23. Oktober 2014 in Aktuelles
Benedikt XVI.: Wo das Ethos in seinem über das Pragmatische hinausweisenden wahren Wesen und der Blick auf Gott keinen Raum mehr findet, ist der Mensch nicht größer, sondern kleiner geworden. Von Armin Schwibach
Rom (kath.net/as) Am 21. Oktober fand im Rahmen des Beginns des akademischen Jahres 2014-2015 der Päpstlichen Universität Urbaniana die feierliche Eröffnung der restaurierten Aula Magna statt, die Benedikt XVI. gewidmet ist: Ein Gestus der Dankbarkeit für das, was Benedikt XVI. als Peritus während des Konzils, mit seiner Lehre als Dozent, als Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre und schließlich mit seinem kostbaren Lehramt für die Kirche getan hat, so die Begründung des Athenäums.
Die Päpstliche Universität Urbaniana ist die wichtigste Einrichtung der Kongregation für die Evangelisierung der Völker. Schwerpunkt der Ausbildung ist die kulturelle und wissenschaftliche Ausbildung der Mitarbeiter in den Missionsländern, wie von Missionaren oder missionswissenschaftlichen Fachkräften und Fachkräften anderer Disziplinen.
An den Feierlichkeiten nahm der persönliche Sekretär des emeritierten Papstes und Präfekt des Päpstlichen Hauses, Erzbischof Georg Gänswein, teil, der eine zu diesem Anlass von Benedikt XVI. verfasste Botschaft verlas.
In seiner Botschaft setzte sich Benedikt XVI. mit der Wahrheit der Religion und der wahren Religion auseinander und erinnerte daran, dass katholisch dieses Prädikat der Kirche, das seit ältesten Zeiten dem Glaubensbekenntnis zugehöre etwas Pfingstliches an sich habe: Es erinnert daran, dass die Kirche Jesu Christi nie eine Sache eines einzelnen Volkes oder einer einzelnen Kultur gewesen ist, sondern von Anfang an für die Menschheit bestimmt war.
Der auferstandene Herr hat seine Apostel und durch sie hindurch die Jünger aller Zeiten damit beauftragt, sein Wort bis an die Enden der Erde zu tragen und die Menschen zu seinen Jüngern zu machen. Das II. Vaticanum hat, die Tradition aller Jahrhunderte aufgreifend, im Dekret Ad Gentes die inneren Gründe für diesen missionarischen Auftrag beleuchtet und ihn damit mit neuer Kraft in die Kirche von heute hineingesprochen.
Aber gilt das wirklich noch, so fragen sich viele Menschen heute innerhalb und außerhalb der Kirche? Ist Mission wirklich noch zeitgemäß? Ist es nicht angemessener, im Dialog der Religionen einander zu begegnen und miteinander dem Frieden in der Welt zu dienen? Die Gegenfrage lautet: Kann der Dialog die Mission ersetzen? Viele Menschen sind heute in der Tat der Auffassung, die Religionen sollten einander gegenseitig respektieren und im Dialog miteinander zu einer gemeinsamen Kraft des Friedens werden
Bei solchen Auffassungen sei meistens vorausgesetzt, dass die verschiedenen Religionen Variationen ein und derselben Wirklichkeit seien; dass Religion das gemeinsame Genus sei, das sich in unterschiedlichen Kulturen unterschiedlich gestaltet und dabei doch dieselbe Realität ausdrückt. Die Frage nach der Wahrheit, die die Christen ursprünglich vor allem bewegt hatte, wird hier ausgeklammert.
Man setzt voraus, dass die eigentliche Wahrheit über Gott letztlich unerreichbar sei und dass nur in verschiedenen Symbolen allenfalls das Unaussprechliche vergegenwärtigt werden könne. Dieser Verzicht auf die Wahrheit scheint realistisch und dem Frieden der Religionen in der Welt dienlich. Aber sie ist zugleich tödlich für den Glauben. Denn er verliert seine Verbindlichkeit und seinen Ernst, wenn dies alles nur letztlich austauschbare Symbole sind, die nur von weitem auf das unzugängliche Geheimnis des Göttlichen verweisen.
So werde deutlich, dass die Frage nach der Mission vor die Grundfragen nicht nur des Glaubens, sondern des Menschseins überhaupt stelle. Benedikt formulierte dann eine Andeutung, in welche Richtung unser Denken gehen sollte. Ich tue es von zwei verschiedenen Ausgangspunkten her.
kath.net veröffentlicht die Botschaft des emeritierten Papstes Benedikt XVI. an die Päpstliche Universität Urbaniana anlässlich der Eröffnung der restaurierten Aula Magna im Wortlaut:
Zunächst möchte ich meinen ganz herzlichen Dank dem Rector Magnificus und den anderen akademischen Autoritäten der Päpstlichen Universität Urbaniana, den Vertretern der Verwaltung und der Studenten für den von ihnen gemachten Vorschlag ausdrücken, die restrukturierte Aula Magna unter meinen Namen zu stellen. Mein ganz herzlicher Dank gilt besonders auch dem Großkanzler der Universität, Kardinal Fernando Filoni dafür, dass er dieser Initiative zugestimmt hat. Es ist für mich eine große Freude, dass ich auf diese Weise in der Arbeit der Päpstlichen Universität Urbaniana immer mit gegenwärtig sein darf. Bei den verschiedenen Besuchen, die ich dort als Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre machen konnte, war ich immer beeindruckt von der weltweiten Atmosphäre dieser Universität, in der junge Menschen aus fast allen Ländern der Erde sich auf den Dienst des Evangeliums in der Welt von heute vorbereiten. So sehe ich auch heute die Gemeinschaft vieler junger Menschen vor mir, die in diesem Saal versammelt sind und uns die wunderbare Realität der katholischen Kirche lebendig spüren lassen. Katholisch dieses Prädikat der Kirche, das seit ältesten Zeiten dem Glaubensbekenntnis zugehört, hat etwas Pfingstliches an sich: Es erinnert daran, dass die Kirche Jesu Christi nie eine Sache eines einzelnen Volkes oder einer einzelnen Kultur gewesen ist, sondern von Anfang an für die Menschheit bestimmt war. Macht alle Menschen zu meinen Jüngern, hat der Herr als letztes Wort zu seinen Jüngern gesagt (Mt 28, 19). Und in der Stunde von Pfingsten haben die Apostel in allen Sprachen gesprochen und so die innere Weite ihres Glaubens durch die Kraft des Heiligen Geistes darstellen können.
