3. Jänner 2014 in Österreich
St. Pöltner Bischof in Silvesteransprache: 2013 zeigte "auf erschreckende Weise" problematisches Verhältnis zum Leben auf - "Gigantischer geistiger Kampf" um Themenfeld Ehe und Familie. UPDATE: Predigt im Wortlaut
St. Pölten (kath.net/KAP/dsp)
Vor bedenklichen Entwicklungen bei familienpolitischen und bioethischen Fragen hat der St. Pöltner Bischof Klaus Küng in seiner Silvesterpredigt gewarnt. Es sei "symptomatisch" für die Gegenwart, "dass trotz größten Wohlstands die wirtschaftlichen Fragen überall dominant sind", so der in der Bischofskonferenz u.a. für die Agenden Familien und Lebensschutz zuständige Bischof am Dienstagnachmittag im St. Pöltner Dom. Auf mehrfache, "erschreckende" Weise habe das Jahr 2013 außerdem gezeigt, dass sich die Einstellung zum Leben in Europa immer wieder einer "Kultur des Todes" nähere.
Optimistisch gestimmt habe zwar zunächst noch das von 1,7 Millionen Menschen unterschriebene EU-Volksbegehren "One of us", das ein EU-Verbot der Finanzierung von Embryonenforschung erreichen will. Die Gegenreaktion sei jedoch bereits hart ausgefallen: Nur knapp wurde im EU-Parlament der sogenannte "Estrela-Bericht" abgewendet, dessen Ziel eines EU-weiten Rechts auf Abtreibung laut Küng "schwerwiegende Folgen" für christliche Ärzte und Pflegepersonal gehabt hätte. Das Thema sei damit jedoch nicht überstanden, so der Bischof.
"Erschütternd" sei weiters, dass in Belgien ein großer Teil der Parlamentarier die Legalisierung des Suizids Minderjähriger befürwortet habe und Euthanasie außer in Belgien längst auch in den Niederlanden, Schweiz, England und demnächst in Frankreich praktiziert werde. Bestehe in Österreich auch weiterhin Konsens der Parteien, die Hospizbewegung und Palliativmedizin zu fördern, sei dennoch auch hierzulande zu "größte Wachsamkeit" in diesem Thema nötig, was für Bischof Küng bei Wortmeldungen in der Diskussion darüber, ob Euthanasieverbot Verfassungsrang bekommen solle, sichtbar geworden sei.
Fast europaweit sei laut dem St. Pöltner Bischof ein "gigantischer geistiger Kampf" im Gang, besonders rund um die Themen Ehe und Familie. Beeindruckt hätten hier die vielen Millionen Franzosen, die zu Jahresbeginn gegen den später dennoch umgesetzten Gesetzesvorschlag zur Homoehe protestiert hätten. In Österreich bestehe trotz einiger Lichtblicke im Koalitionsprogramm der Eindruck, dass die Familienpolitik "alle problematischen Trends der EU nachahmt": Wer Kinder bejahe und sich der Familie widme, finde nicht die zustehende Anerkennung, während Fragen wie Legitimierung der Adoption für homosexuelle Paare "mit großer Beharrlichkeit vorgebracht werden, bis sie approbiert sind".
Persönlichkeitsentwicklung, Befähigung zur Liebe und auch Vermittlung des christlichen Glaubens finde vor allem in der Familie statt, betonte Bischof Küng. Diese Aspekte würden wohl auch im Zentrum der von Papst Franziskus einberufenen Synode zum Thema Familie im Oktober 2014 stehen. Die Familie auf Grundlage der Ehe zwischen Mann und Frau solle verteidigt und die kirchliche Verkündigung insofern verbessert werden, dass junge Paare Zugang zum Ehesakrament und zur Gründung einer christlichen Ehe bekämen, so der Familienbischof. Zudem werde man sich auch mit der Sorge um geschiedene und wiederverheiratet geschiedene Gläubige beschäftigen.
UPDATE:
Predigt in voller Länge:
Liebe Brüder und Schwestern!
