Kirche und Medien: Ein gespanntes und spannendes Verhältnis?

28. April 2014 in Kommentar


Heutzutage kann es gefährlich sein, angstfrei und maßstabsgetreu kritische Anmerkungen zu machen. Denn die Medienwelt, die sich alles erlaubt und zu erlauben scheint, mag es so gar nicht, selbst kritisch beleuchtet zu werden. Von Martin Lohmann


Rom (kath.net) Den Vortrag „Kirche und Medien: Ein gespanntes und spannendes Verhältnis?“ hielt der K-TV-Chefredakteur und Autor Martin Lohmann am 26.4.2014 vor der Katholischen Akademischen Verbindung Capitolina (K.A.V. Capitolina) im Collegio Teutonico di Santa Maria dell'Anima.

Mir scheint, als hätten Sie mir heute kein passenderes Thema stellen können, als ausgerechnet dieses. Andererseits ist es aber auch vielleicht das unpassendste Thema, das ich heute behandeln darf. Passend, weil die vergangenen Monate wieder einmal unglaublich viel aktuellen Stoff geliefert haben, der sich auf unserer Suche nach der Beantwortung der Frage, ob es sich um ein gespanntes oder um ein spannendes Verhältnis handelt, als sehr hilfreich und zielführend erweisen könnte. Vermutlich könnte jeder von uns zustimmen, wenn wir zu dem Ergebnis kommen, dass es sich um ein spannendes und zugleich ein gespanntes Verhältnis handelt.

Aber unpassend ist die Themenstellung ebenfalls, jedenfalls für den Referenten, der sich – und wer wollte das ernsthaft bezweifeln – auf ein Minenfeld begibt. Denn es kann heutzutage gefährlich sein, angstfrei und maßstabsgetreu kritische Anmerkungen zu machen. Die Medienwelt, die sich alles erlaubt und zu erlauben scheint, mag es so gar nicht, selbst kritisch beleuchtet zu werden. Und wenn gar ein Mitglied dieser Zunft die Kühnheit besitzt, frei über mögliche Missstände in seiner eigenen Zunft zu reden, nur weil er sich auch da keinem Denk- und Redeverbot beugen will, begeht er – um diesem heiligen Ort sprachlich die Ehre zu erweisen – mindestens eine schwere Sünde.

Auf Vergebung darf er da nicht hoffen, denn obwohl man die Beichte medial zu imitieren und persiflieren versteht, gilt doch: Auf Lossprechung und Vergebung wartet der Kritiker der angeblich so kritischen und kritikfreudigen Zunft immer vergebens. Die gibt es nicht. Vielleicht auch deshalb nicht, weil – um theologisch sauber zu sein – die Vergebung und das Löschen der Sünden ja Reue und Umkehr voraussetzt, womit ich nicht dienen kann in unserem Fall. Zudem geschieht Vergebung immer durch Gott allein, und Medien sind beileibe kein Gottersatz. Umkehr und Reue setzen – um einen Moment im Bild zu bleiben – wiederum die Erkenntnis voraus, eine Sünde begangen zu haben. Die aber kann ich hier nicht erkennen, wenn ich im Rahmen dieser unserer Überlegungen über Kirche und Medien Falsches als falsch, Perfides als perfide und Unwahres als unwahr bezeichnen werde. Vielleicht, weil ich noch weiß, was mit dem Wort Sünde, das übrigens auch in den Medien eher unpassend und bisweilen missbrauchend eingesetzt wird, letztlich gemeint ist.

Das mag jetzt für manche selbsternannten Moralapostel medialer Selbstgerechtigkeit und angemaßter Unfehlbarkeit geradezu unerhört sein, lohnt sich aber, gehört zu werden. Warum? Weil es sich um ein spannendes und gespanntes Verhältnis handelt, das wir – beileibe nicht erschöpfend – ein wenig beleuchten wollen. Inwieweit kirchliche Vertreter längst auch schon kontaminiert sind vom Virus der Maßstabslosigkeit und wie sehr sie möglicherweise zu willfährigen Handlangern schräger Klischees geworden sind oder diese bedienen, soll ebenfalls erhellt oder zumindest angedeutet werden. Wie auch viel Gutes, das sich seit einem halben Jahrhundert glücklicherweise für das Verhältnis prägend entwickelt hat. Wir wollen in einigen Schritten skizzenhaft versuchen, dem unendlichen Thema – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – ein wenig nachzuspüren:

- Was sagt die Kirche zu Medien?
- Was sagen Medien über Kirche?
- Was ist Wirklichkeit?
- Was sagt uns das heute?

Um mit dem Guten zu beginnen: Es ist schön, wie sehr die Kirche und viele Christen heute selbstverständlich in den Medien präsent sind. Es ist gut, dass man heute nicht mehr automatisch als spinnerter Exot gilt, wenn man sich bemüht, auch in strittigen Fragen Flagge zu zeigen und sich zu Christus und der Wahrheit bekennt. Obwohl! Ich kann auch aktuelle Gegenbeispiele nennen, quasi aus Erstanschauungssicht. Es ist halt alles weder nur schwarz noch nur weiß. Und von sympathischen Vorabendserien mit netten Ordensfrauen oder mutigen Pfarrer Brauns will ich gar nicht erst anfangen.

Am Vorabend der Heiligsprechung von zwei Päpsten, die das Tor zur Medienwelt selbstbewusst und hoffnungsfroh öffneten, springt es regelrecht ins Auge, dass Johannes Paul II. wie kein anderer der Kirche und der Welt gezeigt hat: Es gibt keinen Grund zur Angst vor den Medien. Was Paul VI., der übrigens den Mediensonntag einführte, über Medien sagte, lebte Johannes Paul II. nahezu perfekt. Er wusste die Medien zu nutzen, verfiel aber nie dem Aberglauben, sich auf die Medien verlassen zu können. Nicht nur die Päpste wussten und wissen, dass die Medien als solche weder gut noch böse sind, sondern entweder gut genutzt oder böse missbraucht werden können. Paul VI. erlebte ebenso wie seine Nachfolger, dass es Medienkampagnen gibt, die nicht ohne Wirkung bleiben. Bis heute hat etwa die mediale Einseitigkeit gegen Pius XII. und sein angebliches Versagen eine böse Einschüchterungswirkung bis hinein in die Kirche. Leider. Und: tragisch.

