Die Tragödie von Weltbild

3. Februar 2014 in Deutschland


Die Bischöfe hatten in ihrer Gesamtheit nicht die Kraft, die Fehlentwicklungen von Weltbild abzustellen. Die Insolvenz hat ihnen nun ihre Aufgabe abgenommen. Gastkommentar von Hubert Gindert (Forum Deutscher Katholiken)


Augsburg (kath.net/Forum Deutscher Katholiken) Am 10. Januar 2014 hat Weltbild Antrag auf Insolvenz gestellt. Nun wird diskutiert, wer Weltbild in die Insolvenz geführt hat. Das Unternehmen ist der drittgrößte Buchhändler in Europa. Er beschäftigt rund 6800 Mitarbeiter und meldete 2011 einen Umsatz von 1,6 Milliarden Euro.

Das Missmanagement der Geschäftsführung

Weltbild stürzte 2013 ab. Probleme zeichneten sich bereits 2008 ab. Während der Versandhandel boomte, schwächelte die Zeitschriftensparte. Die Auflage sank. Im Mai 2008 stößt Weltbild die Zeitschriften ab. Die Umwandlung im Buchgeschäft ging in den letzten Jahren in rasantem Tempo vor sich. Immer weniger Bücher wurden in den Filialen gekauft, immer weniger Kunden bestellten per Katalog. Das Internet-Geschäft wurde wichtiger. Die amerikanische Konkurrenz (Amazon) expandierte und optimierte ihr Online-Geschäft. Bei Weltbild geriet der digitale Wandel ins Stocken. Die Geschäftsführung investierte zu spät in das neue Logistikzentrum und in die neue IT-Technik. Als Ursache der Insolvenz nannte die Geschäftsführung Umsatz- und Ergebnisverluste aus den vergangenen sechs Monaten und ein enttäuschendes Weihnachtsgeschäft.

Auf der Suche nach Kapitalgeber

Die Geschäftsführung trat an die Eigentümer heran, das sind 12 der 27 deutschen Bistümer und verlangte Geld für die Restrukturierung von Weltbild. Gleichzeitig setzte eine Medienkampagne mit teilweisem Charakter der Desinformation und einer maßlosen Kritik der Gewerkschaft Verdi ein: „Dieses Verhalten (der Kirche) ist skandalös“, die „Kirche trägt Hauptschuld bei Weltbild“, „sie würde den Stecker ziehen und zugesagte Gelder einfach streichen“ und „die Mitarbeiter im Regen stehen lassen“, ein „Paradebeispiel für Kapitalismus“, dabei habe sie „über Jahre glänzend verdient und fette Gewinne abgeschöpft“.

Der Aufsichtsratsvorsitzende der katholischen Verlagsgruppe Weltbild Generalvikar Dr. Beer stellte in einem Interview mit der Augsburger Allgemeinen Zeitung (14.1.14) richtig: Die im Herbst 2013 zugesagten Gelder in Höhe von 65 Mio. Euro wurden nicht zurückgezogen. Vielmehr forderte die Geschäftsführung von Weltbild im Januar 2014 von den Eigentümern mindesten 135 Mio. Euro für Restrukturierung und Sanierung, die verbindlich innerhalb kurzer Zeit zugesichert werden sollten. Hinzu kam eine dreistellige Millionensumme zur Entschuldung des Unternehmens. Dabei gab es keine Garantie, dass das Unternehmen danach eine sichere Zukunft habe. Beer weiter „Gewinne wurden ganz überwiegend in das Unternehmen reinvestiert“ und so das rasche Wachstum in den vorausgehenden Jahren finanziert. Schließlich „es ist vorgesehen, dass sich die Gesellschafter in dem finanziellen Rahmen an der sozialen Absicherung der Mitarbeiter beteiligen, der ursprünglich für die Sanierung vorgesehen war“.

