14. März 2003 in Chronik
Der Anfang vom Ende ist oft die Wortlosigkeit: Warum Verheiratete über ihre Gefühle sprechen müssen.
Deutschland (www.kath.net / idea) Am Anfang war das Wort, heißt es in der Bibel. Für die Ehe gilt: Der Anfang vom Ende ist die Wortlosigkeit. “Ehekrisen beginnen immer mit unzureichender Kommunikation”, sagen die christlichen Berater-Ehepaare Bärbel und Dennis Clackworthy (Bischofsheim/Rhön) und Susanne und Dieter Endres (Erlangen). Im Auftrag von “Family Life Mission Deutschland” versuchen sie, unter christlichen Ehepartnern das Gespräch wieder in Gang zu bringen – mit Erfolg.
Wann liegt die Wahrscheinlichkeit am höchsten, dass sich Paare scheiden lassen? Das Nachrichtenmagazin Focus hat Anfang März über wissenschaftliche Erkenntnisse zu Scheidungsrisiken berichtet. Wenig überraschen dürfte, dass nach dem Ehebruch eines Partners die Wahrscheinlichkeit einer Scheidung auf das elffache steigt. Verblüffender sind andere Faktoren. So erhöht der Abschluß eines Ehevertrages das Scheidungsrisiko um 47 Prozent. Erklärung: Wer einen solchen Vertrag unterschreibt, geht schon mit Zweifeln in die Ehe. Außerdem senkt das Dokument die Barriere gegen Scheidung, weil die finanziellen Folgen bereits geregelt sind. Was Christen besonders freuen dürfte: Wer kirchlich heiratet, hat ein um 39 Prozent gesenktes Scheidungsrisiko.
Durch Reden heilen
Die Beraterpaare Clackworthy und Endres kennen die vielen Risikofaktoren, aber sie kennen auch einen Schlüssel, um diese auszuschalten oder wenigstens abzuschwächen: das Gespräch. Wenn Mann und Frau anfangen, sich mit ganzem Herzen dafür zu interessieren, was den anderen bewegt, erfreut oder enttäuscht, und wenn sie darüber reden – dann ist das der erste Schritt zu einer heilen Beziehung. Bei Seminaren in der ökumenischen Begegnungsstätte Schloß Craheim bei Schweinfurt gelingt es ihnen durch einfache Übungen, Ehepartner dazu zu bringen, sich einander mitzuteilen. Das Pfarrerehepaar Endres hat 18 Jahre lang die Tagungsarbeit auf Schloß Craheim geleitet. Ihr Schwerpunkt waren die Eheseminare. Diese Arbeit setzen sie jetzt im Ruhestand fort.
Erst Schweigen, dann Streit
Vor allem Männer tun sich schwer, über ihre Gefühle zu reden. Wenn Frauen davon sprechen, was ihnen in der Beziehung Probleme macht, fassen ihre Ehemänner das schnell als Kritik auf. Oft sind es unausgesprochene Erwartungen, die frustrieren. Er hat Lust auf Sex, sie will aus Müdigkeit nur noch ein bisschen in den Arm genommen werden. Sie verschönert mit neuen Vorhängen das Heim, er sitzt kopfschüttelnd über unbezahlten Rechnungen. Das sind klassische Konfliktfelder, über die dann aber nicht geredet wird, höchstens in einem späteren Stadium gestritten. Diesem Verhalten setzt Bärbel Clackworthy ein Zitat von Ingrid Trobisch, Gründerin von Family Life Mission, entgegen: “Nur ein Baby hat das Recht, ohne Worte verstanden zu werden.”
Die beiden Paare Endres und Clackworthy haben in den vielen Seminarjahren nützliche Übungen entwickelt, die Verheirateten den Einstieg ins Sprechen leichter machen. Eine solche Übung ist der schriftliche Dialog. Er beginnt damit, dass jeder Ehepartner in einem Heft aufschreibt, worüber er mit dem anderen gut reden kann und bei welchen Themen er Schwierigkeiten hat. Ganz wichtig ist, dass dabei nicht nur Fakten notiert werden, sondern auch die eigenen Gefühle. Ehrlichkeit und der Wille, sein Inneres nach außen zu kehren, gehören unabdingbar dazu. Nachher tauschen die Partner die Hefte aus und lesen, wie der andere denkt und fühlt. So banal diese Übung auf den ersten Blick aussieht – sie bewirkt bei den Teilnehmern sehr schnell Aha-Effekte, die in Aussagen wie “... das wusste ich gar nicht ... danke, dass Du mir das gesagt hast ... ” münden. Damit ist eine erste Hürde genommen.
