5. März 2014 in Kommentar
Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter stellt sich gegen die christlichen Werte seiner Partei, den Katechismus und die katholische Kirche - ein Zwischenruf, der den Tiroler ins Gebet nimmt. Ein Gastkommentar von Michael Etlinger (Der Standard)
Wien (kath.net/Der Standard) Was war das für ein Paukenschlag damals bei der Angelobung. "Vor dem heiligen Herzen Jesu Christi" hat Andrä Rupprechter (Foto) seinen Amtseid abgelegt. Eine einzige religiöse Formel löste eine Welle an Reaktionen aus. Für die einen rüttelte der neue Minister an den Grundsätzen des säkularen Staatsgebildes. Für die anderen war er fast eine Art Hoffnungsschimmer am fernen Horizont nach dem Motto: "Endlich ist da wieder jemand, der sich etwas traut!"
Und nun das. Mit einem einzigen Interview hat Rupprechter sämtliche Hoffnungen politisch heimatlos gewordener Konservativer zerstört. Im Standard vom vergangenen Wochenende stellte sich heraus, dass sein stolzer Angelobungsauftritt als traditioneller Tiroler mit dem furchtlosen Bekenntnis zu den christlichen Idealen nur billiger Showeffekt war. Anders ist es nicht zu erklären, dass der Minister sämtliche Mainstream-Argumente zu gesellschaftspolitisch "heißen Eisen" fast stereotyp wiedergibt: von der Homoadoption über neue Familienbegriffe bis zum "massiven" Ausbau an Kinderbetreuungseinrichtungen.
Zu allem Überdruss ging er noch auf den bösen "Kriegsherrn" Radetzky los, dessen Denkmal er am liebsten zugunsten einer Skulptur von "Mutter Erde" oder eines "Friedenssymbols" austauschen würde, und behauptete stolz, dass in seinem Ressort bewusst kein Bild seines "Vorgängers" Dollfuß, der auch Landwirtschaftsministers war, hängt. Großartig!
Wie kann ein Politiker, der sich an den Grundfesten der christlichen Werteordnung orientieren sollte (und im Falle Rupprechter ja auch angeblich tut), ernsthaft der "Gleichstellung" von Schwulen und Lesben das Wort reden, ohne in Gewissenskonflikt darüber zu geraten, dass derartige Äußerungen diametral den Lehren der Heiligen Schrift sowie den Aussagen des Katechismus der katholischen Kirche entgegenstehen?
Wohlfühlfamilie
Dasselbe gilt für den neuen "Wohlfühlfamilienbegriff", den Familienministerin Sophie Karmasin eingeläutet hat und der nunmehr von Rupprechter überzeugt wiederholt wird: "Wo Kinder sich wohlfühlen, ist Familie." Wunderbar. Ich wusste bisher nicht, dass Krabbelstuben für unter Dreijährige, Kindergärten und Ganztagsschulen die Bezeichnung "Familie" nunmehr per definitionem erhalten. Denn niemand - und schon gar nicht die Befürworter dieser Modelle - würde bestreiten, dass sich Kinder in diesen Institutionen ab und an sehr wohlfühlen können.
Aber abgesehen davon, dass durch derartige Pseudodefinitionen der Familienbegriff ad absurdum geführt wird, verdeutlichen Äußerungen wie diese nur allzu gut, wie weit sich hohe Vertreter der ehemaligen christlichen Vorzeigepartei ÖVP von ihren ursprünglichen Grundsätzen bereits verabschiedet haben.
Seit vielen Jahren kann man die gesellschaftspolitische Debatte rund um die "rückwärtsgewandten" Ansichten zur Familienpolitik der ÖVP verfolgen. Dabei lässt sich beobachten, dass die ÖVP - mit Verzögerung - nahezu für sämtliche Forderungen des links-liberalen Establishments ihre Zustimmung gab und gibt (Stichwort: Einführung der eingetragenen Partnerschaften plus "Stiefkindadoption"). Mit dem "Erfolg", dass die ÖVP bisher kei- nen einzigen Wähler links der Mitte aus diesem Grunde hat gewinnen können, sondern nur noch mehr Frust und Enttäuschung bei ihren ehemaligen Stammwählern erzeugt. Der Befund ist klar: Warum sollte ein potenzieller Rot-Grün-Neos-Wähler auf einmal sein Kreuz bei der ÖVP machen, nur weil diese sich unter dem Druck der veröffentlichten Meinung auf einmal ein bisschen "moderner" gibt? Ich habe bisher auf diese Frage keine schlüssige Antwort erhalten.
Ein wichtiger Vertreter mehr
Der Ausblick scheint klar zu sein: Seit letzten Samstag wissen wir, dass das volle Adoptionsrecht für homosexuelle Paare nur noch eine Frage der Zeit ist. Die Befürworter innerhalb der ÖVP haben nun einen gewichtigen Vertreter mehr. Und noch dazu einen, der ja ohnehin als bodenständiger Tiroler gilt.
ÖVP-Parteiobmann Michael Spindelegger mag in seinem Innersten ein zutiefst werteorientierter Mensch sein, dem solche Ergüsse alles andere als gelegen kommen. Dennoch: Diese Diskussion hat eine solche Eigendynamik in der Volkspartei bekommen, die er nicht mehr wird aufhalten können. Dazu fehlen ihm letztlich der Rückhalt in seiner Partei und leider auch das nötige Durchsetzungsvermögen. Aber ich lasse mich gern vom Gegenteil überraschen.
Michael Etlinger ist promovierter Jurist, arbeitet im öffentlichen Dienst und ist privat praktizierender Katholik
Emailkontakt zu Landwirtschaftsminister Andrä: [email protected]
Foto Rupprechter: (c) ÖVP/Glaser
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