Und Paul VI. wird bis heute – aufgrund der Macht der Medien und ihrer gezielten Einseitigkeit – übel missverstanden zum Beispiel mit seiner prophetischen und mutigen wie nach wie vor menschengerechten Enzyklika Humanae vitae – bis hinein in die Kirche selbst. Gestatten Sie mir diese Anmerkung: Da lugt bereits eines der Probleme im Spannungsverhältnis von Kirche und Medien beziehungsweise von den Medien gegenüber der Kirche hervor: Wenn man feststellen muss, dass diese Enzyklika, in der vieles vorhergesehen wurde und die sich an heute eigentlichen modernen Maßstäben der Nachhaltigkeit und der Ökologie des Menschen, wie es Benedikt XVI. im Deutschen Bundestag treffsicher formulierte, viel diskutiert wurde und wird, dabei nach wie vor ein negatives Urteil gleichsam automatisch hervorruft – ohne dass viele der dieses Dokument so einfach Bewertenden es überhaupt gelesen haben. Übrigens: Außerhalb wie innerhalb der Kirche. Klischeeschublade auf. Schublade zu. Das macht Nachdenken und Differenzierung so scheinbar überflüssig.

Von Paul VI. zu Johannes Paul II. Er wurde mit seiner Marienfrömmigkeit und seinem selbstverständlichen Festhalten an der Lehre der Kirche jahrelang gerade von deutschsprachigen Medien übel verfolgt. Wohlgemerkt, nachdem man ihm, dem damals jungen Papst, etwa knapp zwei Jahre auch im deutschen Sprachraum nach Pontifikatsbeginn zugejubelt hatte und endlich die Wende in der Kirche zu riechen schien. Ja, seine – um hier den Bogen gezielt zu Paul VI. zu schlagen – ebenso freie wie befreiende Theologie des Leibes, mit der er alle Klischees der Verklemmtheit wegriss und die Lehre von verantworteter Schönheit der Sexualität von allen nichtkatholischen Verkrustungen befreite, hat es bis heute selbst in der katholischen Kirche deutscher Sprache schwer, überhaupt einmal gelesen, wahrgenommen und verstanden zu werden.

Und an dieser Stelle, wo Ihr geliebter Bundesbruder Joseph Kardinal Ratzinger so häufig zugegen war und geredet hat, brauche ich wohl nicht eigens zu betonen, wie sehr gerade Medien dem sensiblen Papst Benedikt zugesetzt haben, weil er nicht deren Diktat folgte, sondern an der Treuhandschaft gegenüber Jesus Christus festhielt. Ich fürchte, dass wir – weil es wie gesagt beim damals noch jungen und so anderen Papst Johannes Paul II. ebenso war – auch erleben werden, wie unser medial begnadeter Papst Franziskus in Ungnade fallen wird, wenn sich herumspricht, dass er katholisch ist. Noch wird viel auf ihn an eigenen Vorstellungen und Hoffnungen projiziert. Noch bekommen manche gar nicht mit, dass er zum Beispiel immer wieder vom Teufel spricht, den wir doch in den 70er Jahren als abgeschafft wähnten, dass er die Abtreibung geißelt – und, man höre und staune, neulich sogar den Medienleuten ins Gewissen geredet hat. Starker Tobak, den Franziskus da anbot.

Papst Franziskus (so zu lesen in der KNA) warnte vor Werteverfall und Qualitätsverlust in den Medien und meint, Desinformation, Verleumdung und Rufmord seien ihre „drei größten Sünden“ [Anm. d. Red.: kath.net hat berichtet]. Desinformation bedeute, nur die halbe Wahrheit zu sagen. Dadurch sei es für die Mediennutzer, also uns, unmöglich, sich ein ausgewogenes Urteil zu bilden. Der in den Medien so beliebte Papst prangert sensationslüsterne und entwürdigende Berichterstattung an, vermisst häufig den „den gebotenen Respekt für die betreffenden Personen und Werte“. Und Franziskus hofft auf katholische Medien, die doch anders sein sollten. Bei ihnen müsse deutlich werden, dass menschliche Schicksale nicht instrumentalisiert würden.

Man höre und staune: Der medial so begabte Franziskus sieht das „mediale Ökosystem“ als bedroht durch eine Art von „Umweltverschmutzung“:

„Leider haben sich die Leute daran gewöhnt, durch das Radio und das Fernsehen verschmutzte Luft einzuatmen, die nicht gut tut“. Katholische Medien müssten den Menschen „Sauerstoff für Geist und Seele“ geben. Dafür sei neben handwerklicher Professionalität auch eine Haltung nötig, die im anderen den Nächsten sehe.

Auch katholische Sender hätten teil an der Aufgabe der Kirche, „barmherziger Samariter“ zu sein. Als katholische Medien hätten sie Stimme einer Kirche zu sein, die keine Angst davor habe, „menschliche Wüsten“ aufzusuchen, so der Papst.

Das freilich erfordert Mut und Überzeugung. In manchen katholischen Publikationen erschien so gesehen wenig später ein wenig davon, nachdem der Papst Abtreibungen als „verabscheuungswürdige Verbrechen“ verurteilte. Er sprach im Vatikan von einem „direkten Anschlag auf das Leben“, dem man mit „entschiedenstem Widerstand“ entgegentreten müsse. Jeder Christ sei aufgerufen, „mit Mut und Liebe das Leben in allen seinen Phasen zu schützen“. Muss ich Sie jetzt eigentlich fragen, ob die säkularen Medien, die jeden Halbsatz des Papstes gegen die Armut auf die Seite Eins bringen, diese starken Sätze zitiert haben?! Nur so nebenbei: Mit diesen unmissverständlichen Mahnungen gegen Abtreibung und Euthanasie folgt Franziskus seinen Vorgängern und dem Zweiten Vatikanischen Konzil.

