19. November 2013 in Kommentar
Warum ist Abtreibung immer noch ein Tabu-Thema? Obwohl so viele Frauen betroffen sind? Obwohl so viele Menschen in Deutschland mit der momentanen Fließbandabtreibung nachweislich nicht einverstanden sind? Ein Gastkommentar von Chris Poet
Berlin (kath.net) Ich finde, dass Frauen selbst über ihren Körper entscheiden können sollen. Mit allen Konsequenzen. Mit diesen Worten spendete jüngst eine Journalistin dem Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung einige tausend Euro.
Woher das Geld kommt, sei hier einmal dahingestellt, denn das Schlagwort sexuelle Selbstbestimmung begegnet uns in der Pro-Life-Bewegung regelmäßig und gehört entlarvt, weil es nichts anderes als eine riesige Lüge ist, die Frauen unter dem Deckmantel von Frauenrechten ausbeutet und verletzt.
Was heißt das eigentlich: Ich finde, dass Frauen selbst über ihren Körper entscheiden können sollen. Mit allen Konsequenzen?
Dass jeder Mensch über seinen Körper frei entscheiden kann, sich beispielsweise die Haare schneiden oder Bodybuilding betreiben? Klingt gut und ist in unserem Land auch längst Realität.
Und der Zusatz mit allen Konsequenzen?
Selbstbestimmt entscheiden kann nur, wer alle Konsequenzen und Alternativen kennt.
Aber Tatsache ist: Frauen wissen oft nicht, was Abtreibung bedeutet.
Ihnen wird vorgegaukelt, dass es nur ein kleiner Eingriff sei, dass das Kind vor der Geburt nur eine Fruchtblase oder Schwangerschaftsgewebe sei (so Pro Familia, größter deutscher Abtreibungsanbieter).
Auch über Langzeitfolgen wie das Post Abortion Syndrome (PAS) wird schlicht nicht sachgemäß aufgeklärt: Manche behaupten gar, es wäre eine Erfindung von uns frauenfeindlichen Pro-Lifern.
Um welche Konsequenzen geht es also?
Hat diese Journalistin, die sich mit ihrer Aktion vermutlich selbst zu den Guten zählt, einmal mit einer Frau gesprochen, die nach einer Abtreibung keine Kinder mehr bekommen konnte?
Hat sie einmal die Qualen alter Frauen auf dem Sterbebett erlebt, die sich nach Jahren der Verdrängung plötzlich an ihre getöteten Kinder erinnern?
Die verschiedenen Pro-Life-Organisationen in Deutschland können ein Lied davon singen, wie alleingelassen sich Frauen fühlen, die abgetrieben haben.
Ich war beispielsweise vor wenigen Wochen mit der Jugend für das Leben anlässlich eines Infostandes in Rostock. Es dauerte nicht lange, und es kam eine Frau, die immer irgendwie interessiert zu uns herüber schaute. Ich sprach sie schließlich an und gab ihr einen Flyer. Sie sagte nichts, schaute nur. Also erzählte ich ein bisschen über den Flyer, es war Zufall oder nicht einer über das Post-Abortion Syndrom. Plötzlich fing nun diese Frau mitten auf der Straße im bis dahin sachlichen Gespräch an zu weinen und es entwickelte sich ein stundenlanges Gespräch. Sie erzählte mir, einer vollkommen Fremden, von ihrer traumatischen Abtreibung vor über 10 Jahren, von ihrer zerbrochenen Beziehung, von ihren Tränen, von Erinnerungen am Jahrestag der Abtreibung, davon, dass ihre eigenen Eltern sie zu der Abtreibung gedrängt hatten usw.
Leider ist diese Frau keine Ausnahme, ich könnte zig solcher Geschichten erzählen.
Oft sprechen bei solchen oder ähnlichen Aktionen Frauen mit uns zum ersten Mal nach Jahren oder Jahrzehnten über ihre Abtreibung.
Sollten wir ihnen sagen: Du, deine Tränen und dein Problem gibt es gar nicht, das haben wir bösen Frauenhasser nur auf Druck der katholischen Kirche erfunden?
