Die Autopsie einer Schmutzkampagne

14. Februar 2014 in Kommentar


Die Medienkampagne rund um die jüngste Maischberger-Sendung ist ein Paradebeispiel dafür, wie weit die Politische Korrektheit die Wirklichkeit vernebelt. Ein Gastkommentar von Klaus Kelle


Berlin (kath.net) Rund um die jüngste Maischberger-Sendung über den rot-grünen Bildungsplan für Baden-Württemberg schaut man erstaunt auf die begleitende Berichterstattung und fragt sich: Haben die alle etwas anderes gesehen? Dabei ist die Medienkampagne ein Paradebeispiel dafür, wie weit die Politische Korrektheit die Wirklichkeit vernebelt.

Ein guter, etwas älterer, Freund von mir hat eine Verschwörungstheorie und die lautet zusammengefasst wie folgt: Angela Merkel, Friede Springer und Liz Mohn sind befreundet, also entscheiden diese drei Damen, was in Deutschland gelesen und damit gedacht wird. Ich widerspreche dem immer vehement, denn in 30 Jahren als Journalist – auch mal für Gruner & Jahr und Axel Springer – habe ich nie erlebt, dass ein Verleger oder Chefredakteur mich dazu bringen wollte, etwas zu schreiben, was nicht meine Meinung war. Es gab mal Rückfragen oder die Bitte um Schärfung eines Gedankens, aber nie direkten Einfluss. Als ich einst für eine Tageszeitung arbeitete, die jahrzehntelang im Besitz der SPD war, hatte man zwar ein Auge auf mich, aber auch da galt die journalistische Unabhängigkeit.

Dennoch kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass bei Themen wie Homosexualität, Integration oder Frauenquote eine unsichtbare Hand im Spiel sein muss, die bewirkt, dass alle das Gleiche schreiben und zu denken scheinen, oftmals ungetrübt davon, wie die Fakten sind oder gar die eigenen Leser ein Thema beurteilen. Da ist der Drang zur Volkserziehung in jeder Zeile spürbar, obwohl Journalisten gar keinen Bildungsauftrag haben, sondern – genau genommen –Dienstleister in Sachen Wahrheit und Nachrichten sind. Ich fürchte, statt einer Verschwörung ist die Erklärung dafür sehr viel banaler. Die Angst, gegen Politische Korrektheit zu verstoßen und den Zorn der führenden Meinungsmacher des Mainstreams zu wecken, bewirken eine freiwillige Schere im Kopf bei den – nach einer Untersuchung des Instituts für Publizistik an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz – mehrheitlich deutlich linksgestrickten Kollegen.

Das jüngste Beispiel zeigt das sehr schön. Lassen Sie mich zu Beginn sagen, dass die katholische Talkshow-Teilnehmerin und Familienrechtlerin Birgit Kelle meine Frau ist. Das macht mich wahrscheinlich ein wenig voreingenommen, denn ich finde sie großartig. Aber die Fakten bei diesem Thema sind so klar, dass ich hoffe, Sie erlauben mir dennoch diese Betrachtung des ganzen Vorgangs.

Wenn in Deutschland über den Bildungsauftrag der Schulen diskutiert wird, bedeutet das derzeit, hauptsächlich über Homosexualität zu sprechen. Entsprechend fanden sich unter den Teilnehmern beim Maischberger-Talk mit der Travestie-Künstlerin Olivia Jones, bürgerlich Oliver Knöbel, dem homosexuellen Bundestagsabgeordneten Jens Spahn (CDU) und der Schriftstellerin Hera Lind, deren Au Pairs sich partiell als schwul outeten, gleich drei Exponenten der völligen Gleichstellung. Die andere Seite wurde durch Hartmut Steeb von der Evangelischen Allianz und eben Birgit Kelle repräsentiert, die mit ihrem Buch „Dann mach doch die Bluse zu“ vergangenes Jahr einen Bestseller geschrieben und sich mehrfach gegen Frühsexualisierung von Kindern und ein Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare ausgesprochen hatte. Die Rollenverteilung war also klar.

Zwei Tage vor der Sendung ging es los, wenngleich eine leichte Mobilisierung der Szene bereits vorher in den sozialen Netzwerken Facebook und twitter festzustellen war. Das „Community“-Portal „Queer“ startete mit dem Holzhammer. Leute wie Steeb und Kelle dürfe man nicht ins Fernsehen einladen, schrieb man dort und appellierte an die Maischberger-Redaktion, diese Gäste auszuladen, da es sich um „Homo-Hasser“ handele. Sandra Maischberger reagierte professionell und konsequent. Eine Diskussion mit nur einer zugelassenen Meinung mache nun einmal keinen Sinn, deshalb bleibe alles wie geplant. So weit, so gut. Man muss dazu auch wissen, dass Queer keinerlei demokratische Legitimation hat, für „die Homosexuellen“ in Deutschland zu sprechen. Viele von ihnen fühlen sich durch die schrillen Auftritte mancher ihrer selbsternannten Apologeten eher abgeschreckt, wie eine stattliche Zahl von Zuschriften annehmen lässt. Wer ist denn Queer? Ein eher zu vernachlässigendes Nischenmedium.

