1. Oktober 2014 in Kommentar
Jetzt rächt sich, dass das katholische Ehe- und Familienverständnis jahrzehntelang in Predigt, Katechese und Hirtenschreiben der Bischöfe vernachlässigt wurde, um bei Gläubigen und Medien nicht anzuecken. Ein Kommentar von Hubert Gindert
Kaufering (kath.net/Forum Deutscher Katholiken) Als sich Papst Benedikt nach seinem Rücktritt vom Klerus von Rom verabschiedete, sprach er auch über seine Erfahrungen beim Zweiten Vatikanischen Konzil, das er als Berater des Kölner Kardinals in Rom erlebte. Dabei erinnerte er an den Unterschied zwischen dem wirklichen Konzil in der Konzilsaula und dem Medienkonzil draußen, d.h. über das, was in den Medien darüber verbreitet wurde. Die Medieninterpretation hat das Konzilsverständnis ganz wesentlich geprägt.
Heute stehen wir vor den beiden Sitzungen der Weltsynode der Bischöfe mit dem Thema Pastorale Herausforderungen der Familie im Rahmen der Evangelisierung. Was Ehe und Familie für Kirche und Gesellschaft bedeuten, hat 1998 der damalige Präfekt der Glaubenskongregation Kardinal Ratzinger in seiner Einführung zum Werk Über die Pastoral der geschiedenen Wiederverheirateten (Sulla pastorale dei divorziati risposati) mit diesen Worten ausgedrückt: Ehe und Familie sind für die gesunde Entwicklung von Kirche und Gesellschaft von entscheidender Bedeutung. Zeiten, in denen das Ehe- und Familienleben blüht, sind immer auch Zeiten des Wohlergehens für die Menschen. Geraten Ehe und Familie in eine Krise, hat dies weitreichende Folgen für die Ehegatten und deren Kinder, aber auch für Staat und Kirche.
Wegen der großen Bedeutung von Ehe und Familie haben die Medien schon vor der Weltsynode der Bischöfe das Thema auf geschiedene Wiederverheiratete einzuengen und die Meinungsführerschaft in der Diskussion an sich zu reißen versucht. Julius Müller-Meiningen schreibt in der Augsburger Allgemeinen Zeitung (AZ) vom 22. September 2014: Bei der in zwei Wochen beginnenden außerordentlichen Synode zum Thema Familienseelsorge steht die Katholische Kirche an einem Scheideweg. In der Diskussion um den Umgang mit Familie, Ehe und Sexualität diskutieren die Beteiligten über eine Frage, von der die künftige Ausrichtung der Kirche mit abhängt: Können geschiedene Katholiken, die ein zweites Mal geheiratet haben unter Umständen wieder zur Kommunion zugelassen werden? Was auf Außenstehende wie eine Marginalie wirkt, ist im Vatikan und in der katholischen Welt zu einer Existenzfrage gereift.
In der Auseinandersetzung wird die heute weitverbreitete religiöse Unwissenheit der Katholiken über das Ehesakrament ausgenutzt. Das wird besonders in Leserbriefen der Zeitungen deutlich. Jetzt rächt sich, dass das katholische Ehe- und Familienverständnis jahrzehntelang in Predigt, Katechese und Hirtenschreiben der Bischöfe vernachlässigt wurde, um bei Gläubigen und Medien nicht anzuecken. Dieses Defizit hat auch damit zu tun, dass die Autorität der Bischöfe in Deutschland schwer angeschlagen ist, seit sie mit ihrer Königsteiner Erklärung auf die Enzyklika Humane vitae Paul VI. die Gläubigen einem autonomen Gewissen ausgeliefert haben. Das Ansehen der Bischöfe ist noch einmal beschädigt worden, als sie in der Abtreibungsfrage einer rechtswidrigen, aber straffreien Regelung mit dem Beratungsschein zugestimmt haben. Dieses Verhalten hat Prof. Josef Isensee einmal als die größte Blamage der Bischöfe der Nachkriegszeit bezeichnet.
Die heutige Situation der deutschen Bischöfe in der anstehenden Weltbischofssynode ist auch deswegen schwierig, weil sie sich mehrheitlich in der Themenfrage in die Verengung auf geschiedene Wiederverheirate hineinmanövrieren ließen, obwohl Erzbischof Schick kürzlich zu Recht geäußert hat nicht die geschiedenen Wiederverheirateten sind unser größtes Problem, sondern der Mangel an Eheschließungen und Familiengründungen. Kardinal Marx bezeichnete es als verheerend, dass die Frage der Ehe- und Familienpastoral auf den einen Punkt geschiedene Wiederverheirate fixiert worden sei. Kardinal Marx äußerte aber zugleich, dass die große Mehrheit der deutschen Bischöfe die Position von Kardinal Kasper teile (Tagespost, 27.09.14). Kardinal Kasper vertritt die Auffassung, geschiedene Wiederverheiratete sollten nach einer Bußzeit zur Kommunion zugelassen werden. Die Medien haben das Referat von Kardinal Kasper auf der Kardinalsversammlung im Februar 2014 zur diskutierten Thematik zur Richtungsentscheidung durch Papst Franziskus hochstilisiert.