Zur Schuld „katholisch-konservativer Kreise“ am Niedergang von Weltbild

Es gibt noch eine Frage, die die Katholiken bewegt, das ist die Aufgabe eines Medienimperiums, das zu 100% der katholischen Kirche gehört. In einem Kommentar der AZ (13.1.14) heißt es: „Die Kirche habe mit ihren, auf dem Rücken von Weltbild ausgetragenen Machtkämpfen, den Niedergang des Unternehmens mitverschuldet… vor allem hat der Versandhändler unter seinen katholischen Eigentümern gelitten… die katholischen Eigentümern sollten das Unternehmen mit Unterstützung der Gläubiger entschulden, es finanziell für einen Neuanfang ausstatten, um dann für immer die Finger von dem Verlag zu lassen“

Auf die Frage der AZ: „In welchem Maße hat die von katholisch-konservativen Kreisen ausgelöste Debatte um esoterische und erotische Titel im Weltbild-Angebot zum Niedergang des Verlags beigetragen? Antwortete Dr. Beer: „Dass über Verlagsprogramme diskutiert wird, ist in einer pluralen Gesellschaft selbstverständlich und wichtig… ein starkes Unternehmen verträgt solche Diskussionen, sie können den Niedergang nicht allein auslösen“. Und auf die weitere Frage der AZ: „Was wollte die Kirche eigentlich mit Weltbild?“ sagte Dr. Beer: „Weltbild als Medienunternehmen wäre ein wichtiges Instrument, um in die Gesellschaft hineinzuwirken, etwa im Bereich von Glaube, Religion und Weltanschauung, Sinnfragen oder Kulturarbeit. Die Frage ist nur: Wie konstruiert man ein kirchliches Unternehmen, das notwendige Debatten in unserer Gesellschaft anstoßen kann und das ausreichende Breitenwirkung hat?“

Hat die Kirche diese Wirkung mit Weltbild erreicht? Hat sie diese ernsthaft angestrebt? Und, wenn nicht, wer ist dafür verantwortlich? Niemand erwartet von den Bischöfen, dass sie selbst einen Medienkonzern managen. Aber für die Auswahl ihrer wichtigsten Mitarbeiter tragen sie Verantwortung.

Der leitende Manager von Weltbild ist seit 1975 der Niederländer Carel Halff. Halff „hat aus einem staubigen katholischen Zeitschriftenverlag einen der größten Buchhändler Europas gemacht… Mit Carel Halff begann im Jahr 1975 der Aufstieg des Weltbild-Bücherdienstes zu einem der größten Medienhandelsunternehmen Europas“ heißt es in einem euphorischen Bericht in der AZ (11.1.14). Und weiter Carel Halff ist „ein Verlagsmann, kein Kirchenmann“. Tatsächlich gehört er keiner Kirche an. Für ein säkulares Wirtschaftsunternehmen ist das kein Kriterium, für ein kirchliches schon, weil der Geschäftsführer die Sortimentsausrichtung bestimmt. Für eine Erzieherin in einem katholischen Kindergarten fordert man eine kirchlich-religiöse Gesinnung und ein geordnetes Familienleben – zurecht! Schließlich soll sie die Kinder in diesem Geist erziehen. Bei einem Manager eines Unternehmens, das über die Medien Hunderttausende von Lesern beeinflusst, spielt das offensichtlich keine Rolle.