Doch nur wenige Stunden später rauschte es im Blätterwald. „Empörung vor der Maischberger-Sendung“ meldeten die Medien landauf, landab und verbreiteten das Queer-Ansinnen an ein großes Publikum. Stern, Bunte, Stuttgarter Zeitung, Focus u.s.w. berichteten, teils in großer Aufmachung, in ihren Online-Ausgaben. Ein Anruf Birgits beim Rechtsanwalt brachte schnell Klarheit – gegen eine Bezeichnung wie „Homo-Hasser“ kann man juristisch nichts tun. Das ist eine zulässige Wertung, auch wenn es kompletter Nonsens ist. Dazu muss man wissen, dass Birgit in ihrem ganzen Leben noch nie herablassend oder abwertend über Homosexuelle gesprochen hat. Warum auch? Selbst der Katechismus der katholischen Weltkirche ruft uns dazu auf, Homosexuellen mit brüderlicher Liebe zu begegnen. Natürlich haben wir homosexuelle Bekannte und weder Birgit noch sonstwer in unserer Familie interessiert sich dafür, welche sexuelle Orientierung jemand hat. Umso idiotischer ist eine Einordnung als „Homo-Hasserin“. Anrufe bei Redaktionen mit der freundlichen Frage, ob man zu diesem Thema vielleicht auch etwas Zitierfähiges sagen dürfe, wurden ebenso freundlich abschlägig beschieden. Das sei nicht üblich.

Die Sendung selbst verlief dann zivilisierter, als von vielen befürchtet worden war. Maischberger moderierte weitgehend professionell, war aber sichtlich bemüht, durch häufiges Unterbrechen insbesondere von Birgit Kelle nicht den Eindruck entstehen zu lassen, sie böte hier den ewiggestrigen Spießern zu viel Raum. So weit, so schlecht.

Die wahre Schlacht tobte derweil im Internet, besonders auf twitter, wo sich neben wenigen sachlichen Kritikern ein pöbelnder Mob versammelte, der bisweilen Birgit auf die „Fresse“ hauen wollte, sie für „dumm“ erklärte oder ihr trostloses Sexualleben bedauerte. Es ist absolut faszinierend, wie sehr sich einfach gestrickte Menschen allein über den Gebrauch eines Wortes wie „lecken“ stundenlang erfreuen können.

Die Fernsehkritik am folgenden Tag zeichnete diese Groteske auf stilistisch etwas höherem Niveau nach. Fast überall wurde der Begriff „Homo-Hasser“ erneut verwendet. Sätze, die nie gefallen sind, wurden „zitiert“. Den Vogel schoss einer ab, der Birgit als „geifernde Reaktionärin“ bezeichnete, während zahlreiche Mails bei ihr ankamen, in dem sie besonders für ihre betont sachliche Argumentation gelobt wurde. Die Kritiker, so erscheint es, müssen den Abend der Sendung in einer Art Paralleluniversum verbracht haben. Ganz groß war auch ein Schreiber (Journalist mag ich den nicht nennen), der einräumte, sie habe zwar nicht gesagt, dass sie etwas gegen Homosexuelle habe, aber irgendwo tief in ihrem Innern schlummere dieser Impuls ganz sicher.

Erfreuliche Ausnahme im Irrsinn, das sei hier hervorgehoben, boten die Beiträge in der „Welt“ und auf „Focus-Online“, in der die Autoren feststellten, dass von Homo-Hass in der Sendung keine Spur zu finden war.

Der Sturm hat sich inzwischen gelegt. Bei twitter erfreuen sich auch heute noch einige spätpubertäre Kinder am „lecken“, aber das ist auch schon alles.

Die Lehre all dieser Erfahrungen: Bei diesem Thema können Sie sagen, was sie wollen, als Christ oder Konservativer ist es immer falsch. Wahrscheinlich wären Birgit und Hartmut auch als „Homo-Hasser“ bezeichnet worden, wenn sie jeweils eine gleichgeschlechtliche Beziehung gebeichtet hätten. Weil in der bunten Gutmenschen-Welt vieler Redaktionen einfach nicht sein darf, was nicht sein kann.

kath.net-Buchtipp
Dann mach doch die Bluse zu
Ein Aufschrei gegen den Gleichheitswahn
Von Birgit Kelle
Gebundene Ausgabe, 192 Seiten
2013 Adeo
ISBN 978-3-942208-09-3
Preis 18.50 EUR

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