Nun kommt kurz vor Eröffnung der Synode das Buch In der Wahrheit Christi bleiben von fünf Kardinälen heraus. Zu den Autoren gehört auch der Präfekt der Glaubenskongregation Kardinal Müller.
Dieses Werk fährt den Medienleuten in die Parade, die sich der Deutungshoheit über die Weltbischofssynode schon sicher waren. Sogleich begann ein Gezeter und Lamento, die fünf Kardinäle würden eine ergebnisoffene Debatte auf der Synode verhindern wollen, noch bevor sie begonnen habe.
Die gleichen Medienleute, die seit Monaten die Debatte anheizen, geifern nun, weil eine qualifizierte Gegenmeinung auftaucht. Sie sehen ihr Meinungsmonopol gefährdet. Die AZ titelte entsprechend: Der Papst wird zur Zielscheibe (22.09.14). Die neue Passauer Presse hatte am 18.09.14 eine Artikelüberschrift Fünf Kardinäle auf Gegenkurs zum Papst.
Auch Kardinal Kasper goss Öl ins Feuer mit den Worten: Zielscheibe der Polemik bin nicht ich, sondern der Papst einige wollen einen theologischen Krieg bei der nächsten Synode. In der AZ (22.09.14) stand: Schon seit längerem hieß es, dass einflussreiche Konservative im Vatikan gegen den neuen und äußerst beliebten Papst arbeiten würden.
Obwohl die, die die Lehre der Kirche zu Ehe und Familie verändern wollen, alle, die ihnen im Weg stehen, als Modernisierungsverweigerer abstempeln und Papst Franziskus für ihre Zwecke einspannen wollen, sind sie sich nicht sicher, ob das gelingt. So sagt Müller-Meiningen am 22.09.14: Doch obwohl der Papst oft als Schreck des katholischen Establishments dargestellt wird, hat sich in der Kirche seit seinem Amtsantritt vor eineinhalb Jahren programmatisch nichts verändert. Kardinal Kurt Koch, der jetzige Präsident des Einheitsrates äußerte kürzlich in einem Interview: Ich sehe überhaupt keine Anzeichen, dass er (Papst Franziskus) die Lehre der Kirche ändern will und wird. (Tagespost, 27.09.14)
Auf der sogenannten Dialogkonferenz in Magdeburg (12/13.September 14) wurde wiederholt geäußert, man müsse verstärkt auf Jesus Christus hören. Genau das sagte Kardinal Ratzinger in seiner o.a. Einführung von 1998: Es geht einzig um die uneingeschränkte Treue zum Willen Christi, der uns die Unauflöslichkeit der Ehe als Gabe des Schöpfers zurückgegeben und neu anvertraut hat weiter aufgrund ihrer objektiven Situation dürfen die wiederverheirateten geschiedenen Gläubigen nicht zur heiligen Kommunion zugelassen werden und auch nicht eigenmächtig zum Tisch des Herrn hinzutreten.
Was wird die große Mehrheit der deutschen Bischöfe, die die Ansichten von Kardinal Kasper vertritt, den Gläubigen sagen, wenn am Ende der Weltsynode der Bischöfe die Ehelehre der Kirche, die auf Jesus Christus zurückgeht, erneut bekräftigt wird und über die Alpen nach Deutschland kommt?
Wie wird das katholische Volk darauf reagieren? Die Leserbriefe in den Zeitungen zeigen das ganze Ausmaß der Verwirrung, das die Desinformation der Medien und die Aussparung der kirchlichen Ehelehre in Predigt und Katechese angerichtet haben. Es erscheint fraglich, ob bei den Katholiken, die sich ihr eigenes Credo zu Ehe und Familie zurechtgelegt haben und das auch praktizieren, mit einer Klarstellung der kirchlichen Lehre noch Einsicht einzieht. Es ist auch denkbar, dass viele ihren autonomen Lebensstil fortsetzen oder auch in großer Zahl aus der Kirche austreten werden. Das würde dann an die Stelle bei Johannes erinnern, als Jesus über das eucharistische Lebensbrot gesprochen hatte. Dort heißt es: Von da an zogen sich viele seiner Jünger zurück und begleiteten ihn nicht mehr auf seinen Wanderungen. (Joh. 6.66)
Wie wird es schließlich Papst Franziskus ergehen, wenn die katholische Ehelehre auf der Weltsynode der Bischöfe erneut bekräftigt wird?
Am Ende der Synode, dem 19. Oktober wird Papst Paul VI. selig gesprochen. Dieser Papst wurde von den Gläubigen geachtet und auf seinen Reisen begeistert aufgenommen bis er die Enzyklika Humanae vitae entgegen dem Rat von Bischöfen und der von ihm eingesetzten Kommission veröffentlichte. Dann schlug die Meinung abrupt um. Auch Bischöfe ließen ihn im Stich. Am 18.08.74 äußerte er: Ich bedaure oder bereue nichts. Ich bin ganz sicher, das getan zu haben, was ich tun musste es steht das Leben der Menschheit auf dem Spiel.
Prof. Dr. Hubert Gindert ist der Initiator und Vorsitzende des Forums Deutscher Katholiken.
K-TV-Interview mit Prof. Hubert Gindert
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