen repräsentieren diese Räte denn?

PUR: Die Gläubigen?

Imkamp: Wenn man von den Teilnahmezahlen an den Wahlen ausgeht, wohl kaum. Die katholische Kirche in Deutschland beschäftigt sich zu sehr mit sich selbst.

PUR: Womit soll sie sich sonst beschäftigen?

Imkamp: Mit der Missionierung und Bekehrung der Ungläubigen und der Gläubigen! Wir müssen den Leuten klarmachen: Wenn ihr nicht als Sofakartoffel enden wollt, ist der beste Weg der Weg in die Kirche.

PUR: Das hilft gegen Sofakartoffelismus?

Imkamp: Natürlich, wer richtig katholisch ist, ist intellektuell nie abgeschlafft, weil man immer bereit sein muss, über seinen Glauben Rechenschaft abzulegen.

PUR: Sie haben den Kirchenkritikern mal penetrante emotionale Inkontinenz vorgeworfen.

Imkamp: Wenn man etwas gegen das Frauenpriestertum sagt, sind führende Funktionäre und Funktionärinnen betroffen, das ist die Betroffenheitskeule. Dann wird gesagt: Was Sie da sagen, macht mich betroffen!

PUR: Und dann sagen Sie…

Imkamp: Das ist auch gut so!

PUR: Apopros Betroffenheit, wie finden Sie Claudia Roth?

Imkamp: Claudia Roth ist sicherlich eine Betroffenheitsexpertin von durchaus apokalyptischen Ausmaßen (lacht).

PUR: Was soll man tun, wenn man gern glauben würde, aber nicht glauben kann?

Imkamp: Sich selbstkritisch fragen, warum man nicht glauben kann. Liegt es an meiner Erziehung, liegt es an meinem bisherigen Leben, habe ich mich mit dem Thema genug intellektuell beschäftigt.

PUR: Waren Sie schon mal wütend auf Gott?

Imkamp: Nein, man kann mit Gott hadern, das ist menschlich, besser mit Gott hadern, als nicht an ihn glauben.

PUR: Könnte auch sein, dass man denkt, dass das eigene Gottesbild eine Illusion war.

Imkamp: Es gibt ja auch illusionäre Gottesbilder, Gott ist nicht unser persönlicher Makler, Gott ist nicht der Automat, in den man oben etwas einwirft und unten kommt eine Leistung heraus.

PUR: Was will Gott von uns?

Imkamp: Er will geliebt werden um seiner selbst willen. Dieses Verhältnis zu Gott kann sich in den kleinen Dingen des Alltags niederschlagen. Menschen, die mit Gott hadern, schicke ich gern in unsere Fatima-Grotte, ich habe dort links und rechts neben der Gottesmutter Tafeln einmauern lassen, wo Menschen ihre positive Glaubensüberzeugung in Stein gemeißelt und aufgeschrieben haben.

Jeder Stein, den Sie da sehen, steht für eine positive Glaubenserfahrung, das ist eine gewaltige Symphonie der Dankbarkeit, die aus der Grotte emporsteigt! Wir sind Gottes Ebenbilder und in uns ist ein Fünkchen von Gott. Deswegen glaube ich, dass nur ein gläubiger Mensch das richtige Verständnis von der Menschenwürde haben kann.

PUR: Die, bei denen es nicht geklappt hat, haben aber keine Tafel.

Imkamp: Wir haben auch Tafeln, auf denen steht: Liebe Gottesmutter, du hast nicht geholfen, trotzdem danken wir dir, denn du weißt, was richtig ist für uns. Gott ist immer ein Geheimnis, ein Faszinosum, aber auch durchaus zum Erzittern.

PUR: Sind Sie gern Wilhelm Imkamp?

Imkamp:(überlegt) Ja, in dem Bewusstsein: Mehr ist nicht drin.


kath.net-Lesetipp
(Leseproben via kath.net-Suchfunkion)

Sei kein Spießer, sei katholisch!
Wilhelm Imkamp
Gebunden mit Schutzumschlag, 160 Seiten
KÖSEL-Verlag 2013
ISBN: 978-3-466-37071-9
Preis € 18,50

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Sei kein Spießer, sei katholisch! - Prälat Imkamp stellt neues Buch vor



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