Rockmusik, bis der Schleier wippt – ziemt sich das für Ordensfrauen?

6. Juni 2014 in Kommentar


Gefährdet die Rockmusikerin Suor Cristina ihre Berufung? Ein Kommentar von Petra Lorleberg


Stuttgart (kath.net/pl) Suor Cristina Scuccia (Foto) ist zweifellos ein Phänomen. Wenn die 25-jährige Ordensfrau auf der Bühne losrockt, erlebt man eine Vollblutmusikerin. Wer sie singen hörte, weiß schnell: Ihr Sieg im Finale von „The Voice of Italy“ ist keineswegs ein Gnadensieg. Die Ordensfrau mit ihren klobigen Straßentretern reiht in absoluter Profiqualität Song an Song aneinander und selbst musikalische Ohren finden kaum einen Makel, so perfekt sind ihre Auftritte. Auch an Temperament fehlt es der Sizilianerin nicht, und sie zeigt keine Berührungsängste vor weltlichen Songs – das darf sie auch nicht, denn sie muss sich ja gegen ebenfalls hochqualitätsvolle Konkurrenten durchsetzen. Und so sieht man die Ordensschwester eben auch das Lied „Girls just want to have fun!“ (etwa: Mädels wollen nur Spaß!) gegen eine bewusst erotisch-verführerisch auftretende Konkurrentin ansingen.

Doch schnell taucht die spannende Frage auf: Darf und soll eine Ordensfrau mit weltlichen Liedern auf Bühnen herumrocken?

Die Frage stellt sich durchaus drängend, wenn man die Rockmusik in ihren zeitgeschichtlichen Kontext einordnet, und da gehen die Verbindungsfäden in die 68-Revolte und hier keineswegs nur zu den friedensbewegten Hippies, sondern auch zu den gewaltbereiten Rockern, deren Name ja aus diesem Musikstil abgeleitet wurde. Manche Christen halten die Rockmusik auch für direkt satanisch. Es steht nicht zu erwarten, dass es in der Einschätzung der Rockmusik in der nächsten Zeit zu einer christlichen Unisono-Antwort kommen wird.

Doch der eigentliche springende Punkt bei dieser rockenden Ordensfrau scheint mir ein anderer zu sein: Gefährdet Suor Cristina ihre Berufung? Und: Wie wollen wir, dass unsere Ordensfrauen leben und wirken?

Man mag sich an die unglückliche Entwicklung von „Sœur Sourire“ („Schwester des Lächelns“ - Jeanine Deckers) erinnern. Die belgische Ordensfrau zerbrach vermutlich u.a. an ihrem musikalischen Erfolg. Nach Ordensaustritt und Tablettensucht beging sie 1985 Selbstmord.

Gefährdet Suor Cristina mit ihrer Musikkarriere ihre Berufung? Meine Meinung: Ja, mit Sicherheit! Soll sie deshalb aufhören? Nein! Kann eine Ordensfrau in einer solchen Szene „entgiftend“ wirken? Davon lassen wir uns noch überraschen!

Selbstverständlich ist es ein gefährlicher Weg, den die italienische Schwester geht. Sie kann gut singen, sie sieht gut aus: Die Welt steht ihr offen. Versuchungen werden nicht ausbleiben und wir können nur hoffen und beten, dass sowohl sie wie auch ihre Ordensleitung im Umgang mit diesem Erfolg das nötige Geschick und nicht zuletzt auch die nötige Demut entwickeln.

Doch sollen Christen gefährliche Berufungen meiden? Davon lese ich nichts im Neuen Testament…

Suor Cristina gehört keinem klausurierten Orden an, sondern einem Orden, der in die Welt hinein wirkt, einem Schulorden, der von Natur aus den Kontakt zur Lebenswelt junger Menschen sucht und suchen muss. Einem Orden also, der an der immer schwierigen Nahtstelle zwischen Gott und Welt steht.