Es entspricht einer uralten Gewohnheit der Kirche, am Jahresende Rückschau zu halten, einen Blick in die Zukunft zu werfen und vor allem Gott zu loben und zu preisen. Wir wollen Dank sagen für alle Wohltaten, die wir von ihm empfangen haben, und Hoffnung fassen für ein Neues Jahr.
Das zu Ende gehende Jahr ist ohne Zweifel ein besonderes. Es begann sehr bald mit einer großen Überraschung für uns alle: Papst Benedikt kündigte seinen Rücktritt an und vollzog ihn wenige Wochen später. Er wollte der möglichst baldigen Einberufung eines Konklaves nicht im Wege stehen. Kardinal Bergoglio wurde zum Papst gewählt und er nannte sich Franziskus. Seither hat sich innerhalb der Kirche die Stimmung merklich verändert und die Weltöffentlichkeit hat den Papst verstärkt zum Thema gemacht. Alles, was Papst Franziskus sagt oder nicht sagt, alles, was er tut oder nicht tut, jede seiner Gesten werden von der medialen Öffentlichkeit sofort wahrgenommen, kommentiert und interpretiert.
Das von Benedikt XVI. verkündete und eröffnete Jahr des Glaubens wurde von Papst Franziskus fortgesetzt und zu Ende geführt. In unserer Diözese haben wir uns insbesondere in der Fastenzeit darum bemüht, den Glauben bewusster zu machen, und in der Osternacht wurde in allen Pfarren das Taufversprechen auf diesen Glauben hin erneuert; Im Verlaufe des ganzen Jahres wurden Katechesen über das Credo abgehalten und die Dokumente des II. Vatikanums neuerlich studiert.
Dass das Anliegen dieses Glaubensjahres mit dem feierlichen Gottesdienst in Maria Taferl am Christkönigssonntag nicht zu Ende sein konnte, war uns allen klar. Papst Franziskus hat dies durch die Übergabe seines apostolischen Schreibens Evangelii gaudium in beeindruckender Weise verdeutlicht: Es ist ein sehr umfangreiches Dokument, mit vielen Themen und Facetten. Es enthält nicht wie man es eigentlich erwartet hätte- einfach die Ergebnisse der letzten Bischofssynode über Neuevangelisierung, es zeigt vielmehr Punkte auf, die nach Einschätzung von Papst Franziskus zu einer Reform der Kirche unbedingt gehören. Letztlich ist es ein dramatischer Aufruf an die ganze Kirche zu einem neuen missionarischen Aufbruch. Im Zentrum steht dabei die Freude des Evangeliums. Für uns ist es am Ende dieses Jahres eine Einladung zur Dankbarkeit an Gott, zum Nachdenken und zur Erneuerung unserer Bereitschaft, verbunden mit Papst Franziskus unsere Berufung als Christen in dieser unserer Zeit im Vertrauen auf die Hilfe des Herrn einmal mehr ganz bewusst wahrzunehmen.
Im Evangelium dieser Jahresschlussandacht empfingen wir die Aufforderung, uns keine unnötigen Sorgen zu machen. Der Herr sagte uns, dass es uns zuerst um das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit gehen müsse. Und im Antwortpsalm hörten wir den Lobpreis auf die Huld des Herrn, denn seine Huld währt ewig. Unter anderem wurde als Beispiel angeführt, dass er sein Volk durch die Wüste geführt hat (vgl Ps. 136).
Zuversicht und Freude gehören zu den Grundhaltungen, die bei Papst Franziskus spürbar sind und ihn zu einem Zeichen der Hoffnung machen. Diese Freude und diese Zuversicht beruhen wie er es selbst in Evangelii gaudium eindrucksvoll beschreibt auf der Überzeugung, dass der auferstandene Herr auch heute in der Kirche gegenwärtig ist, dass sein Evangelium den Menschen rettet, ihn aus der Wüste eines Ich-bezogenen Lebens herausführt und dass Gott unendlich barmherzig ist, keinem Menschen in Not die Türe endgültig zuschlägt. Gerade aus dieser Überzeugung und der damit verbundenen persönlichen Erfahrung entspringen die Kraft der kirchlichen Sendung und auch die Pflicht dazu. Der Papst betont, dass sich diesbezüglich alle Christen angesprochen wissen müssen. Jeder und jede muss Sorge tragen für die Leute, die er oder sie zur Seite hat, auf sie zugehen, für sie da sein, damit sie das Licht für ihr Leben entdecken.