Mag sein, dass wir hier an einer ersten Sollbruchstelle zwischen Kirche und Medien sind. Denn die Kirche hat ein ganz klar definiertes Menschenbild – mit einer vorgegebenen Unantastbarkeit des Lebens eines jeden Menschen. Ihre Botschaft kommt von oben, ist eine von Gott geoffenbarte, orientiert sich nicht an Verkaufszahlen und Mehrheitsbeschlüssen. In ihr steckt vermeintlich Unbequemes, Unmodernes, Kantiges, Sperriges. Verkündet die Botschaft – sei es gelegen oder nicht. Das passt nicht automatisch zur Medienwelt, die es mit der schnellen Nachricht und dem raschen Verfallsdatum zu tun hat – und in der es heute mehr denn je um Klick- und Verkaufszahlen geht. Weniger um Wahrheit. Weniger um Wahrheit?

Die Frage erinnert an den Wahlspruch Ihres Gründungsvaters und Bundesbruders Ratzinger/Benedikt: Cooperatores Veritatis – wir sind Mitarbeiter der Wahrheit. Allein die Frage, ob Medienleute das ebenfalls sind oder sein sollten, offenbart eine Kluft, die so einfach nicht geleugnet werden kann. Allenfalls kann es hier um das Miteinander von geoffenbarter Wahrheit und veröffentlichter Wirklichkeit gehen. Die Ansprüche dieser beiden sehr ungleichen Partner – hier Kirche, dort Medien – bleiben letztlich sehr unterschiedlich, sehr verschieden.

Aber: Medien bestimmen unser Leben. Eigentlich haben sie die Aufgabe, die Wirklichkeit so abzubilden, wie sie ist. Das, was über Medien transportiert wird, ist ein Abbild der Wirklichkeit. Eigentlich. Wenn alles richtig funktioniert, ist die durch Medien vermittelte Wirklichkeit – als Abbild von der Primärwirklichkeit – eine sekundäre. Doch die Macht der Medien ist längst viel größer, als Medienleute selbst in nicht ganz geglaubter und doch stets gerne bekundeter Bescheidenheit bekunden.

Vielfach wird heute die Frage gestellt, wer eigentlich was prägt: die Wirklichkeit die Medien oder die Medien die Wirklichkeit. Unbestritten ist, dass der Einfluss der Medien auf unser Denken und Erkennen schon reichlich groß ist. Vielfach ist es so, dass es im Bewusstsein der Menschen all das kaum gibt, was in den Medien nicht vorkommt. Oder umgekehrt: Was in den Medien behauptet wird, muss es ja auch geben. So kommt es, dass die Sekundärwirklichkeit die Primärwirklichkeit prägt – als eine wahrgenommene Realität, die sich an dem orientiert, was medial vermittelt wird. Wie von selbst tauchen hier Fragen auf, die einer Beantwortung harren. Es sind Fragen nach der Glaubwürdigkeit, nach Verantwortung und Wahrheitsverpflichtung, und vor allem ist es die Frage nach dem Verhältnis von Freiheit und Verantwortung. Und schließlich: Sind die in solcher Weise in den Medien Verantwortlichen ausreichend der aufgeklärten Vernunft verpflichtet? Welche Rolle spielen bei denjenigen, die so gerne ihre Aufgabe als Aufklärer benennen und dabei ihre Unabhängigkeit reklamieren, Vernunft und Wertorientierung?

Die Frage war: Mitarbeiter der Wahrheit - gilt das auch für Medienleute? Geht das überhaupt angesichts der erkennbaren Wirklichkeit, dass sich da zwei sehr unterschiedliche und vom Auftrag her sehr verschiedene Größen mitten in der Welt begegnen: hier die an Schnelligkeit interessierte und geradezu nach Verfallsdaten süchtige Informationswelt mit ihrer Fixierung auf alles, was schiefgeht und nicht funktioniert; dort eine gegen Schnelligkeit gerichtete und auf Ewigkeit gebuchte Institution mit dem Anspruch einer Wahrheit ohne Verfallsdatum? Wie soll das zusammengehen, wenn einerseits alles, sobald es veröffentlicht ist, zum längst überholten Gestern gehört und seinen Anspruch auf Gültigkeit verliert, und andererseits das aus dem Gestern Geholte beansprucht, auch morgen und übermorgen gültig zu sein?

Das Verhältnis zwischen Kirchen und Medien war nie ein ganz ungetrübtes oder spannungsfreies. Es brauchte lange, bis man sich überhaupt zur Kenntnis genommen hatte. Im Oktober 1978 war der Vatikan noch unfähig zu einem Bulletin zu den Todesursachen des 33-Tage-Papstes. Heute unterhält der Vatikanstaat nicht nur einen Radio- und einen Fernsehdienst, das Pressebüro wird sogar um einen immer aktuellen Internet-Auftritt ergänzt. Die Zeiten ändern sich.

Aber vermutlich wird das wie auch immer geartete Miteinander nie ganz ohne Spannungen funktionieren, weil die jeweiligen Auftragslagen nicht identisch sein können. Schließlich tut es der Kirche immer wieder gut, wenn sie, wenn nicht zuletzt ihre Amtsträger kritisch begleitet werden. Nicht nur Limburg lässt grüßen. Aber umgekehrt tut es auch den Medien gut, wenn sie bei ihrem raschen Kratzen an vielen Oberflächen und bei ihrer Versuchung zur Oberflächlichkeit gestoßen werden auf Wesentliches, auf Wurzeln, die das Handeln braucht, wenn man der Verantwortung in aller Freiheit gerecht werden will.