Die berechtigten Klagen über das Sortiment von Weltbild reichen weit zurück. Diejenigen, die sich deswegen an die Verantwortlichen der Kirche gewandt haben, sind Legion. Ich nenne nur ein relativ spätes Beispiel aus dem Jahr 1999. Damals hat die katholische Monatszeitschrift „Der Fels“ (6/1999) Angebote, die über die Weltbildkataloge im Umfang von 200 bis 250 Seiten und in einer Auflage von 3,5 Mio. Exemplare versandt wurden, kritisiert. „Der Fels“ schrieb: „Im Katalog und in den Buchläden wurden sechs katechismusartige Ratgeber für Jungen und Mädchen im Pubertätsalter angeboten, mit Fragen und Antworten vor allem zu Fragen der Sexualität. Alle diese Ratgeber zeigten sich im eklatanten Widerspruch zur kirchlichen Sexualethik als Einführungen in den sexuellen Hedonismus, mit konkreten Anleitungen für die Praxis, angefangen von Beschreibungen, wie man masturbiert, über Ratschläge, wie man an Mädchen oder Jungen ‚herankommt’, über Empfängnisverhütung und Abtreibung, bis hin zu Ratschlägen für den Besuch bei Prostituierten. Vorehelicher Verkehr für Pubertierende ist da etwas Selbstverständliches; von Ehe ist allenfalls beiläufig die Rede. Der zugrunde legende Begriff von ‚Liebe’ ist rein erotisch-naturalistisch; Liebe ‚kommt und geht, wie sie will’. Als Beratungsstelle für einschlägige Fragen wird im Text fast ausschließlich Pro Familia genannt. Schon aus rein natürlicher, erst recht aber aus christlicher Sicht muss man den Vertrieb solcher Bücher als Verführung Minderjähriger bezeichnen, als fahrlässige oder bewusste Verführung“.

Der Vorsitzende der Publizistischen Kommission der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Dr. Hermann Josef Spital von Trier äußerte sich auf diese Kritik hin wie folgt: Die Behandlung der Sexualität in den beanstandeten Büchern „widerspricht eindeutig kirchlicher Sexualethik und ist daher keinesfalls geeignet, jungen Menschen gegenüber – noch dazu über kirchlich verantwortete Vertriebswege – vertreten zu werden. Dass dies geschehen ist bedaure ich sehr.“ …“Auch wird dafür Sorge getragen, dass das Lektorat von Büchern für Kinder und Jugendliche sorgfältiger arbeitet. Die für die angesprochene Zielgruppe zuständigen Mitarbeiter werden entsprechend instruiert werden. Auch bei anderen besonders sensiblen Programmbereichen werden wir die Sorgfalt bei der Auswahl verstärken“. Wie sensibel die Auswahl des Sortiments von Weltbild danach gehandhabt wurde, zeigt die Kritik „Non olet“ („es stinkt nicht“) im „Fels“ (11/2000) wo darauf hingewiesen wurde, dass im Weltbildkatalog 10/2000, Seite 216/17 unter der Überschrift „Empfehlung“ eine Sammlung von Zeitschriften, darunter das Magazin „Der Spiegel“ und die Illustrierte „Der Stern“, d.h. glaubens- und kirchenfeindliche Zeitschriften zum Abonnieren angeboten wurden.

Die Initiative „Katholisches Weltbild“ versandte am 27.04.2008 an alle Diözesanbischöfe der am Weltbild beteiligten Diözesen sowie an die Militärseelsorge, den Apostolischen Nuntius in Berlin und an den Medienbeauftragten der DBK Dr. Gebhard Fürst eine 72seitige Dokumentation über die pornographischen, esoterischen und satanistischen Verlagsprodukte des Weltbildverlags. Die meisten Bischöfe haben nach etlichen Wochen den Eingang der Dokumentation bestätigt und angegeben, dass diese Problematik seit längerem bekannt sei und in der Bischofskonferenz diskutiert werde. Kein einziger Bischof hat die Existenz der skandalösen Fälle bestritten. Nicht geantwortet haben die Bischöfe von Aachen und Mainz. Weder die Zusendung dieser Dokumentation noch anschließende mündliche und schriftliche Nachfragen bei einzelnen Bischöfen führten zu einer Verhaltensänderung seitens des Weltbildverlages. Anfang 2009 monierte das „Forum Deutscher Katholiken“ bei den Bischöfen der beteiligten Diözesen die satanistischen Verlagsprodukte und insbesondere das Buch „Im Kraftstrom Satans“. Dieses Buch hatte im Herbstgeschäft des Weltbildverlags eine herausragende Rolle gespielt. Mehrere Bischöfe antworteten ihm und bedauerten gleichzeitig, dass dieses Buch trotz Filter kurze Zeit im Verlags-Sortiment auffindbar gewesen sei.

