17. Juni 2014 in Kommentar
Entgegen einer KNA-Überschrift wirkt der Streit um die deutschsprachige Markusgemeinde/Kairo keineswegs beigelegt, wenn man die Fakten näher betrachtet. Ein Kommentar von Petra Lorleberg
Kairo (kath.net/pl) Der Streit ist beigelegt. Unter dieser Überschrift berichtete die Katholische Nachrichtenagentur (KNA) am Montag über die Abberufung von Monsignore Joachim Schroedel (Foto), des langjährigen Kairoer Seelsorgers der deutschsprachigen Markusgemeinde. Im April hatte der Verwaltungsrat des Katholischen Auslandssekretariates als zuständiges Gremium der Deutschen Bischofskonferenz beschlossen, Schroedels Entsendung nicht weiter zu verlängern. Doch es sei die salomonische Lösung gefunden worden, so die KNA, dass Schroedel von seinem Mainzer Heimatbischof Karl Kardinal Lehmann vorzeitig in den Ruhestand versetzt wird. Denn der 60-jährige Priester könne nun seinen Wohnsitz frei wählen und werde bei seiner Gemeinde in Kairo bleiben.
Entgegen der Überschrift der KNA wirkt der Streit allerdings keineswegs beigelegt, wenn man einige Fakten näher betrachtet. Die Deutsche Bischofskonferenz tut sich erstaunlich schwer damit, die Abberufung von Schroedel aus Kairo gegenüber der KNA zu begründen. Einige der Hauptargumente lassen Fragen aufkommen:
1.) Zeitliche Begrenzung von Auslandsaufenthalten? Zwar gibt es tatsächlich die von der DBK angeführte zeitliche Vorgabe, dass Seelsorger üblicherweise fünf oder zehn Jahre an einem Standort im Ausland tätig sein sollten. Doch gegen solche Vorgaben wird im Einzelfall immer mal wieder verstoßen. Denn wer möchte schon einen motivierten Hirten nur wegen bloßer Paragraphenerfüllung von seiner Herde wegholen? Zudem wurde Schroedel bereits 1995 zum Seelsorger im Nahen Osten bestimmt - zu diesem Zeitpunkt gab es keinerlei zeitliche Vorgaben. Vielleicht gilt Schroedel auch als eine Art Altlast, die man loswerden möchte?
2.) Reduzierung der Katholikenzahl? Als weiteren Grund führte die Bischofskonferenz an, dass die politischen Ereignisse der zurückliegenden Jahre zu einer deutlichen Reduzierung der Zahl deutscher Katholiken in Kairo geführt hätten. Dennoch spricht der KNA-Bericht unbefangen davon, dass Schroedel der einzige katholische Priester für mehrere tausend Deutsche sei, die zeitlich befristet oder dauerhaft in Ägypten leben. Außerdem vermittelt auch das selbsterstellte Video der Kairoer Markusgemeinde, in welchem Gemeindemitglieder ihr Unverständnis über die DBK-Entscheidung ausdrücken, den Eindruck einer ausgesprochen lebendigen und von vielen Personen frequentierten Gemeinde. Die deutliche Reduzierung muss also nicht zwangsläufig zu einem Ausdörren der Markusgemeinde geführt haben. Außerdem findet sich nirgends ein Beleg, dass der Personalschlüssel VOR den politischen Unruhen wirklich hinreichend gewesen sei. Interessant ist auch die ökumenische Perspektive (mit den evangelischen Pastoren, die auch im Video sprechen): Die EKD stockt auf, für sie ist Ägypten ein Brennpunktland. Und gleichzeitig will sich die deutsche katholische Kirche zurück ziehen? Wie kann man das erklären?
3. Neukonzeption ohne Mehrwert? Zwar wird im KNA-Bericht also von von mehreren tausend deutschsprachigen Katholiken in Ägypten gesprochen, doch wird die Reduzierung der Katholiken als Argument für eine Neukonzeption des Seelsorgeprojektes für die Region eingesetzt. Ein aus Deutschland entsandter Priester wird deshalb künftig an verschiedenen Standorten in der Region tätig sein müssen, erläuterte die DBK gegenüber der KNA. Der Leser fragt sich allerdings vergeblich, worin in Zukunft der Mehrwert gegenüber Schroedels Tätigkeitsfeld bestehen könnte. Denn auch Schroedel war bereits vor der vermuteten Reduktion der Katholikenzahl durch die politischen Unruhen an verschiedenen Standorten in der Region tätig gewesen. Sein Tätigkeitsfeld umfasste die Länder Syrien, Jordanien, Libanon, Sudan, Eriträa und Äthiopien. Addis Abeba hatte er bis 2013 jährlich etwa vier- bis fünfmal bereist. Allein das Land Äthiopien wurde also, im Auftrag der Bischofskonferenz, durch Schroedel zwischen 1995 und 2013 durch etwa 60 Pastoralreisen besucht und betreut. Seinen Berichten, etwa bei Veranstaltungen von Kirche in Not, kann man entnehmen, wie viele Kontakte er durch häufiges Reisen zu den deutschsprachigen Katholiken des gesamten Nahen Ostens aufbauen konnte.
Dafür bleibt in den DBK-Aussagen völlig unklar, inwieweit das Wissen und die langjährige Erfahrung Schroedels er ist immerhin der eingearbeitete Fachmann vor Ort von den zuständigen Gremien abgefragt worden ist mit dem Ziel, dieses Wissen für eine Neukonzeption zu nutzen.
Doch last not least verwundert den interessierten Beobachter der Vorgänge noch ein anderes Detail: Die DBK lässt eine Priesterstelle unbesetzt und das Bistum Mainz hilft mit einer vorzeitigen Pensionierung aus. Dieses freundliche Entgegenkommen des Bistums notabene: auch im Bistum Mainz herrscht Priestermangel und man lässt auch in Mainz fähige Priester ungern ziehen zeigt, dass die Personalführung in Mainz zu einer durchaus positiveren Einschätzung der deutschsprachigen Seelsorge durch den bewährten Priester gekommen ist als die zuständigen Stellen der DBK.
Bei näherer Betrachtung des KNA-Artikels mag sich der aufmerksame Leser also wundern, wie es zu der harmonischen Überschrift Der Streit ist beigelegt und zu der Einschätzung, dass man in dem Konflikt eine salomonische Lösung gefunden habe, gekommen war. Und mancher Leser mag sich nicht ganz der Frage erwehren können, ob hier eher Wünsche anstelle von Fakten Pate gestanden waren.
Doch noch etwas fragt man sich am Ende: was oder wer genau steht nun eigentlich hinter der Entscheidung, dass die Stelle des Seelsorgers der Markusgemeinde Kairo unbesetzt bleibt? Wer sind die Personen, die in dialogfreien Entscheidungen (Peter Esser) in einem Verwaltungsrat des Auslandssekretariats das Sagen haben?
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K-TV-Interview aus dem Jahr 2011 mit Msgr. Joachim Schroedel beim 4. Kongress ´Treffpunkt Weltkirche´ von ´KIRCHE IN NOT´
Deutschsprachige katholische Seelsorge in Ägypten vor dem Aus? - Hilferuf aus der Markusgemeinde/Kairo
Foto: Schroedel bei der Einweihung des Kindergartens im Müllviertel in Moytamadeia vor etwa einem Jahr mit betroffenen Kindern (c) Joachim Schroedel
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