Natürlich kann ein solcher Spagat scheitern. Aber lebensunfrohes, sauertöpfisches und letztlich egoistisches Zurückweichen vor Herausforderungen ist nicht christlich.

Jesus erzählt im Gleichnis von Menschen, denen Geld („Talente“) anvertraut wurde (Mt 25, 14-30). Einer von ihnen kommt bekanntermaßen auf die Idee, das Geld zu vergraben und zu verstecken, statt es (durchaus risikoreich) einzusetzen. Dieser sagt dann zu seinem Herrn: „Weil ich Angst hatte, habe ich dein Geld in der Erde versteckt. Hier hast du es wieder.“ Wir kennen die Antwort, die Jesus dem Herrn dieses Dieners in den Mund legt: „Du bist ein schlechter und fauler Diener! Du hast doch gewusst, dass ich ernte, wo ich nicht gesät habe, und sammle, wo ich nicht ausgestreut habe. Hättest du mein Geld wenigstens auf die Bank gebracht, dann hätte ich es bei meiner Rückkehr mit Zinsen zurückerhalten. Darum nehmt ihm das Talent weg und gebt es dem, der die zehn Talente hat!“

Der Christ soll sich ja gerade nicht selbst bewahren, soll nicht ausschließlich im völligen Heilsegoismus um seinen eigenen Bauchnabel kreisen. Vielmehr soll er sich gutwillig in seine Aufgaben hineinwerfen in der Hoffnung, dass selbst ein mögliches Scheitern nochmals von Gott getragen und umfangen wird.

Natürlich kann man fragen, was der Nutzen davon sein soll, dass eine Ordensfrau weltliche Lieder singt und rockt, was das Zeug hält.

Doch ist diese Frage in einer Zeit, wo wir Ausdrücke wie „niederschwelliges Angebot“ und „Rollenmodell“ kennen, eigentlich schnell beantwortet. Wer mit dem christlichen Glauben wenig oder nichts mehr zu tun hat, wird heutzutage nur noch selten mit positiven Gestalten des Glaubens konfrontiert. Suor Cristina bringt das Christentum in Gesellschaftskreise, die nicht mehr nach dem Glauben fragen. Scheinbar mühelos motiviert sie ihre Zuhörer dazu, das Vaterunser mitzubeten. Sie schrottet effektvoll Vorurteile wie: Christsein ist nur für Außenseiter und ins Kloster gehen eh nur Mauerblümchen.

Suor Cristina birgt aber umgekehrt auch einen Hinweis für unsere Ordenschristen. Stellen wir uns die Auftritte der Schwester ohne ihr Ordenskleid vor. Da würde das Salz in der Suppe fehlen! Ohne Ordenstracht wäre der No-Name aus Sizilien wahrscheinlich irgendwo im Mittelfeld gestrandet. Doch die Ordensfrau hat ihr Alleinstellungsmerkmal geschickt genutzt und so lebt Suor Cristina vor, wie nichtklausuriertes Ordensleben ausssehen kann: Die Talente einsetzen, nicht vergraben. Mit wippendem Schleier mitten hinein in die Welt!

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kath.net-Buchtipp
Glaubenswege: Mein Weg ins Ordensleben
Herausgeber: Petra Lorleberg
Vorwort von Abt Maximilian Heim OCist
154 Seiten; Paperback
Dip3 Bildungsservice Gmbh 2013
ISBN 978-3-902686-85-5
Preis 9.80 EUR

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Suor Cristina hat das Finale gewonnen! Lied: ´Beautiful that way´ - Die ´Stimme Italiens´ ist eine Ordensfrau!


Mit diesem Stück hatte Suor Cristina den Durchbruch geschafft - Unglaublicher Auftritt!!


Suor Cristina motiviert die Musiker, Jury und Zuhörer zum gemeinsamen Vaterunser-Gebet (ab Min. 6,18)



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