Es ist in diesem Zusammenhang nicht uninteressant, was Benedikt XVI. zum 40. Welttag der sozialen Kommunikationsmittel, also dem Mediensonntag 2006 schrieb. Er sieht eine Reihe von Herausforderungen für die Medien, die sich heute ergeben. Die »verschiedenen Instrumente sozialer Kommunikation ermöglichen zwar den Austausch von Information, Ideen und gegenseitiges Verstehen«, seien aber »von Doppeldeutigkeiten betroffen«. Gewisse Tendenzen verursachten »in den Medien eine Art Monokultur, die kreatives Talent dämpft, die Subtilität komplexen Denkens reduziert und die Besonderheit kultureller Verhaltensweisen und religiösen Glaubens unterbewertet«. Das sind nach Benedikts Überzeugung »Verzerrungen, die sich ergeben, wenn die Medien-Industrie zum Selbstzweck wird oder nur gewinnorientiert arbeitet und den Sinn für die Verantwortlichkeit gegenüber dem Gemeinwohl verliert«.

Mitarbeiter der Wahrheit. Nun ja, man könnte – siehe zum Beispiel die Diskussion um die Pille danach, siehe das Nein zu Tötungen noch nicht geborener Kinder, siehe die vorgetragene Kritik an und das Nein gegen eine Unkultur des Tötens – auch festhalten, es ist gefährlich, schädlich, auch innerhalb der eigenen Kirche aufgrund verbreiteter Feigheit und feigem Sich-Duckens, wenn man etwa als katholischer Journalist die Wahrheit sagt und sich dem Druck der veröffentlichten Einheits-Masse, die gar nicht so einheitlich ist, nicht beugt, sondern das konsequente Ja zum Leben einfordert. Über manchem Kapitel zum Thema Kirche und Medien könnte auch die Überschrift stehen: Wehe, du sagst die Wahrheit! Wahrheitsbekenntnisse können bisweilen ganz schön einsam machen – partiell, und wohlgemerkt nicht im Blick auf viele Gläubige, aber eben auch innerhalb der wahrheitsverpflichteten Kirche, in der es zu viele Angstträger statt mutige Amtsträger gibt. Doch das ist ja – wir erinnern uns noch an die Karwoche – durchaus „normal“ im Team der sich zu Christus Bekennenden. Und niemand sollte den Fehler machen, Hirten für immer unfehlbar und stets frei von Schwachheit zu halten oder gar diese allein als Kirche zu anzusehen. Misericordiam volo - hat der Herr einmal gesagt. Das gilt auch hier.

Vorsicht! Vermutlich habe ich jetzt etwas ganz Unmögliches gemacht mit diesem Hinweis. Aber durchaus absichtlich, weil sich an einem ganz aktuellen Fall dieser Art beleuchten lässt, wie sehr es doch Spannungen und Verantwortungslosigkeiten in bestimmten Kirche-Medien-Dingen gibt. Der Boulevard-Journalismus, der ja heute längst überschwappt in sogenannte Qualitätsmedien, hatte seine kleine österliche Skandalgeschichte, als der als böse abgestempelte Bischof Walter Mixa sich erlaubte, gegenüber der „Bild am Sonntag“ Verständnis für seinen Amtsbruder Tebartz-van Elst zu zeigen. Menschlich eine vornehme Geste, aber eben zur falschen Zeit am falschen Ort vom falschen Mann zum falschen Mann – so möchte man sagen. Und schon lasen wir die Schlagzeile: Mixa vergleicht Tebartz mit Jesus. Schublade auf, Schublade zu. Das Klischee passte mal wieder.

Denn der medial unmöglich gemachte Mixa, dessen angeblich schlimmen Vergehen sich bei näherem Hinsehen als weitgehend nichtig erwiesen – aber wen interessiert das schon noch, nachdem er doch „erfolgreich“ geschasst wurde! –, hatte sich mit dem ebenfalls „erfolgreich“ entlassenen sogenannten „Protzbischof“ verbündet. Dabei hat Mixa keineswegs Tebartz-van Elst mit Jesus verglichen, sondern – was jedem anderen als ganz normale christliche Haltung abgenommen worden wäre – auf Jesus hingewiesen, was man übrigens, wenn man nicht gerade Mixa heißt, in so vielen Lebenslagen tun kann und auch sollte: „Ich kann mir gut vorstellen, dass sich mein bischöflicher Mitbruder ganz aktuell in einem Gemütszustand großer Verlassenheit und Traurigkeit befindet. Da hilft der Glaube und das Wissen darum, dass Jesus Christus selbst, der ohne Sünde gewesen ist, dennoch ungerechtem Urteil und dem Spott der Menge ausgesetzt war.“ Lassen wir mal beiseite, ob das eine glückliche Aussage von Mixa war – ein direkter Vergleich mit Jesus ist es allemal nicht.

Lassen Sie uns aber auch einen Blick in kirchliche Dokumente werfen, wenn es um Kirche und Medien geht. Anspruchsvoller Maßstab - vor allem für eine innerkirchliche Medienentkrampfung - bleibt die von Paul VI. unterschriebene Pastoralinstruktion Communio et Progressio, ein Papier, das wegen seiner Qualität und wegen der Ängstlichkeit, auf die es auch viele Jahre nach Erscheinen (Mai 1971) innerhalb der Kirche noch immer stößt, nicht häufig genug in Erinnerung gerufen werden kann.

