24. August 2014 in Aktuelles
Vatikanberater P. Samir Khalil Samir fordert entschlossene Stellungnahmen der Imame und des islamischen Volkes gegen die Verbrechen
Vatikanstadt (kath.net/KAP) Die Gräueltaten der Anhänger des "Islamischen Staat" (IS) im Irak markieren einen Tiefpunkt in der Geschichte des Islam. Dies betonte der Islamexperte und Vatikanberater P. Samir Khalil Samir (Foto) am Samstagabend im Gespräch mit "Radio Vatikan".
Notwendig seien jetzt entschlossene Stellungnahmen der Imame und des islamischen Volkes. Wörtlich sagte der aus Ägypten stammende Jesuit: "Wir haben jetzt die grausamste Bestialität in der Geschichte des Islam erreicht. Wir waren noch nie an einem solchen Punkt der Barbarei.
Die Frage ist: Ist das der Islam? Oder ist das eine Abweichung? Sicher liegt der Ausgangspunkt in der islamischen Tradition. Auf der anderen Seite kann man nicht sagen, dass das 'der Islam' sei."
Für die IS-Extremisten seien freilich jetzt alle Menschen, die nicht dem angeblich "wahrhaftigen Islam" angehören, zur Zielscheibe geworden. Die Rede von den "Ungläubigen" sei im Islam nichts Neues, so P. Khalil Samir. Sie werde von den Jihadisten aber nun missbraucht.
Diese Tendenz habe man schon im Syrien-Krieg beobachten können. P. Khalil Samir: "Der Krieg in Syrien war am Anfang ein Krieg von Syrern, die gegen ein diktatorisches Regime protestierten. Doch sehr schnell - schon zwei Monate später - sind Protagonisten aus der ganzen islamischen Welt hinzugekommen, insbesondere von der arabischen Halbinsel, um als Sunniten Krieg zu führen gegen die machthabenden Alawiten."
Das Problem liege also von Anfang an innerhalb des Islam, immer wieder gebe es das: "Wer nicht dem authentischen Islam angehört, muss entfernt werden", laute die Devise, so der Jesuitenpater. Den anderen mit "Kafir" - arabisch-islamischer Rechtsbegriff für Ungläubiger - zu bezeichnen, zu sagen, dass ein anderer kein echter Muslim ist und entfernt werden müsse, sei "eine der Plagen des modernen Islam".
Der Traum von einem islamischen "Gottesstaat", den die Jihadisten jetzt Länder übergreifend verwirklichen wollen, sei ein Irrweg, der auch in der islamischen Welt auf Kritik stoße, so der ägyptische Jesuit weiter: "Die großen Denker sind dagegen. Das Drama ist, dass die Muslime es nicht wagen, Selbstkritik zu üben, sondern schweigend folgen".
Für den Jesuiten liegen die Ursachen des rücksichtslosen Willens der Extremisten zur kulturellen und politischen Macht und ihrer Interpretation des Islam in einer tiefen Krise der islamischen Welt: Armut und Unkenntnis leisteten einer Instrumentalisierung religiöser Dogmen Vorschub. Hier brauche es einen Prozess der Reifung innerhalb des Islam - hin zu einer "universalistischen Sichtweise", wie P. Khalil Samir formuliert, in der die Menschenrechte von der islamischen Mehrheit als schützenswert erkannt und verteidigt würden. Die breite Masse müsse jetzt klar gegen Fanatismus und Gewalt Position beziehen, forderte der Experte.
Dies habe auch der Vatikan in seiner jüngsten Anklageschrift gegen den islamistischen Terror im Irak rigoros eingefordert, lobte P. Khalil Samir. Der Päpstliche Rat für Interreligiösen Dialog hatte am 12. August zu einer einstimmigen Verurteilung der "unsäglichen" Verbrechen im Irak aufgerufen und dabei kein Blatt vor den Mund genommen. Dazu der Jesuit: "Das ist das deutlichste Dokument, das ich kenne. Es verwendet keine diplomatischen Ausdrücke: Es ist ausgewogen, aber stark. Es sagt: Bis wann wollt ihr schweigen? Und dass die Imame sprechen sollen! Und nicht nur die Imame: die Masse, das islamische Volk, muss auf die Straße gehen, wenn es um eine politische Sache geht, die sich gegen andere wendet".
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