Das eigentliche Problem

Die Kirche hat den Auftrag die frohe Botschaft den Menschen nahe zu bringen. Alles andere ist diesem Auftrag untergeordnet und hat diesem Ziel zu dienen. Die Bischöfe sind die Erstverantwortlichen für den Glauben in den Bistümern, die ihnen vom Papst anvertraut sind.

Weltbild war kein Instrument der Glaubensverkündigung. Es hat über Jahrzehnte auch Bücher angeboten, die diesem Auftrag im Weg standen mit Pornographie, Esoterik und Satanismus. Einzelne Bischöfe, wie Kardinal Meisner erkannten das Problem: „Es geht nicht an, dass wir in der Woche damit Geld verdienen, wogegen wir Sonntags predigen. Das ist einfach skandalös“. Er forderte eine „radikale“ Trennung von Weltbild. Am 7. November 2011 sagte Papst Benedikt XVI. zum neuen deutschen Vatikanbotschafter: „Der heilige Stuhl wird darauf achten, dass der notwendige Einsatz gegenüber diesen Missständen seitens der Katholischen Kirche in Deutschland vielfach entschiedener und deutlicher erfolgt“.

Am 25. September 2011 hat Papst Benedikt XVI. in seiner bekannten Rede vor „engagierten Katholiken aus Kirche und Gesellschaft“ im Konzerthaus zu Freiburg u.a. ausgeführt: „Um ihrem eigentlichen Auftrag zu genügen, muss die Kirche immer wieder die Anstrengung unternehmen, sich von dieser ihrer Verweltlichung zu lösen und wieder offen auf Gott hin zu werden… Die Geschichte kommt der Kirche in gewisser Weise durch die Epochen der Säkularisierung zur Hilfe, die zu ihrer Läuterung und inneren Reform wesentlich beigetragen haben.“

Beim Wort Säkularisierung denkt mancher sogleich an jene von 1803, als der staatliche Arm den Kirchenfürsten die Aufgabe der Entweltlichung abnahm. Denn mancher dieser Fürstbischöfe waren mehr Politiker als Seelsorger und Hirten der Gläubigen und sie fühlten sich weithin unabhängig vom Nachfolger des heiligen Petrus.

Die Bischöfe hatten in ihrer Gesamtheit nicht die Kraft, die Fehlentwicklungen von Weltbild abzustellen. Die Insolvenz hat ihnen nun ihre Aufgabe abgenommen. So zeigt der Fall von Weltbild das eigentliche Problem, das in der nicht wahrgenommenen Führungsaufgabe und –verantwortung liegt. Das erinnert auch an eine Reihe von Altlasten und ungelösten Problemen. Bei der Schwangerenkonfliktberatung mit Erteilung des Beratungsscheins zur rechtswidrigen und straffreien Abtreibung hat Papst Johannes Paul II. die Bischöfe gezwungen, nachdem sie selber dazu nicht in der Lage waren, auszusteigen. Was muss passieren, dass die Bischöfe an den theologischen Fakultäten die Reform der Ausbildung von Priesteramtskandidaten, Religionslehrer, Pastoralassistenten und des Religionsunterrichtes in die Hand nehmen? Auch auf Missstände in diesem Bereich sind die Bischöfe wiederholt hingewiesen worden. Geschehen ist wenig.

Prof. Dr. Hubert Gindert (Foto) ist der Vorsitzende des „Forum Deutscher Katholiken“. Der Beitrag ist ein Vorabdruck aus der Zeitschrift „Der Fels“.

Der Sado-Maso-Bestseller ´Shades of grey´ wird weiterhin bei Weltbild angeboten. Screenshot vom 27.11.2013



Foto Hubert Gindert (c) Forum Deutscher Katholiken


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