In dieser vielfach offensichtlich ungeliebten Charta des Medienverhältnisses von Kirche finden sich erstaunliche Sätze, die offenbar nur schwer dem Vergessen entrissen werden können. Mutet es nicht angesichts mancher Entwicklungen in der Kirche wie Hohn an, wenn es in Communio et Progressio heißt: „Wenn die Kirche lebendig sein will, muß es zwischen kirchlichen Autoritäten auf jeder Ebene, katholischen Einrichtungen und allen Gläubigen einen ständigen, wechselseitigen und weltweiten Fluß von Informationen und Meinungen geben“? Klingt es nicht geradezu revolutionär, wenn damals gefordert wurde, Geheimhaltung in der Kirche unbedingt zu begrenzen? Und mag es nicht einer der Gründe für falsche Berichterstattung über die Kirche sein, dass innerhalb der Kirche viel zu wenig gepflegt wird, was Communio et Progressio bereits 1971 so verlangte: „Als lebendiger Organismus bedarf die Kirche der öffentlichen Meinung, die aus dem Gespräch ihrer Glieder erwächst. Nur dann ist in ihrem Denken und Handeln Fortschritt möglich. (...) Darum müssen Katholiken sich völlig dessen bewußt sein, daß sie wirklich die Freiheit der Meinungsäußerung besitzen. (...) Die verantwortlichen kirchlichen Obrigkeiten werden dafür sorgen, daß sich innerhalb der Kirche auf der Basis der Meinungs- und Redefreiheit der Austausch legitimer Ansichten lebendig entfaltet.“

Was uns da alles so einfallen könnte: Limburg, wo ein Bischof seiner Verantwortung nicht gerecht wurde und sich größtenteils selbst ins Aus kickte. Aber auch Baukosten in anderen Diözesen, ganz zu schweigen vom Weltbild-Skandal, wo man mal gerne wüsste, wer für das Verbrennen welcher großer Millionensummen aus Kirchensteuern verantwortlich zeichnete und entsprechend Konsequenzen tragen müsste!

Auch das Folgedokument von Communio et Progressio, die vatikanische Pastoralinstruktion Aetatis Novae (1992, unter Johannes Paul II.) verdient in diesem Zusammenhang Beachtung. Das heißt es uner anderem: "Die Medien können in der Tat genauso dazu verwendet werden, das Evangelium zu verkünden wie es aus den Herzen der Menschen zu verdrängen. Je enger sich die Verflechtung der Medien mit dem Alltagsleben der Menschen gestaltet, um so nachhaltiger beeinflussen sie deren Verständnis vom Sinn des Lebens. Die Macht der Medien reicht so weit, daß sie nicht nur Denkweisen, sondern sogar den Inhalt des Denkens beeinflussen.“

Für viele Menschen entspreche die Wirklichkeit dem, was die Medien als wirklich ausgeben, und „alles, was die Medien nicht ausdrücklich anerkennen, scheint bedeutungslos zu sein“. Wenn die Kirche mit der modernen Welt ins Gespräch kommen wolle, müsse sie mit „den Verantwortlichen der Medien einen aufrichtigen und von Achtung bestimmten Dialog führen können“. Von der Kirche verlange dieser Dialog, dass sie „sich um das Verständnis der Medien - ihrer Ziele, internen Strukturen, Formen und Arten - bemüht und jene unterstützt und ermutigt, die dort arbeiten“.

In den offiziellen römischen Texten werden Wagenburgdenken und Angst vor den Medien nicht legitimiert, eher das unverkrampfte Zugehen auf die Welt der Medien. Das bedeutet dann auch, mit Entstellungen und Unverständnis leben zu können. Und das bedeutet auch, nüchtern anzuerkennen, dass die Kirche nicht geeignet ist, zum Schmusepüppchen der schnellen Medienwelt zu werden.

Und da kann viel schief gehen. Wer da der Schuldige ist, wer wem liebedienerisch hinterherläuft oder in welche Medienfallen welcher Kirchenvertreter wie hineinfällt, können wir hier nicht endgültig klären. Wie spannungsgeladen aber bisweilen die Wahrnehmung auch bei Medienleuten ist und den Blick auf die Wirklichkeit zu verstellen in der Lage ist, macht ein aktuelles Beispiel deutlich. Nach der Annahme des Rücktrittsgesuches des Limburger Bischofs wurde ich im Deutschlandfunk am Ende des Tages interviewt. Und der Kollege stellte mir, nachdem ich keinen Zweifel am Fehlverhalten des Bischofs gelassen hatte, auch die Frage nach den Medien und ob es dort eine Kampagne gegen den Bischof gegeben habe. Ich wiederholte meine Kritik am Bischof, aber ich verwies auch darauf, dass es schon auch (!) – in Worten: auch – eine Kampagne gegen ihn gegeben hatte, er als „Protzbischof“ abgestempelt wurde und man den auch einem fehlbaren Bischof gegenüber geschuldeten Respekt als Mensch vermissen konnte. Fairness und Maßstabsgerechtigkeit hätte ich nicht erkennen können. Und ich hielte es für problematisch, dass Medien zeitgleich Ankläger, Staatsanwalt und Richter zu sein versuchten.

Die Quittung für diese Differenzierung in aufgeheizter Debatte kam sofort: In zahlreichen Zeitungen – erst online, sogar schon während der Nacht unmittelbar nach dem gesendeten Interview – wurde frech und falsch behauptet, Lohmann sehe Tebartz-van Elst ausschließlich als Opfer einer Medienkampagne. Hatte ich zwar nicht behauptet, aber es passte so schön ins Klischee. Offenbar waren manche schlechten Gewissen – immerhin: es gibt sie dann noch – reflexartig angesprochen worden. Gut, dass wenig später sowohl der Mainzer Medienwissenschaftler Kepplinger als auch der Mainzer Bischof Lehmann Ähnliches sagten wie der katholische Journalist, der es gewagt hatte, auch (!) etwas Kritisches über Medien zu sagen. Kardinal Lehmann sprach sogar von einer Hetzkampagne.

