Gegen die Diktatur des Einheitsdenkens

10. April 2014 in Aktuelles


Franziskus-Perle des Tages: Das Einheitsdenken steinigt die Freiheit der Völker, die Freiheit der Menschen, die Freiheit des Gewissens, die Beziehung der Menschen zu Gott. Die Freiheit des für die Neuheit Gottes offenen Herzens. Von Armin Schwibach


Rom (kath.net/as) Die erste Lesung vom Tag aus dem Buch Genesis (Gen 17,1a.3-9) bot Papst Franziskus am Donnerstag der fünften Woche der Fastenzeit den Ausgangspunkt für seine Predigt bei der heiligen Messe in der Kapelle des vatikanischen Gästehauses „Domus Sanctae Marthae“. Gott verheißt Abraham: „Das ist mein Bund mit dir: Du wirst Stammvater einer Menge von Völkern ... Ich schließe meinen Bund zwischen mir und dir samt deinen Nachkommen, Generation um Generation, einen ewigen Bund: Dir und deinen Nachkommen werde ich Gott sein ... Du aber halte meinen Bund, du und deine Nachkommen, Generation um Generation“ (V. 4.7.9).

Von dieser Verheißung Gottes ausgehend erklärte der Papst die Verschlossenheit der Pharisäer gegenüber der Botschaft Jesu (vgl. Joh 8,51-59). Ihr Fehler habe darin bestanden, „die Gebote vom Herzen Gottes loszulösen“. Sie hätten gedacht, dass sich alles darin erschöpfe, die Gebote zu beachten. Doch „die Gebote sind kein kaltes Gesetz“, denn sie entstammten einer Liebesbeziehung und seien „Weisungen“, die helfen würden, auf dem Weg zur Begegnung mit Jesus keine Fehler zu machen.

Die Pharisäer verschlössen Herz und Sinn jeder Neuheit und verstünden „den Weg der Hoffnung“ nicht. „Das ist das Drama des verschlossenen Herzens“, so der Papst, „das Drama des verschlossenen Sinns, und wenn ein Herz verschlossen ist, verschließt dieses Herz den Sinn, und wenn Herz und Sinn verschlossen sind, gibt es keinen Platz mehr für Gott“, sondern nur mehr für jene Dinge, von denen man glaube, dass sie getan werden müssten.

Die Gebote dagegen „tragen eine Verheißung in sich und die Propheten erwecken diese Verheißung“. Wer ein verschlossenes Herz und einen verschlossenen Sinn habe, sei nicht imstande, „die von Jesus gebrachte Botschaft der Neuheit“ anzunehmen, die in dem bestehe, was die Treue Gottes und die Propheten verheißen hätten.

„Ein verschlossenes Einheitsdenken, das nicht für den Dialog offen ist“, so Franziskus, „für die Möglichkeit, dass Gott zu uns spricht, dass er uns sagt, wie sein Weg ist, wie er dies mit den Propheten getan hatte. Diese Leute hatten nicht auf die Propheten gehört und sie hörten nicht auf Jesus. Das ist etwas mehr als eine einfache Halsstarrigkeit. Nein, es ist mehr: es ist dies die Vergötzung des eigenen Denkens. ‚Ich denke so, das muss so sein und nichts mehr’. Diese Leute hatten ein Einheitsdenken und wollten dieses Denken dem Volk Gottes auferlegen. Deshalb tadelte sie Jesus: ‚Ihr schnürt schwere Lasten zusammen und legt sie den Menschen auf die Schultern, wollt selber aber keinen Finger rühren, um die Lasten zu tragen’ (vgl. Mt 23,4)“.

Jesus tadle ihre mangelnde Kohärenz. Die Theologie dieser Leute werde so zur Sklavin des Denkschemas des Einheitsdenkens: „Es gibt keine Möglichkeit für den Dialog, es gibt keine Möglichkeit dafür, sich den Neuheiten zu öffnen, die Gott mit den Propheten bringt. Sie haben die Propheten getötet, diese Leute. Sie verschließen der Verheißung Gottes die Tür. Und immer wenn sich in der Menschheitsgeschichte dieses Phänomen des Einheitsdenkens einstellt – wie viel Unglück! Im vergangenen Jahrhundert haben wir alle die Diktaturen des Einheitsdenkens gesehen, die dabei endeten, viele Menschen zu töten. Doch in dem Moment, als sie sich als die Herren fühlten, konnte man nicht anders denken. Man denkt so“.

Der Papst warnte davor, dass es auch heute die Vergötzung des Einheitsdenkens gebe: „Heute muss man so denken, und wenn du nicht so denkst, dann bist du nicht ‚modern’, dann bis du nicht ‚offen’, oder schlimmer. Viele Male sagen einige Regierende: ‚Ich bitte um eine Hilfe, um eine finanzielle Hilfe für das...’, und es wird ihnen erwidert: ‚Wenn du Hilfe willst, dann musst du so denken, und dieses Gesetz erlassen, jenes andere und das andere auch noch...’. Auch heute gibt es die Diktatur des Einheitsdenkens, und diese Diktatur ist dieselbe wie jene dieser Leute: Steine nehmen, um die Freiheit der Völker zu steinigen, die Freiheit der Menschen, die Freiheit des Gewissens, die Beziehung der Menschen zu Gott. Und heute wird Jesus ein zweites Mal gekreuzigt“.

Die Mahnung des Herrn gegenüber dieser Diktatur sei immer dieselbe, so Franziskus abschließend: „Wachsam sein und beten, nicht dumm sein, keine Dinge kaufen, die zu nichts nützen, demütig sein und beten, dass uns der Herr immer die Freiheit des offenen Herzens schenke, um sein Wort zu empfangen, das Verheißung und Freude und Bund ist! Und mit diesem Bund vorwärtsgehen“.

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