Die Zeit der Barmherzigkeit

6. März 2014 in Aktuelles


Der Bischof von Rom begegnet dem Klerus seines Bistums: die Barmherzigkeit des Priesters. Dem Bußsakrament muss die Priorität zurückerstattet werden. Weder Laxheit noch Rigorismus. Von Armin Schwibach


Rom (kath.net/as) Der Tradition gemäß begegnete der Papst zu Beginn der Fastenzeit dem Klerus seines Bistums. Franziskus konzentrierte seine Ausführungen vor den Weihbischöfen, Priestern und Diakonen in der Audienzaula „Paolo VI“ auf das Thema der „Barmherzigkeit“. Dieses führte der Papst in drei Punkten aus.

1. In der ganzen Kirche ist die Zeit der Barmherzigkeit

Dieser Gedanke entspreche einer Intuition des seligen Papstes Johannes Paul II. In seiner Predigt zur Heiligsprechung von Sr. Faustina Kowalski habe er gesagt: „Was werden die vor uns liegenden Jahre mit sich bringen? Wie wird die Zukunft des Menschen hier auf Erden aussehen? Dies zu wissen ist uns nicht gegeben. Dennoch ist gewiss, dass neben neuen Fortschritten auch schmerzliche Erfahrungen nicht ausbleiben werden. Doch das Licht der göttlichen Barmherzigkeit, das der Herr durch das Charisma von Schwester Faustyna der Welt gleichsam zurückgeben wollte, wird den Weg der Menschen des dritten Jahrtausends erhellen“ (30. April 2000).

Der Papst betonte, dass dies neu bedacht werden müsse: „Heute vergessen wir alles zu schnell, auch das Lehramt der Kirche! Zum Teil ist das unvermeidlich, aber die großen Inhalte, die großen Intuitionen und Gaben, die dem Volk Gottes hinterlassen wurden, dürfen wir nicht vergessen“. Und zu diesen gehöre die Barmherzigkeit. Es sei Aufgabe der Priester, diese Botschaft lebendig zu erhalten, vor allem auch dadurch, dem Bußsakrament die Priorität zurückzuerstatten, und durch die Werke der Barmherzigkeit.

2. Was bedeutet Barmherzigkeit für die Priester?

Der Priester sei dazu berufen, wie Jesus ein bewegtes Herz vor den Schafen zu haben: „Die aseptischen Priester, die Priester ‚aus dem Laboratorium’ helfen der Kirche nicht“. Die Kirche könne heute als ein Feldlazarett betrachtet werden, in dem es darum gehe, die Wunden zu heilen. Aufgabe der Priester sei es, nahe bei den verwundeten Menschen zu sein: „Barmherzigkeit heißt vor allem anderen, die Wunden zu behandeln. Wenn einer verletzt ist, braucht er das sofort, keine Analysen. Später wird es spezielle Kuren geben, aber vorher müssen die offenen Wunden behandelt werden“. Der Papst fragte: „Ihr, liebe Mitbrüder, kenn ihr die Wunden eurer Pfarreimitglieder? Seid ihr ihnen nahe?“

3. Barmherzigkeit: weder Laxheit noch Rigorismus

Franziskus kehrte zum Bußsakrament zurück und erinnerte daran, dass es oft der Fall sei, von einem sehr „strengen“ oder von einem sehr „weiten“ Beichtvater zu hören, was nicht in Ordnung sei. Die Unterschiede zwischen den Beichtvätern dürften nicht die Substanz betreffen, „das heißt die gesunde Morallehre und die Barmherzigkeit. Weder die Laxheit noch der Rigorismus bezeugen Jesus Christus, da sich weder die eine noch der andere um den Menschen annimmt, dem sie begegnen“.

Der Rigorist nagle den Menschen kalt und streng am Gesetz fest. Der Laxe dagegen „ist nur dem Anschein nach barmherzig, doch in Wirklichkeit nimmt er das Problem jenes Gewissens nicht ernst, indem er die Sünde herunterspielt. Die wahre Barmherzigkeit nimmt sich des Menschen an, sie hört ihn aufmerksam an, sie kommt seiner Situation mit Respekt und Wahrheit näher und begleitet ihn auf dem Weg der Aussöhnung“. Der wahrhaft barmherzige Priester verhalte sich wie der barmherzige Samariter, weil sein Herz des Mitleides fähig sei.

Um das begreiflich zu machen, stellte Franziskus einige Fragen:

„Weinst du? Oder haben wir die Tränen verloren?"

Der Papst erinnerte dabei an das "Gebet um die Gnade der Tränen über seine Sünden und der Öffnung für die Barmherzigkeit Gottes" aus dem Missale Romanum von 1962:

"Omnípotens et mitíssime Deus, qui sitienti pópulo fontem viventis aquæ de petra produxísti: educ de cordis nostri durítia lácrimas compunctiónis; ut peccata nostra plángere valeámus, remissionémque eorum, te miseránte, mereámur accípere. Per Dominum nostrum Iesum Christum, Fílium tuum, qui tecum vivit et regnat, in unitate Spíritus Sancti, Deus, per omnia sæcula sæculorum. Amen".

"Hältst du vor dem Tabernakel das Fürbittgebet?

Kämpfst du mit dem Herrn für dein Volk?

Wie beendest du deinen Tag? Mit dem Herrn oder vor dem Fernseher?

Wie ist deine Beziehung mit denen, die dabei helfen, barmherziger zu sein? Kinder, alte Menschen, Kranke. Verstehst du es, sie zu liebkosen?“

Franziskus rief die Priester dazu auf, sich nicht „des Fleisches deines Bruders zu schämen“. Am Ende „werden wir nach dem geurteilt werden, wie wir es verstanden haben, uns ‚jedem Fleisch’ zu nähern, ‚ dem Fleisch des Bruders zum Nächsten zu werden’“. Der barmherzige Samariter öffne sein Herz und lasse sich in seinem Innersten bewegen, „und diese innere Bewegung setzt sich in praktisches Handeln um, in ein konkretes und wirksames Eingreifen, um dem Menschen zu helfen“.

„Am Ende der Zeiten“, so der Papst abschließend, „wird allein der zugelassen werden, das verherrlichte Fleisch Christi zu schauen, der sich des Fleisches seines verletzten und ausgeschlossenen Bruders nicht geschämt haben wird“.




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