Fakt ist: Fast keine Frau ist glücklich über die Abtreibung.
Fast keine Frau ist mehr mit dem Vater des abgetriebenen Kindes zusammen.
Fast alle Frauen haben die Entscheidung für die Abtreibung im Schockzustand und unter großem Druck von Seiten des Partners, der Familie und/oder des Arbeitgebers getroffen.
Und das soll selbstbestimmt sein?
Kürzlich sprach ich mit einer Frau, der Arzt sowie Beratungsstelle versichert hatten, dass Kinder erst ab der 8. Schwangerschaftswoche ein schlagendes Herz haben und ihres somit zum Zeitpunkt der Abtreibung noch kein Mensch war. Ihr Smartphone und Google zeigten ihr noch in unserem Gespräch, dass man sie belogen hatte. Es ist kaum zu beschreiben, wie fertig sie war ...
Und auch das ist kein Einzelfall.
Das offizielle statistische Material zeigt: In Deutschland wurden in den letzten 40 Jahren vorsichtigen Schätzungen zufolge 10 Millionen Abtreibungen vorgenommen. Das bedeutet, dass in Deutschland Millionen von Frauen mit der Erinnerung an ein traumatisierendes Erlebnis leben.
Und sie leben in der Regel allein damit.
Sie haben niemanden, mit dem sie darüber reden könnten.
Sie bekommen keine Therapie, sie versuchen nicht darüber nachzudenken, sie verdrängen, sie leiden still.
Und sie machen sich Vorwürfe, weil man ihnen gesagt hat: Es ist DEINE selbstbestimmte Entscheidung, DU trägst die Konsequenzen.
Und da stehen sie dann, allein mit allen Konsequenzen!
Wir haben für alles Beauftragte, Beratungsstellen und Seelsorger, aber für diese große Gruppe von Frauen will niemand zuständig sein?
Warum ist Abtreibung immer noch ein Tabu-Thema?
Obwohl so viele Frauen betroffen sind?
Obwohl so viele Menschen in Deutschland mit der momentanen Fließbandabtreibung nachweislich nicht einverstanden sind?
Warum finden Fernsehredaktionen kaum eine Frau, die zu ihrer Abtreibung positiv steht, sondern immer nur welche, die sie bereuen?
Warum finden sich fast nie Mütter, die sagen: Ich hätte besser abgetrieben?
Warum wohl?
Weil Frauen Abtreibung nämlich nicht so toll finden, wie es uns das Gerede von der sexuellen Selbstbestimmung weismachen will!
Es mag sie geben, die emanzipierte, toughe Feministin, die zur Abtreibung geht wie andere zum Joggen.
Aber davon ist mir noch keine untergekommen! Für die große Mehrheit steht die Abtreibung am Anfang eines langen, leidvollen Weges.
Selbst Alice Schwarzer, die Vorkämpferin der freien Abtreibung in Deutschland, hat uns systematisch belogen und in Wahrheit nicht abgetrieben.
Solange man uns Frauen derart über die Entwicklung des Kindes vor der Geburt und die psychischen und physischen Konsequenzen einer Abtreibung belügt, unsere Konfliktsituation zum wirtschaftlichen Wohle der Abtreibungsindustrie ausnutzt und uns hinterher allein im Regen stehen lässt, kann man nicht von Frauenrechten sprechen.
Und noch viel weniger von Selbstbestimmung!
Abschließend sei hinzugefügt, dass das Thema Abtreibung nicht auf eine frauenpolitische Frage reduziert werden kann.
Die eigentliche und recht breit zu stellende Frage lautet an dieser Stelle: Wie kann man es vor seinem Gewissen verantworten, jemandem Geld zu geben, damit dieser sich aktiv für die Tötung von anderen Menschen einsetzt?
Warum Pro-Life? (Jugendaktion vor dem Kölner Dom) Die Autorin dieses Beitrags kommt mehrfach vor das Mikro
Foto Poet: (c) kath.net/Peter Winnemöller
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