Es bleibt dabei: Vorsicht! Minenfeld. Vieles davon ist sicher Verblendung und die mangelnde Bereitschaft säkularer Medien, sich mit der bisweilen anspruchsvollen und komplexen Thematik sorgfältig zu befassen. Und die sogenannten katholischen Medien? Ich kann das nur andeuten. Hier gibt es viel mangelnden Mut, viel Schielen nach den großen Kollegensystemen in den säkularen Medien und manche Ignoranz. Als Vorsitzender des Bundesverbandes Lebensrecht (BVL), der seit Jahren den Marsch für das Leben in Berlin organisiert, reibe ich mir immer wieder die Augen, wie falsch – und zwar zu Ungunsten des Lebens und seiner mutigen Bekenner – auch katholische Nachrichtenagenturen über dieses Engagement berichten. Da wird schon mal alleine die Teilnehmerzahl drastisch nach unten „korrigiert“, weil man eine Null vergisst und aus 4500 Teilnehmern mal eben so 450 werden. Ein zugegebenermaßen nicht geringer Unterschied, oder?! Wo ist das Unterscheidende der katholischen Medien? Die oben zitierten Ansprüche an katholische Medien werden nämlich so freilich nicht ansatzweise erfüllt, wenn diese nicht qualitätsvoller, anspruchsvoller und mutiger an der Wirklichkeit orientiert berichten als andere. Dafür werden sie wahrlich nicht gebraucht.

Oder ist es vielleicht Angst, die generell vorherrscht? Möglich. Zumindest kann der Verdacht entstehen, wenn man aus kirchlichen Pressetellen vernimmt, dass selbst gestandene Prälaten ihre „eigenen“ Leute davor warnen, Medienschelte zu betreiben. „Bloß nicht!“ Diese Angst könnte eine Erklärung für manche Spannungsbögen sein. Begründet mag sie sein. Berechtigt aber nicht. Jedenfalls, wenn die Sache von der Mitarbeit an der Wahrheit noch ein wenig gelten soll.

Welche Bedeutung hat eigentlich das Wort oder – im vergleichbaren Sinne mit dem Wort - das Bild heutzutage? Der große Philosoph und Thomas-Kenner Josef Pieper sagt, Wort und Sprache seien das Medium, „in welchem die gemeinsame geistige Existenz insgesamt sich abspielt. Im Wort vor allem trägt mitmenschliches Dasein sich zu und demnach kann, wenn das Wort verdirbt“, so Piper, „das Menschsein selber nicht unberührt und unversehrt bleiben. Im Wort wird Realität deutlich“, man redet, um in der Benennung etwas Wirkliches kenntlich zu machen, kenntlich für jemanden natürlich und darin liegt der Mitteilungscharakter der Sprache.

Die „Möglichkeiten des Wortgebrauches sind von Natur darauf angelegt“ – ich bleibe bei Josef Pieper – „das Vehikel wahrhaft menschlicher Rede zu sein, also darauf angelegt, Wirklichkeit kenntlich zu machen und mitzuteilen. Und ich glaube, es wäre völlig ungerecht zu behaupten, diese eigentliche Bestimmung des Wortes werde im durchschnittlichen Fall verraten und verfehlt. Dennoch ist evident, dass die Gefahr der Korrumpierung wächst, je verführerischer die Chance des möglichen Erfolges wird. Gefährdet ist aber dann nicht ein partikulärer Sektor, die Publizistik oder das Fernsehen oder der Rundfunk, sondern dann ist das gemeinsame Leben der Menschen insgesamt gefährdet, das sich ja notwendig im Medium des Wortes vollzieht. Was droht ist dann, kurz gesagt, der Verfall der Kommunikation überhaupt und das öffentliche Unkenntlichwerden von Wirklichkeit und Wahrheit.“

Medien sind und müssen - frei nach Pieper - Mittler bleiben. Doch sogleich stellt sich die weitere Frage, ob sich das Geistige nicht zunehmend dem Sinnlichen verflüchtigt, ob das Wort nicht mehr und mehr vom Bild beherrscht wird, das Klischee und der Wunsch der Wirklichkeit und ihrem Anspruch weicht. Die Frage gewinnt an Brisanz, wenn nicht mehr die Vermittlung und der Adressat im Mittelpunkt stehen, sondern wenn die Vermittlung zum Mittel und für andere zum Beispiel zum rein ökonomischen, materiellen, finanziellen Zweck verkommt.

Es stimmt schon, wird aber von uns Medienleuten allzu rasch übersehen oder gar vergessen: Die Würde des Menschen hat auch etwas mit der Würde des Wortes zu tun. Eine wichtige These aus den Lehren Platons sagt, dass die Entartung der politischen Herrschaft untergründig zusammen hänge mit dem sophistischen Missbrauch des Wortes, und dass sie sich verborgen sogar darin vorbereite, so dass die latente Virulenz des totalitären Giftstoffes geradezu abgelesen werden könnte am Symptom des publizistischen Mißbrauchs der Sprache. Erstaunlich, was da aus alten Zeiten an Erkenntnis zu uns herüberschwappt, oder?

Die Formulierungen sind zwar sehr alt, könnten aber auch aus dem Heute stammen. Hochaktuell sind sie allemal. Was ich hier sage, entspricht zwar auch meiner Überzeugung, ist aber nicht von Martin Lohmann, sondern vom Meister Platon. Lassen wir also Josef Pieper, den Kenner Platons, noch einmal zu Wort kommen: Und auch die Entwürdigung des Menschen durch den Menschen, die in den physischen Gewaltakten der Tyrannis für jedermann alarmierend zu Tage tritt - das waren die Konzentrationslager und Folter, die es bis heute gibt -, beginnt bereits, freilich weit weniger alarmierend in jenem kaum wahrzunehmenden Augenblick, da das Wort seine Würde verliert.

Josef Pieper, den ich hier zitiere, sagt, drei Dinge folgern daraus:

1.)
Die Dinge so viel als möglich sehen, wie sie sind und aus der so ergriffenen Wahrheit – Wahrheit ist ja nichts, das da irgendwo schwebt, sondern Wahrheit ist das sich Zeigen von Realität. Also aus der so ergriffenen Wahrheit leben und wirken, darin liegt das Gut des Menschen, darin besteht ein sinnvolles menschliches Dasein.

2.)
Vor allem, auch das gilt für Medienleute, von der Wahrheit nährt sich der Mensch, nicht nur der Erkennende, der Wissenschaftler, der Philosophierende, sondern der immer als Mensch zu leben begehrt, ist auf diese Nahrung angewiesen.

