'Wort zum Sonntag': Hohe Einschaltquote und viel Kritik

17. Juni 2014 in Deutschland


In der Fußballpause sprach eine katholische Theologin über Seitenwechsel


Frankfurt am Main/Wetzlar (kath.net/idea) Fast jeder zweite Fernsehzuschauer hat in der Nacht vom 14. zum 15. Juni das „Wort zum Sonntag“ gesehen. 6,26 Millionen Betrachter bedeuteten eine Quote von 46 Prozent, teilte die ARD auf Anfrage der Evangelischen Nachrichtenagentur idea mit. In der Pause des Fußballspiels England gegen Italien sprach die katholische Theologin Verena Maria Kitz (Hofheim/Taunus) über die Notwendigkeit des Seitenwechsels. Ihr Appell an die Zuschauer lautete, die Welt einmal aus einer anderen Perspektive zu sehen. Insbesondere ging es der Sprecherin darum, sich einmal in die Lage von scheinbar unbeachteten Menschen zu versetzen, etwa von Bewohnern der Elendsviertel in der Umgebung der Fußballstadien oder von Arbeitern auf brasilianischen Kaffeeplantagen. Um ihr Anliegen zu verdeutlichen, empfahl Frau Kitz, dass diejenigen Zuschauer, die sich bisher bedienen ließen – etwa mit Bier –, selbst in den Keller gehen und anderen eine Ruhezeit ermöglichen. Dies entspreche der Weisung Jesu Christi: „Alles, was ihr also von anderen erwartet, das tut auch ihnen“ (Matthäus 7,12).

Spott und Häme

Im Internet und in den Medien wird der Beitrag überwiegend negativ kommentiert. Dieses „Wort zum Sonntag“ sei „an Peinlichkeit kaum noch zu überbieten“ gewesen, befand der Sportjournalist Niklas König im Kurznachrichtendienst Twitter. Die Internet-Ausgabe des Magazins „Stern“ nannte die Ansprache eine „Predigt zum Fremdschämen“. In anderen Reaktionen wurde ein „Programmwechsel“ gefordert. Ein Kommentator teilte mit, dass er seine Kinder geweckt habe, damit sie von der Tankstelle Bier holen, und auf die verdutzte Frage nach dem Grund habe er mit einem Hinweis auf den „Seitenwechsel“ geantwortet. Kritik kam auch von Christen. Es sei ein „allgemeines Gefasel“ gewesen, „an das man das Wort Gott als leere Worthülse angehängt“ habe, so eine Reaktion. Vereinzelt gab es auch Lob: „Fand ich gut, dass man die andere Seite der WM 2014 deutlich gemacht hat.“. Ein weiterer Kommentar: „Das schmeckt natürlich nicht jedem ... Aber es ist ja auch nicht die Aufgabe des Wortes zum Sonntag, bequeme Unterhaltung zu liefern, sondern Denk-Anstöße zu geben.“

„Wie ein Stachel im Fleisch der Zufriedenen“

Der Medienbeauftragte des Rates der EKD und der Vereinigung Evangelischer Freikirchen (VEF), Markus Bräuer (Frankfurt am Main), begrüßte das Bemühen, auf die Anliegen von Benachteiligen aufmerksam zu machen. Dies sei auch in der Pause eines Fußballspiels möglich. Von Christen könne man nicht erwarten, sich uneingeschränkt an der Jubelstimmung zu beteiligen. „Das Evangelium ist wie ein Stachel im Fleisch der Zufriedenen“, sagte Bräuer gegenüber idea. Die Reaktionen zeigten jedoch, dass viele Zuschauer den Übergang vom Seiten- zum Perspektivenwechsel nicht verstanden hätten. Sie seien in Gedanken beim Fußball gewesen und hätten nicht mit der Aufforderung gerechnet, über soziale Ungerechtigkeiten nachzudenken.

Als Pausen-Talkerin ungeeignet

Nach Ansicht des Geschäftsführers des Christlichen Medienverbunds KEP (Konferenz Evangelikaler Publizisten), Christoph Irion (Wetzlar), ist es den Machern vom „Wort zum Sonntag“ nicht gelungen, ihr Konzept verständlich umzusetzen: „Frau Kitz eignet sich nicht als Pausen-Talkerin zur Fußballweltmeisterschaft.“ Sie habe sich mit ihren Anmerkungen zum Thema „Seitenwechsel“ und Bierholen in der Halbzeitpause bereits nach wenigen Sekunden voll ins Abseits gestellt, sagte Irion gegenüber idea.

Zwar hätten die Hinweise der Theologin zum Fair Play zu Hause und zu sozialen Globalisierungs-Problemen in Brasilien sowie ihr Jesus-Zitat ihre Berechtigung; doch im Zusammenhang mit der Weltmeisterschaft hätten diese Weis- und Wahrheiten unglaubwürdig und anbiedernd gewirkt.

Besser machten es zahlreiche Kirchengemeinden, die zum gemeinsamen Fußballgucken einladen, und fußballbegeisterte Theologen, die in Predigten Themen wie „Sieger und Verlierer“ attraktiv und spannend präsentierten.

Nicht zuletzt hätte die Redaktion des „Wortes zum Sonntag“ von den Kontakten ihrer Sport-Kollegen profitieren können: „Viele prominente Profi-Fußballer sind gläubige Christen - bei ihnen würde nicht nur die Einschaltquote stimmen, auch die Reaktionen würden anders ausfallen.“


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