Wenn man das Dokument Evangelii gaudium liest, merkt man an vielen Stellen, wie groß die Dringlichkeit ist, die Papst Franziskus empfindet, alle zu einem mutigen Neuaufbruch zu bewegen, weil wir die Heilmittel für die Menschen in Not haben und die Not in der Welt groß ist.
Wir haben das Evangelium des Lebens, aber besonders in Europa und in einigen anderen Teilen der Welt scheint weiterhin im Vormarsch, was der selige Papst Johannes Paul II. manchmal Kultur des Todes genannt hat. Gerade in diesem nun zu Ende gehenden Jahr gab es diesbezüglich mehrere erschreckende Hinweise.
Zunächst ist es für unsere Zeit und auch für Europa symptomatisch, dass trotz größten Wohlstands die wirtschaftlichen Fragen überall dominant sind. Besorgniserregend ist aber besonders die Einstellung zum Leben.
Im vergangenen Jahr ist europaweit die beachtliche Initiative one of us gestartet worden. Zunächst hat die Initiative sehr zögerlich angefangen, dann aber allmählich an Kraft gewonnen. 1,7 Millionen Unterschriften wurden gesammelt. Es ging darum, in der Europäischen Union die finanzielle Unterstützung der Forschung mit Embryonen zu stoppen. Man war sehr optimistisch. Aber dann kam die Gegenreaktion: Im europäischen Parlament wurde der Estrela-Bericht vorgestellt, mit dem Ziel, in allen Ländern der EU die Einführung des Rechtes auf Abtreibung durchzusetzen. Die Folgen eines solchen Rechtes wären sehr schwerwiegend, brächten christliche Ärzte, christliches Pflegepersonal in große Bedrängnis. Der Antrag wurde schließlich mit knapper Mehrheit abgelehnt. Es ist aber zu befürchten, dass er wiederkommt.
Ähnlich besorgniserregend ist die kontinuierliche Ausbreitung der Euthanasiebewegung: Es war erschütternd wahrzunehmen, dass in Belgien ein großer Teil der Parlamentarier der Legalisierung des Suizids Minderjähriger zugestimmt hat, und nicht nur in Belgien, sondern in den Niederlanden, der Schweiz und England wird Euthanasie längst praktiziert und in Frankreich wird es bald so weit sein.
Bei uns hält bis jetzt der Konsens der Parteien bezüglich Förderung der Hospizbewegung und der Palliativmedizin; dass aber dennoch größte Wachsamkeit in diesem Thema auch bei uns gefragt ist, hat die Diskussion gezeigt, die sofort aufkam, als im Rahmen der Koalitionsverhandlungen von manchen die Forderung erhoben wurde, dem Euthanasieverbot Verfassungsrang zu geben.
Dramatisch sind in fast allen Ländern Europas die Diskussionen im Zusammenhang mit Ehe und Familie. Beeindruckend waren die vielen Millionen, die am Beginn des zu Ende gehenden Jahres in Frankreich auf die Straße gingen, weil sie mit dem Gesetzesvorschlag der Homoehe nicht einverstanden waren; sie konnten das neue Gesetz nicht verhindern. Es ist ein gigantischer geistiger Kampf, der überall im Gang ist.