Und 3.)
Der natürliche Ort der Wahrheit ist das Miteinander-Reden der Menschen. Wahrheit ereignet sich im Dialog, in der Diskussion, im Gespräch, in der Sprache also jedenfalls und im Wort. Und so gründet die Ordnung des Daseins - gerade auch des gesellschaftlichen Daseins – wesentlich darin, daß die Sprache in Ordnung ist, dass sie stimmt.

Es ist wichtig, in diesem Moment darauf hinzuweisen, dass die Würde nicht irgendetwas ist, über das man demokratisch abstimmen kann. Johannes Paul II. nennt es in seiner Enzyklika Redemptor Hominis die Königswürde, die der Mensch hat. Ich bleibe davon überzeugt: Der Artikel 1 des Grundgesetzes „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ ist bei genauerem Hinsehen so etwas wie die komprimierteste Anweisung und Anleitung für journalistisches Handeln. Die Würde ist weder teilbar noch abstufbar. Entweder gibt es die Würde des Menschen ganz – oder gar nicht. Ich glaube, dass wir uns darauf immer wieder neu besinnen müssen. Wenn Gott Mensch wird, dann zeigt sich erst die ganze Würde des Menschen. Das gilt für jeden Menschen, der in diese Welt kommt: Er erhält diese Würde nicht durch uns, nicht durch Menschen, sondern bringt sie als Mensch mit. Die Menschwerdung Gottes sichert dem Menschen eine unersetzliche und unantastbare Menschenwürde, vor allen einzelnen Menschenrechten.

Bei den Medien geht es also immer und schließlich um die Würde des Menschen. Es scheint mehr und mehr klar zu sein oder mehr und mehr nötig zu werden: In unseren Tagen muss dieses Wissen um die Würde des Menschen besonders verteidigt werden. Überall wird der Mensch rücksichtslos erniedrigt, es wird ihm buchstäblich das Gesicht zerschlagen und so die Würde genommen. Vor allem jede Anwendung von Gewalt missachtet die Würde des Menschen.

Was wir heute brauchen in dieser Zeit sind mutige Nonkonformisten in den Medien, die noch wissen, dass Freiheit Verantwortung braucht und Verantwortung nur in Freiheit existieren kann. Wir brauchen in den Medien Mut zur Qualität – statt Quote. Wir brauchen gelegentlich auch mal den Mut zur Quote durch Qualität. Nicht um jeden Preis Qualität durch Quote ersetzen! Was wir brauchen ist der Mut zur Achtung der Würde, der Mut zur Liebe, zur Wahrheit. Wir brauchen den Mut zum Dienst am Menschen und nicht das Spiel mit Menschen. Medienleute sind – auch wenn die Versuchung noch so groß ist, andere manipulieren zu können - darauf verpflichtet, anderen zu dienen. Es ist eine Dienstleistung, die wir bringen und erbringen müssen. Wir brauchen den Mut zur Unabhängigkeit statt Selbstverliebtheit und Hurerei gegenüber jeglichen Machtversuchen von Politik, Wirtschaft und Medien. Wir brauchen saubere Handwerker in den Medien, die noch wissen, dass man möglichst objektiv berichtet und möglichst subjektiv kommentiert, ohne beides unsauber einfach zu vermischen.

Das ist nämlich leider auch in „unseren“ Kreisen nicht selbstverständlich. Als Betroffener kann ich erzählen, wie man eine Woche lang, nachdem man sich friedfertig und treu zur Lehre der kirchlichen Wahrheit bekannt hatte in einer großen Talksendung, in sämtlichen Medien abgekocht wurde. Ach ja, mit vielen gekennzeichneten Zitaten, die aber dem Zitierten nicht gerecht wurden, weil durch Stückelung gewünschte Klischees bedient werden sollten. Die „Zitate“ hatten eine Qualität wie jenes zusammengestellte Zitat aus der Heiligen Schrift hätte, wobei beide Teile aus der Schrift stammen, bloß nicht an derselben Stelle: „Judas ging hin und erhängte sich. Und Jesus sprach: Geh hin und tu desgleichen.“ Sauberer Journalismus, so genannter Qualitätsjournalismus sieht anders aus.

Medien als solche sind also weder böse noch gut. Es sind immer die Menschen, die etwas daraus machen. Das Werkzeug, das den Medienleuten in die Hand gegeben wird, kann gefährlich sein. Oder aber zum Segen werden. Deshalb kommt es immer auf die Einzelnen an. Und auf die Ausbildung, die wir heute noch jungen angehenden Journalisten geben. Wem vorenthalten wird, wie wichtig und kostbar ein stabiles Koordinatensystem der Verantwortung gerade in diesem schnelllebigen und hektischen Metier ist, der wird regelrecht betrogen und mit ihm diejenigen, für die er später arbeitet: die Leser, die Hörer und die Zuschauer. Medienleute, die sich selbst den richtigen Anspruch gönnen und zutrauen, können dabei helfen, zu echten Aufklärern in und für eine humane Zukunft werden. Dieser Anspruch ist verflixt schwer, aber keinesfalls unmöglich.

Medien als Avantgarde des Humanum – welch ein kühne Vision! Doch gelegentlich sollten wir sie einfach mal wagen – trotz aller Erfahrungen. Christen jedenfalls sollten niemals resignieren, sie dürfen es nicht, weil sie aus einer unbestechlichen Quelle schöpfen und leben können. Christen sollen sich einmischen, denn sie wissen um eine Zusage, die jeder Niveaulosigkeit standhält. Das ist eine Art sperare contra spem – hoffen gegen alle Hoffnung. Vielleicht ist diese Kunst des optimistischen Realismus heute besonders wertvoll und besonders notwendig. Und, ohne Zweifel gilt: Christen müssen sich einmischen in die Medienwelt, sie müssen mitmachen, sie müssen besser sein als andere oder zumindest genauso gut das Handwerk verstehen, aber in der Qualität, zu der ein ethisches Koordinatensystem der Freiheit in Verantwortung gehört, müssen sie sich als verlockend brillant erweisen. Damit kein Missverständnis entsteht: Christen als Journalisten sollten Qualität nicht durch Frömmigkeit ersetzen! Ein guter Journalist, der auch Christ ist, muss eben ein guter Journalist sein.

