3. März 2014 in Aktuelles
Wiener Medizinethiker Körtner generell gegen Straffreistellung von Töten auf Verlangen - König Philippe unterschrieb laut belgischer Zeitung umstrittenes Gesetz für aktive Sterbehilfe bei Kindern
Wien (kath.net/KAP) Der Wiener Medizinethiker und evangelische Theologe Ulrich Körtner hat sich gegen das Gesetz ausgesprochen, mit dem Belgien künftig die aktive Sterbehilfe von unheilbar kranken Minderjährigen ermöglich will. "Das geht in eine ganz falsche Richtung", so Körtner am Sonntagabend in der ORF-Sendung "Orientierung". Das von Körtner und zahllosen Vertretern der katholischen Kirche schwer kritisierte Gesetz, mit dem Belgien als weltweit erstes Land für aktive Sterbehilfe keine Altersgrenze mehr vorgibt, wurde indes am Sonntag von Belgiens König Philippe unterschrieben, berichtet die belgische Onlinezeitung "La libre". In einer von Österreich gestarteten Petition hatten zuvor 211.000 Menschen den König dazu aufgerufen, seine Zustimmung zu verweigern.
Die umstrittene Entscheidung Belgiens sei "ein Schritt auf dem Weg, den Belgien, die Niederlande und mit Verzögerung auch Luxemburg beschritten haben", so Körtner, Vorstand des Instituts für Systematische Theologie und Religionswissenschaft an der Evangelisch-Theologischen Fakultät sowie des Instituts für Ethik und Recht in der Medizin der Universität Wien. Infolge der schrittweisen Straffreistellung von Suizidbeihilfe oder Tötung auf Verlangen sei die Zahl der Fälle in den Benelux-Staaten in den vergangenen Jahren stark angestiegen. Darunter gebe es mittlerweile bereits eine ganze Reihe von Tötungen, in denen dokumentiert wurde, dass Menschen nicht ausdrücklich zugestimmt hätten, warnte der Medizinethiker, "etwa im Fall fortgeschrittener Demenz".
Er lehne nicht nur diese Regelung, sondern auch die Straffreistellung von Töten auf Verlangen generell ab, so Körtner mit einem Verweis auf ähnliche Fehlentwicklungen wie das "Groninger Protokoll": Mit diesem bereits im Jahr 2004 erstellten Dokument wurden für die niederländischen Ärzte Richtlinien und Kriterien festgeschrieben, nach denen sie "Lebensbeendigung Neugeborener" und "Lebensbeendigung von Kindern bis 12 Jahre" praktizieren dürfen, ohne strafrechtlich belangt werden zu können.
Trotz der erforderlichen Zustimmung von Eltern und Ärzten würde den Kindern "eine Entscheidungsnotwendigkeit aufgedrückt, die sie überfordert", betonte der Medizinethiker und Theologe. Kinder hätten noch keine ganz genauen Vorstellungen davon, tot zu sein, und das belgische Gesetz mute eine Entscheidung über Leben und Tod einer Altersgruppe zu, die sich nicht einmal selbstständig ein Fahrrad kaufen dürfe. Verständlich sei hingegen vielmehr der Wunsch, dass unerträgliches Leiden gelindert werde, so Körtner. Das Verlangen nach Tötung oder Äußerungen wie "Ich möchte tot sein" seien deshalb zuerst ein Ausdruck gewisser Notlagen und Verzweiflung, die professionelle Begleitung und passende Maßnahmen der Unterstützung erforderten. Kinderhospizeinrichtungen müssten deshalb auch in Österreich dringend eingerichtet und gefördert werden.
Unterstützung erhielt Körtner von Reinhard Topf, Leiter des psychosozialen Teams am St. Anna Kinderspital in Wien. In 25 Jahren seines Wirkens mit krebskranken Kindern habe er "noch nie erlebt, dass ein Kind ernsthaft Hilfe im Sterben bekommt im Sinn einer aktiven Sterbehilfe", so der Psychoanalytiker und Psychologe gegenüber "Orientierung". Vielmehr drücke der Wunsch Kinder zu Sterben den Eindruck aus, dass seelische oder körperliche Schmerzen nicht mehr getragen werden können, wobei Hilfestellungen nötig seien. "Wenn ein Kind so etwas sagt ist es wichtig, darauf einzugehen", so Topf. Die Vorstellung des Todes als irreversibler Vorgang würde sich bei Kindern zudem erst um das 14. Lebensjahr festigen.
Weiterhin distanziert äußerte sich Körtner indes über das Vorhaben der österreichischen Regierungsparteien, das Sterbehilfeverbot in die Verfassung aufzunehmen. Begrüße er auch die Absicht einer Verbesserung der Palliativversorgung und deren Rechtsanspruch, dürfe durch einen derartigen Vorstoß nicht das Patientenverfügungsgesetz von 2006 ausgehebelt werden: Ärzte und Betroffene bräuchten Rechtssicherheit, sobald unheilbar Kranke bestimmten, nicht mehr weiter behandelt werden zu wollen.
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