TV als Gesprächstöter
Eine weitere Übung ist der verlangsamte Dialog, bei dem beide Ehepartner jeweils 20 Minuten bekommen, in denen sie darüber sprechen dürfen, was sie gerade bewegt. Der andere versucht jeweils nach drei Sätzen, das Gesagte sinngemäß zu wiederholen. Dieses Verfahren zwingt den Zuhörer, sehr viel genauer auf die Worte des anderen zu achten. Als Ergebnis berichten Teilnehmer häufig davon, dass es ihnen einfach gut getan hat, ihre Gedanken darzulegen, ohne das Ganze gleich vom Partner kommentiert zu bekommen. Das setzt das heilsame Gespräch in Gang. “Die sicherste Art, eine Ehe zu zerstören, ist, nicht mehr miteinander zu reden”, sagen Susanne und Dieter Endres. Als Gesprächstöter Nummer eins hat sich übrigens das Fernsehgerät herausgestellt. Es verführt zum Schweigen – und je mehr man das Reden vermeidet, desto schwieriger wird es.
Dennis Clackworthy wurde in Rhodesien geboren, heiratete in Bärbel eine Nachkommin Hermannsburger Missionare in Südafrika. Neben der Ehearbeit dient das Paar heute hauptsächlich als Seelsorger in den Christlichen Gästehäusern Hohe Rhön. Clackworthy hatte als Personalleiter bei der Firma Siemens in Johannesburg und dann in München Karriere gemacht. Dort führte er ein interkulturelles Training ein, um englisch- und deutschsprachigen Mitarbeitern zu einem besseren gegenseitigen Verständnis zu verhelfen. Die Parallele zur Ehe ist unübersehbar. Mann und Frau sprechen ebenfalls unterschiedliche Sprachen. Clackworthys Trainingsmethoden haben sich deshalb auch bei Eheseminaren bewährt.
Heikle Vergebung
Ein Knackpunkt in einer Beziehung ist der Umgang mit Schuld. “Unter Christen wird zu schnell gesagt: Du musst vergeben”, findet Dennis Clackworthy. Insbesondere Männer hätten zu lernen, wie wichtig es für ihre Frau ist, ihre Empfindungen zu mitzuteilen. Der Ehepartner hat in diesem Prozeß die Aufgabe, erst einmal zuzuhören, den anderen stehen zu lassen, weder zu korrigieren noch sich zu verteidigen. “Der Schuldige muss hören, was er im anderen angerichtet hat.” Geschieht das nicht, wird halbherzig vergeben. Bitterkeit bleibt zurück, die sogar Krankheiten verursachen kann.
Die genannten Übungen können jedem Ehepaar dienen, ob sie nun Christen sind oder nicht. Die beiden Beraterpaare sprechen Christen aber auch auf ihr geistliches Leben an. Diesem Bereich widmet das Ehepaar Endres in seinem Buch “Gemeinsam unterwegs - Ehe lebendig gestalten” einen eigenen Abschnitt. “Wenn ein Ehepaar zusammen Gott sucht und Gemeinschaft mit ihm pflegt, so liegt darauf ein besonderer Segen und eine besondere Verheißung,” sind sich die beiden sicher. Und sie nennen Beispiele: Ein Paar betet zusammen im Schlafzimmer, ein anderes singt gerne und betet Gott gemeinsam durch neue Lieder an, ein anderes stellt das gemeinsame Bibellesen in den Mittelpunkt. Susanne und Dieter Endres haben jeden Tag zusammen eine “Stille Zeit” mit Bibelwort, Austausch darüber und Gebet. Sie können sich ihr Eheleben ohne diese Praxis nicht mehr vorstellen.
Das Ziel christlicher Ehe finden die Beraterpaare beim Reformator Martin Luther am schönsten formuliert: “.. dass eins das andere mit in den Himmel bringe!” Dennis Clackworthy hat übrigens von seiner Gattin noch eine weitere Sprache gelernt außer der Sprache der Frauen. Bärbel hat dem Sohn eines englischen Vaters und einer irischen Mutter Deutsch beigebracht. Vermutlich haben auch diese Lektionen das Ehepaar fester zusammengeschmiedet.
Marcus Mockler /idea
© 2003 www.kath.net