Empörung über selbst ernannte «Sittenwächter»

6. September 2014 in Kommentar


Salafisten patrouillieren in Wuppertal als «Scharia-Polizei». Von Johannes Nitschmann (KNA)


Wuppertal (kath.net/KNA) Radikale Islamisten spielen sich in Wuppertal als Ordnungshüter auf. Seit einigen Tagen laufen Männer mit orangen Warnwesten und der Aufschrift «Shariah Police» durch die Innenstadt der bergischen Metropole. Dabei patrouillieren die Islam-Wächter vor türkischen Geschäften, Cafes und Spielhallen. Kunden und Inhaber werden von ihnen aufgefordert, keinen Alkohol zu trinken oder Glücksspiele zu betreiben.

Auf gelben Flyern erklären die Möchtegern-Polizisten Teile der Wuppertaler City zur «Scharia-kontrollierten Zone». Die Scharia ist das aus dem Koran abgeleitete «göttliche Recht». Auf Flugblättern fordern die radikalen Muslime Verhaltensregeln ein: Kein Alkohol, keine Drogen, keine Pornografie, kein Glücksspiel, keine Musik und keine Konzerte.

Von ihren nächtlichen Patrouillen haben die Salafisten ein Video ins Netz gestellt. «Es geht uns darum, ein gottgefälliges Leben zu führen», verkündet dort der bekannte Salafisten-Prediger Sven Lau. Inzwischen haben die Islamisten angekündigt, die Scharia-Polizei auch in anderen Städten einzusetzen. Auf der Straße und vor Diskotheken sprechen sie vor allem Jugendliche an, um sie dazu zu bewegen, zum Islam zu konvertieren und in die Moschee zu kommen. Als Reaktion darauf hat mittlerweile die echte Polizei ihre Präsenz in der Wuppertaler City verstärkt.

Die Politiker sind über das neue Auftreten der Salafisten ebenso entsetzt wie ratlos. «Es gibt keine Legitimation für diese selbst ernannten Sittenwächter», empört sich NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD). «Wir werden nicht zulassen, dass extremistische Salafisten Andersdenkende auf offener Straße bedrohen und bedrängen.» Und: Das Gewaltmonopol des Staates werde gegen diese Provokateure durchgesetzt und Straftaten von den Behörden «konsequent verfolgt».

Doch so einfach ist das offenbar nicht. Zwar ermittelt die Wuppertaler Staatsanwaltschaft derzeit gegen elf Personen im Alter zwischen 19 und 33 Jahren. Der Grund: Verstoß gegen das Versammlungsgesetz. Doch rechtlich gebe es keine Handhabe, die Warnwesten sicherzustellen, erklärt ein Sprecher der Wuppertaler Staatsanwaltschaft. Denn das bloße Empfehlen religiöser Regeln sei nicht strafbar.

Derzeit werde aber juristisch geprüft, ob der Straftatbestand einer Nötigung vorliege, wenn junge Leute am Betreten von Diskotheken, Spielsalons und Sonnenstudios gehindert werden, so der Sprecher. «Ein Auftreten, das einschüchtert, verunsichert oder provoziert, wird nicht geduldet», versichert die Wuppertaler Polizeipräsidentin Birgitta Rademacher.

Die FDP-Opposition im Düsseldorfer Landtag wirft Jäger vor, «keine geeignete Gegenstrategie» zur Eindämmung des wachsenden Islamismus zu haben. «Dem Versuch der selbst ernannten Scharia-Polizei, Menschen in Deutschland ihre Werte aufzuzwingen, muss mit aller Entschiedenheit begegnet werden.» Ins gleiche Horn bläst die CDU. Der Innenminister habe das zunehmende Salafisten-Problem an Rhein und Ruhr «nicht im Griff», beklagt der CDU-Innenpolitiker Theo Kruse.

Derzeit gehen die Behörden von landesweit etwa 1.500 extremistischen Salafisten aus; bundesweit wird deren Zahl auf 5.500 geschätzt. «Nach jetzigem Stand ist zu vermuten, dass die Zahl auch 2014 weiter ansteigen wird», meint der Leiter des NRW-Verfassungsschutzes, Burkhard Freier. Dies bereite große Sorge, da Salafisten besonders junge Menschen in ihren Bann ziehen wollten.

Laut Verfassungsschutz sind bundesweit insgesamt 290 Personen nach Syrien ausgereist, um sich dort als «Gotteskrieger» ausbilden zu lassen oder selbst am Bürgerkrieg teilzunehmen. In NRW waren in den letzten beiden Jahren insgesamt 110 solcher Ausreisen registriert worden. Rund zwei Drittel der Ausgereisten blieben länger als vier Monate in den Kampfgebieten. Bisher liege die Zahl der nach NRW zurückgekehrten Dschihadisten «im einstelligen Bereich». Laut NRW-Innenministeriums werden in NRW derzeit 30 der landesweit 850 Moscheen vom Verfassungsschutz beobachtet. Etwa 20 Islam-Prediger stehen unter Beobachtung der Sicherheitsbehörden, weil sie als «Verführer» zum gewaltbereiten Salafismus gelten.

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