Heftige 'One of Us'-Debatte in Brüsseler EU-Parlament

11. April 2014 in Aktuelles


Rechtswissenschaftler Puppinck: "Zwei Millionen Europäer haben öffentlich Zeugnis für den Wert des menschlichen Lebens abgelegt" - Voraus ging Ringen um Zusammensetzung des Podiums


Brüssel (kath.net/KAP) Die mit zwei Millionen Unterzeichnungen bisher erfolgreichste Europäische Bürgerinitiative (EBI), die Petition "One of Us" (Einer von Uns), ist am Donnerstag in einem offiziellen Hearing im Europaparlament diskutiert worden. "Zwei Millionen Europäer haben öffentlich Zeugnis für den Wert des menschlichen Lebens abgelegt. Sie wollten auch ihr Vertrauen in den demokratischen Charakter der europäischen Institutionen zum Ausdruck bringen", sagte der Präsident des "One of Us"-Komitees, der französische Rechtswissenschaftler Patrick Gregor Puppinck, vor den Parlamentariern in Brüssel.

Bei der Initiative geht es um den Ausschluss von Mitteln der EU-Forschungsförderung für Projekte, in denen Embryonen zerstört werden. "Jeder Embryo ist ein menschliches Wesen. Das Leben eines jeden Individuums beginnt bei der Empfängnis. Es verdient den Respekt ab den Moment seines Beginns", so Puppinck.

Die Vertreter der Initiative waren am Mittwoch mit 35 hochrangigen Beamten der EU-Kommission zusammengetreten. Dabei präsentierten sie ihre Forderungen im Bereich des EU-Rechts. Das Meeting wurde von der irischen Forschungskommissarin Maire Geoghegan-Quinn geleitet, die jedoch noch keine öffentliche Stellungnahme abgab.

Im Gegensatz dazu war das Treffen im Parlament öffentlich. Die Zusammensetzung der Redner am Podium war zunächst allein von Brüssel bestimmt worden. Im Vorfeld des Hearings kam es deshalb zu einer Kontroverse mit den Verantwortlichen der EBI, die den Organisatoren vom Europaparlament vorwarfen, die Tagesordnung zu einseitige und bürgerfeindlich bestimmt zu haben. Ursprünglich war Puppinck nur als einziger Redner seitens der EBI vorgesehen. Hingegen wurde Parlamentariern von Parteien der Sozialdemokraten und Linken ein "Experten"-Status zugewiesen.

Kritik daran kam u.a von der Österreich-Verantwortlichen von "One of Us", der Theologin und Juristin Gudrun Kugler von der Hochschule Trumau: "Wenn das Parlament uns zuhören will, dann darf nicht 80 Prozent der Redezeit an Parlamentarier gehen", so Kugler. Erst nach vehementen Protesten durfte "One of Us" zwei weitere Redner nominieren, die in ihren Beiträgen auf die beiden Hauptanliegen der EBI eingingen: Förderungsstopp für die umstrittene embryonale Stammzellforschung und Korrektur der EU-Entwicklungspolitik zugunsten der Gesundheit von Mutter und Kind.

Vor allem die zweite Forderung war am Donnerstag Gegenstand teils heftiger Auseinandersetzungen in Brüssel. Würde die Förderungspolitik der EU nämlich entsprechend reformiert werden, dürften einige Organisationen, die bisher Abtreibung durch Lobbying und Finanzierung gefördert haben, kein Geld mehr erhalten.

Politiker der SD-Fraktion und der Grünen-Fraktion versuchten das Hearing in eine Abtreibungsdebatte zu lenken. Konservative Abgeordnete betonten, dass die EBI kein Verbot der Abtreibung fordere, sondern nur ein Ende direkter oder indirekter finanzieller Förderung durch EU-Programme. Dies entspreche dem gemeinsamen Recht und solle die seitens der EU geleistete Entwicklungshilfe in jeder Hinsicht verbessern.

Die deutsche Menschenrechtsexpertin Sophia Kuby verlangte dazu eine Neudefinition des Leitbegriffs "reproduktive Gesundheit", wobei die sexuelle Gesundheit von Frauen und Männern unter Einbeziehung der noch ungeborenen Kinder zu berücksichtigen sei. Der polnische Abgeordnete (MEP) Konrad Szymanski sagte in Richtung der "One of Us"-Kritiker, dass "ungeborene Menschen weder die Wissenschaft noch das linke oder rechte politische Lager" gefährdeten. Es gehe hier "vielmehr um den Schutz jener von uns, die sich noch nicht selbst schützen können". Ewald Stadler unterstrich in seiner Wortmeldung, dass die Forderungen von "One of Us" im Wesentlichen auf eine Konformität der EU-Politik mit dem Urteil des EuGH zur Patentierbarkeit menschlichen embryonalen Lebens abzielten.

Gudrun Kugler zeigte sich am Donnerstag zuversichtlich, dass sich das Parlament trotz des Endes der Legislaturperiode in Zukunft ernsthaft und konstruktiv mit dem Inhalt dieser bisher erfolgreichsten EBI beschäftigen werde. Für Österreich forderte die Juristin erneut eine bessere Umsetzung des neuen Instruments der EBI ohne unnötige bürokratische Hürden. Im Vergleich zu allen anderen EU-Staaten sei sowohl das Sammeln der Unterstützungen als auch die Verifizierung derselben durch die österreichische Vorschriften besonders erschwert und zudem restriktiv gehandhabt worden.

Kritisch äußerte sich Kugler auch zur Dialogbereitschaft mancher Beteiligter am heutigen Hearing. So habe sie die Haltung der österreichischen Grünen-Spitzenkandidatin Ulrike Lunacek als "sehr enttäuschend" empfunden. Lunacek habe erklärt, die Unterstützer der EBI seien "religiös einseitig" und "intolerant". Damit habe sie offenbar versucht, "die bisher erfolgreichste Bürgerinitiative zu diskreditieren", meinte Kugler.

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