Wir brauchen Respekt in der Medienlandschaft bei denen, die die Medien bestimmen, den Mut zur Qualität, den Mut zur Erkenntnis, dass es stets um den Menschen geht. Freiheit zeigt sich letztlich in dem Maß, Verantwortung zu kennen, zu erkennen und zu übernehmen – nicht erst nachher. Denn die Herausforderung – und damit zugleich die Aufgabe, die zugegebenermaßen nicht leicht, aber eben auch nicht unmöglich ist, steckt für alle Journalisten umfassend in einem einzigen simplen – aber anspruchsvollen – Satz: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Das muss gelten, erst recht in einer nur oberflächlich betrachtet übersichtlicher gewordenen Welt.

Es ist wahr: In Zeiten des Relativismus, der als Diktatur des Geistes herrscht, ist der der Kirche anvertraute Anspruch und die Verbreitung der Wahrheit eine Provokation.

Es ist wahr: Information über anvertraute Wahrheiten erfordert auch von der Kirche eine aktive mediengerechte Kommunikation. Wir brauchen mehr selbstbewusste Medienprofis im Dienst der Kirche.

Es ist auch wahr: Allzu häufig werden Information und Meinung fast schon selbstverständlich in Medien vermischt, was sauberem Journalismus widerspricht. Ebenso wie der Versuch, simple Klischees zu bedienen durch vereinfachende Behauptungen, die leicht verfangen und die Glaubwürdigkeit der Kirche unterminieren: arm und sozial versus Protzbischof; Zölibat und eheliche Treue versus Missbrauch und Kinderschänder; gerecht versus korrupt und mafiöse Vatikanbank. Das ist letztlich billig – aber leider wirksam.

Übrigens: Jeder Mensch ist ein Medium. Das müssten vor allem Christen, die sich nach dem Auferstandenen nennen und von ihm Zeugnis ablegen dürfen, wissen. Jeder kann Wirklichkeit vermitteln – oder verschweigen. Einmischen statt abtauchen, zu Wort melden statt totschweigen, Widerspruch statt Mitläufertum – das gehört zum christlichen Auftrag, das gehört zu unserer Kernkompetenz. Hier liegt der Kompass für alle, die wollen, dass die Mitte die Mitte bleibt – nämlich der Mensch als Geschöpf Gottes. Und: Trotz allem oder gerade deswegen: Es gibt keinen Grund zur Angst, auch und erste recht vor den Medien. Denn deren Macht stützt sich auch darauf, dass man vor einer Medienmacht kuscht, sich duckt und lieber auf Kritik gegenüber den unfehlbaren Kritikern verzichtet.

Die Antwort kann nur lauten:
Nur Mut! Und:
Aufwachen!
Wach werden!
Wach bleiben!
Zum Beispiel im Kampf gegen die perfide Gender-Ideologie, die das Menschenbild zerstören und die Menschen manipulieren und jeder Freiheit berauben will.

Es geht letztlich immer um Christus und Seine Kirche, und wir müssen begreifen, dass wir mehr sind als ein wohltemperiertes Sozialinstitut mit Anpassungspflicht. Die notwendige Entweltlichung, die Benedikt forderte und die auch Franziskus verlangt, besagt auch dies.

Wir sind Gesandte Christi, des Gottessohnes, und unser Glaube ist kein Buch, sondern eine Person. Es bleibt also spannend. Nach wie vor gilt: Veritas liberbit vos! (Joh 8,32) Also: NUR die Wahrheit wird euch frei machen.

Doch das ist ja normal für jeden, der mit dem herausfordernden Wort, das zur Identität der Capitolina zu Rom im CV gehört, noch etwas anfangen kann: Geht hinaus in alle Welt - IN MUNDUM UNIVERSUM.
Ich danke Ihnen.

Martin Lohmann, Theologe und Buchautor, Chefredakteur des katholischen Privatfernsehens K-TV, wurde am Vorabend der Heiligsprechung der Päpste Johannes XXIII. und Johannes Paul II. Rahmen des 28. Stiftungsfestes der K.A.V. Capitolina zu Rom im CV auf dem Festkommers durch Überreichung des Farbenbandes in die CV-Verbindung aufgenommen, zu deren Gründungsvätern dem emeritierte Papst Benedikt XVI. und der frühere Kardinal Joseph Ratzinger gehört. Lohmann und der spätere Papst kennen sich seit den 60er Jahren sehr gut.

Von Martin Lohmann erscheint jetzt neu bei Christiana im Fe-Medienverlag das Buch "Ganz einfach heilig", in dem der Autor die Heiligung des Alltags nach dem Heiligen Josefmaria Escrivá durch die Augen und Gedanken von Cesar Ortiz, einem der letzten noch lebenden Weggefährten und Zeugen des Opus-Dei-Gründers, beleuchtet. Das Buch des bekannten Fernsehmoderators ist eine freundliche und sympathische Einladung, ganz einfach heilig und glücklich zu werden und ein Leben in Freude und Fülle zu genießen. Vor wenigen Tagen konnte Martin Lohmann dem emeritierten Papst Benedikt das allererste Exemplar seines Buches im Kloster Mater Eccelsiae zu dessen Freude persönlich überreichen.

kath.net-Lesetipp - Vorbestellung bereits möglich, Lieferung erfolgt sofort, nachdem das Buch lieferbar ist:
Ganz einfach heilig. Cesar Ortiz erzählt über seinen heiligen Freunde Josémaría Escrivá.
Von Martin Lohmann
Hardcover, 128 Seiten, bebildert
Fe-Medienverlag


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Was bedeutet es, heilig zu sein? Gespräch zwischen Martin Lohmann und Pater Karl Wallner OCist


Foto Lohmann (c) Martin Lohmann


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