Domine, non sum dignus!

15. Oktober 2014 in Kommentar


BRIEFE aus SIENA: kath.net-Mitarbeiterin Victoria Bonelli schreibt an Persönlichkeiten der katholischen Kirche. Diesen Monat an den emeritierten Kurienkardinal Walter Kasper.


Siena/Wien (kath.net)

Hochwürdigster Kardinal Kasper, 


ich bin über 50 Jahre jünger als Sie, frisch verheiratet, und studiere Kommunikationswissenschaften an der Universität Wien. Schon länger trage ich den Wunsch mit mir herum, Ihnen zu schreiben, da auch ich die mediale Aufregung rund um Ihre kirchlichen Aussagen besorgt mitverfolgt habe. Nicht um Sie theologisch zu belehren, diese Bildung und Position habe ich bei Gott nicht, aber um Ihnen ein wohlwollendes Feedback von der katholischen Basis zu geben. Bei der gestrigen Sonntagsmesse entschloss ich mich dann endgültig dazu, denn da kam es zu einer denkwürdigen Begebenheit.

Gestern hörten wir im Evangelium ja vom Gleichnis des Königs, der die Hochzeit seines Sohnes vorbereitet. Er schickt seine Diener, die eingeladenen Gäste zu holen, doch die haben kein Interesse zu kommen und formulieren die verschiedensten Ausreden. Darauf befiehlt der König den Dienern alle einzuladen, die sie auf der Straße antreffen. So füllt sich der Hochzeitssaal. Jetzt wird’s dramatisch: Als der König den Saal betritt, sieht er einen Mann, der kein Hochzeitsgewand trägt. Der König stellt ihn verärgert zur Rede, doch dieser wusste darauf keine Antwort. Da ließ ihn der König in die „äußerste Finsternis“ werfen, mit der abschließenden Bewertung Jesu, der das Gleichnis erzählt hat, quasi als Moral der Geschichte: „Denn viele sind gerufen, aber nur wenige sind auserwählt“. (Mt 22,1-14)

Anschließend legte der Priester in der Predigt voll Liebe aber auch in großer Klarheit dieses Gleichnis in Hinblick auf die Eucharistie aus. So sprach er davon, dass Gott uns einlädt, mit Jesus die Hl. Messe zu feiern. Viele von den geladenen Menschen haben aber Ausreden, warum sie am Sonntag nicht zur Messe gehen. Und dann gibt es aber welche, die doch zur Messe kommen, aber die Kommunion „ohne Hochzeitsgewand“, also nicht im Stand der Gnade empfangen wollen. Der Priester erklärte: Man befindet sich im Stand der Gnade, wenn man alle schweren Sünden vollständig gebeichtet hat. Und bei diesem Punkt der unveränderlichen kirchlichen Lehre kam Unmut im Volk auf und einige Leute verließen entrüstet die Kirche.

Die verbitterten und empörten Gesichter dieser armen Menschen haben mich sehr erschrocken und gleichzeitig nachdenklich gemacht. Das war so unangenehm aggressiv, aber auch so ...verletzt. Ich kenne diese Menschen nicht persönlich, aber ich interpretiere, dass sie sich nicht dafür interessieren, was sie tun müssen um die heilige Kommunion würdig zu empfangen, sondern sich darüber entrüsten, dass ihnen irgendwer Bedingungen zu stellen wagt, bevor sie auch da „dabei“ sein können. Denn für sie gehört der Kommunionempfang wahrscheinlich zum sporadischen Messbesuch dazu wie das Amen im Gebet, ohne den Unterschied zwischen dem einen und dem anderen groß zu reflektieren. Aber die Realpräsenz des Gottessohnes in der Materie des Brotes ist für sie wahrscheinlich schon lange in die Gegend von Ammenmärchen gerückt, die die Priester ihrer Meinung nach wohl selber nicht mehr ganz glauben. Für die Eucharistie sein Leben zu lassen wäre für diese Menschen ein klarer Fall von verquertem, verdrehtem religiösen Fanatismus. Und einer, der aus Ehrfurcht zuerst die Versöhnung mit Gott im Beichtstuhl sucht, ist für sie wohl ein skrupulanter, selbstunsicherer Neurotiker der von seinem Über-Ich gepeinigt wird.

Ein befreundeter Priester erzählte uns kürzlich von Kinderbeichten, in denen ihm „gebeichtet“ wurde: „Ich kann sehr gut Fußball spielen, kümmere mich brav um meinen Hund und bin lieb zu meiner kleinen Schwester“. Denn die Religionslehrerin kam auf die brillante Idee, dass die kleinen Erstkommunionsanwärter mal ihre positiven Seiten hervorheben und die böse Kirche nicht immer auf den Schwächen der Menschen herumhacken sollte.