In unserem Land kommen nach und nach alle diese Fragen, sofern sie nicht schon da sind. Im Frühjahr hatten wir die Landtags- und im Herbst die Nationalratswahl. Die Mühen der Regierungsbildung waren nicht zu übersehen, auch wenn wir sagen dürfen, dass es uns im Vergleich zu anderen Ländern in vieler Hinsicht gut geht, auch wirtschaftlich. An den Koalitionsverhandlungen war u.a. positiv, dass die Regierung am Ende dann doch noch wenigstens einen Teil der Versprechungen bezüglich Valorisierung der Kinderbeitragsgelder gehalten hat. Im Übrigen besteht jedoch der Eindruck, dass die österreichische Politik, insbesondere die Familienpolitik, alle problematischen Trends der Europäischen Union nachahmt, sodass jene, die Kinder bejahen und sich der Familie widmen, nicht die Anerkennung finden, die ihnen zusteht, obwohl dies für unser Land und für ganz Europa so wichtig wäre und der richtige Weg ist. Und andere Fragen wie die Legitimierung der Adoption für homosexuelle Paare werden mit großer Beharrlichkeit vorgebracht, bis sie approbiert sind.
Papst Franziskus hat eine Bischofssynode zum Thema Familie für 2015 angekündigt. Vor allem wird es darum gehen, die Familie auf der Grundlage der Ehe zwischen Mann und Frau zu verteidigen und die Verkündigung der Kirche zu verbessern, damit die jungen Paare Zugang zum Sakrament der Ehe und zur Gründung einer christlichen Ehe finden. Die Erhebung der tatsächlichen Situation und die Einholung von Anregungen zur Verbesserung der Verkündigung war ja das eigentlich Ziel der durchgeführten Umfrage. Schon in der Synode über Neuevangelisierung wurde dies von vielen Synodenteilnehmern als eines der dringendsten Themen unserer Zeit bezeichnet. Eigentlich weiß es jeder: Die Persönlichkeitsentwicklung, die Befähigung zu Liebe, auch die Vermittlung des christlichen Glaubens findet vor allem in der christlichen Familie statt. Das wird wohl die zentrale Thematik der Synode sein. Die Verbesserung der Sorge um geschiedene und widerverheiratet geschiedene Gläubige wird sicher auch die Synode beschäftigen, wobei Papst Franziskus selbst auch schon darauf hingewiesen hat, dass diese Sorge nicht auf die Frage des Kommunionempfanges eingeengt werden darf.
Wir sollen aber nicht die Synode abwarten, bis manche Fragen vielleicht noch genauer geklärt sind. Der Aufbruch, den Papst Franziskus von allen erwartet, ist sehr konkret und breit angesetzt.
Es gibt ein uraltes Sprichwort: Neues Jahr neuer Anfang. Wir sollten uns alle schon jetzt fragen: Gibt es jemanden in meiner Umgebung, dem ich helfen sollte? In meiner Familie? Meiner Verwandtschaft? Unter den Berufskollegen oder der Nachbar? Papst Franziskus möchte, dass wir über den Kreis der Kirchenbesucher hinausgehen, dass wir die Menschen ansprechen und auf sie zugehen. Papst Franziskus warnt vor falschen Ausreden, die wir alle parat haben: es sei schwierig, sie hätten kein Interesse, es gebe Vorurteile. Papst Franziskus macht darauf aufmerksam, dass es sicher auch für die ersten Christen schwierig war. Er meint, es sei eine Frage des Überzeugtseins und der persönlichen Erfahrung mit Christus. Wenn wir erfahren haben, wie sehr uns Jesus hilft, können wir es doch nicht für uns behalten. Und wenn uns diese Erfahrung fehlt, sollten wir hinknien und Jesus bitten, damit er seine Liebe in unseren Herzen von Neuem hervorruft.
Danken wir nun dem Herrn dafür, dass er da ist, danken wir ihm für alle seine Wohltaten, auch dafür, dass er uns in dieser Zeit berufen hat und wir in seinem Heilswerk mittun dürfen.
Die Kirche hat seit der Liturgiereform die Gepflogenheit, das Neue Jahr mit dem Hochfest der Gottesmutter Maria zu eröffnen. Möge uns ihre Fürsprache in allem beistehen.
Die Liturgie der Kirche eröffnet das Neue Jahr mit einem Hochfest, das der Gottesmutter Maria gewidmet ist. Wenden wir uns ihr zu und bitten wir sie um ihre Fürsprache. Sie wird uns beistehen.
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