Viele Menschen erachten sich heute prinzipiell für „würdig“, egal, wie sie ihr Leben vorher gelebt haben und sie haben NICHTS zu bereuen. Und Gott und seine Kirche haben schon gar nicht die Autorität, ihnen Vorwürfe zu machen oder gar irgendetwas zu fordern. Hier ist die verhärtete Haltung des traurigen „non serviam!“ mit Händen greifbar. Ich hörte mal von einer Pastoralassistentin, die die Kirchengemeinde anwies, nicht mehr zu sagen „Herr ich bin nicht würdig, dass Du eingehst...“ sondern eben „Herr ich bin würdig...“ Das ist schrecklich, weil diesen armen Menschen damit die Gottesbeziehung abhanden kommt und sie vereinsamen – und verbittern. Ich kenne keine Befürworter solch einer „Theologie“, die nicht verbittert wären. Ein selbstgebastelter Gott, der nur mehr Hampelmann der eigenen „Bedürfnisse“ ist und keine moralischen Forderungen mehr stellen darf, an denen der Mensch wachsen kann, ist eine leblose Marionette, kein starker Schöpfergott der mich trägt und im Dasein erhält. Und damit ist die erhebende Gottesbeziehung zum traurigen Selbstgespräch degradiert.

Hochwürdigste Eminenz, lieber Kardinal Kasper, die meisten Leute um uns an der katholischen Basis haben keinen Sinn und Ehrfurcht vor der Eucharistie. Sie wissen nicht mehr was das ist, weil die „Pastoral“ schon lange um weit weniger wichtige Dinge kreist. Glauben Sie mir bitte, hier unten würden viele nicht mehr für die konsekrierte Hostie das Leben geben, wie Sie das seit Ihrer Kardinalsernennung mit dem Märtyrerrot bekennen. Viele auf der Straße wissen gar nicht mehr, dass die Eucharistie für uns Katholiken das Zentrum unseres Glaubens ist und dass man sich innerlich vorbereiten muss (JEDER!!!), um sie würdig zu empfangen.

Als ich unlängst im Firmunterricht die Beichte erklärte, erzählte ein Mädchen, eine fromme Ministrantin, eine tragische Begebenheit: als sie sich der Wichtigkeit der Eucharistie bewusst wurde, beschloss sie, vor der nächsten Kommunion lieber beichten zu gehen. Als Messdienerin signalisierte sie dem Kommunionspender (einem Laien) in der Messe, dass sie diesmal nicht kommunizieren wollte. Der reagierte überrascht und stellte sie prompt nach der Messe zur Rede. Er fragte sie tatsächlich, was sie denn gegen ihn hätte, dass sie nicht bei ihm kommunizieren wollte. Wie traurig! Da versteht ein außerordentlicher Spender selbst offensichtlich nicht mehr, was bzw. WEN er da in der Hand hat. Und stellt sich dadurch selbst – völlig zu Unrecht – in den Mittelpunkt des Geschehens...

Sie fragen in Ihrem oft zitierten „Evangelium von der Familie“: „Aber wenn ein geschiedener Wiederverheirateter [...] Verlangen nach den Sakramenten als Quelle der Kraft in seiner Situation hat – müssen und können wir ihm dann nach einer Zeit der Neuorientierung das Sakrament der Buße und die Kommunion verweigern?“ Nun, wenn er Verlangen nach dem Sakrament hat WEIL das Sakrament Jesus Christus in Person ist, den er hier empfängt, dann wird er sicherlich bereit sein, zu beichten und in Zukunft enthaltsam zu leben. Der heilige Johannes Paul II formuliert in Familiaris consortio: „...wenn die beiden Partner aus ernsthaften Gründen - zum Beispiel wegen der Erziehung der Kinder - der Verpflichtung zur Trennung nicht nachkommen können, sie sich verpflichten, völlig enthaltsam zu leben, das heißt, sich der Akte zu enthalten, welche Eheleuten vorbehalten sind". Aber ich fürchte, dass viele nur ein vages „Verlangen nach den Sakramenten“ haben um dazuzugehören, normal zu erscheinen oder ganz simpel, es als Affront empfinden, dass sie sich auch nur ein bisschen ändern müssten. Und bei denen sollten wir doch besser mal beim eucharistischen Verständnis anknüpfen, denke ich...

Ihre ergebene
Victoria Bonelli

Briefe aus Siena erscheinen regelmäßig auf kath.net. In einer Anlehnung an die berühmten Schriften der Hl. Katharina von Siena schreibt kath.net-Mitarbeiterin Victoria Bonelli hier an ausgewählte Persönlichkeiten der Kirche. Die Briefe erscheinen exklusiv auf kath.net und werden auch auf dem Postweg an die Adressaten übermittelt. Copyright der Texte by kath.net!





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