Seitdem ist die Kirche wirklich über alle Kontinente hin gewachsen. Eure Anwesenheit, liebe Studentinnen und Studenten, spiegelt die weltweite Gestalt der Kirche. Der Prophet Sacharja hatte ein messianisches Reich angekündigt, das von Meer zu Meer reichen und ein Reich des Friedens sein werde (Sach 9, 9f). In der Tat, wo immer Eucharistie gefeiert wird und Menschen vom Herrn her ein Leib miteinander werden, ist etwas von dem Frieden Jesu Christi anwesend, den zu geben er seinen Jüngern versprochen hatte. Ihr, liebe Freunde, seid Mitträger dieses Friedens, den in einer zerrissenen und gewalttätigen Welt zu bauen und zu hegen immer noch dringender wird. Deshalb ist die Arbeit Eurer Universität so wichtig, in der Ihr Jesus Christus näher kennenlernen wollt, um zu seinen Zeugen werden zu können.
Der auferstandene Herr hat seine Apostel und durch sie hindurch die Jünger aller Zeiten damit beauftragt, sein Wort bis an die Enden der Erde zu tragen und die Menschen zu seinen Jüngern zu machen. Das II. Vaticanum hat, die Tradition aller Jahrhunderte aufgreifend, im Dekret Ad Gentes die inneren Gründe für diesen missionarischen Auftrag beleuchtet und ihn damit mit neuer Kraft in die Kirche von heute hineingesprochen.
Aber gilt das wirklich noch, so fragen sich viele Menschen heute innerhalb und außerhalb der Kirche? Ist Mission wirklich noch zeitgemäß? Ist es nicht angemessener, im Dialog der Religionen einander zu begegnen und miteinander dem Frieden in der Welt zu dienen? Die Gegenfrage lautet: Kann der Dialog die Mission ersetzen? Viele Menschen sind heute in der Tat der Auffassung, die Religionen sollten einander gegenseitig respektieren und im Dialog miteinander zu einer gemeinsamen Kraft des Friedens werden. Bei solchen Auffassungen ist meistens vorausgesetzt, dass die verschiedenen Religionen Variationen ein und derselben Wirklichkeit seien; dass Religion das gemeinsame Genus sei, das sich in unterschiedlichen Kulturen unterschiedlich gestaltet und dabei doch dieselbe Realität ausdrückt. Die Frage nach der Wahrheit, die die Christen ursprünglich vor allem bewegt hatte, wird hier ausgeklammert. Man setzt voraus, dass die eigentliche Wahrheit über Gott letztlich unerreichbar sei und dass nur in verschiedenen Symbolen allenfalls das Unaussprechliche vergegenwärtigt werden könne. Dieser Verzicht auf die Wahrheit scheint realistisch und dem Frieden der Religionen in der Welt dienlich. Aber sie ist zugleich tödlich für den Glauben. Denn er verliert seine Verbindlichkeit und seinen Ernst, wenn dies alles nur letztlich austauschbare Symbole sind, die nur von weitem auf das unzugängliche Geheimnis des Göttlichen verweisen.
Liebe Freunde, Ihr seht, dass uns die Frage nach der Mission vor die Grundfragen nicht nur des Glaubens, sondern des Menschseins überhaupt stellt. Im Rahmen eines kleinen Grußwortes kann ich diese Problematik, die uns alle heute zutiefst betrifft, selbstverständlich nicht auszuleuchten versuchen. Aber ich möchte doch eine Andeutung formulieren, in welche Richtung unser Denken gehen sollte. Ich tue es von zwei verschiedenen Ausgangspunkten her.
I.
1. Die allgemeine Vorstellung ist es wohl, dass die Religionen sozusagen nebeneinander stehen, wie die Kontinente und die einzelnen Länder auf der Landkarte. Dies trifft aber nicht zu. Die Religionen sind in einer geschichtlichen Bewegung, wie die Völker und Kulturen in Bewegung sind. Es gibt wartende Religionen. Die Stammesreligionen sind von dieser Art: Sie haben ihre geschichtliche Stunde und warten doch auf eine größere Begegnung, die sie ins Ganze hineinführt. Wir als Christen sind überzeugt, dass sie im stillen auf die Begegnung mit Jesus Christus warten auf das Licht, das von ihm kommt und sie erst ganz zu ihrem Eigentlichen bringen kann. Und Christus wartet auf sie. Die Begegnung mit ihm ist nicht das Einbrechen eines Fremden, das die eigene Kultur und Geschichte zerstören würde. Sie ist vielmehr das Aufbrechen ins Größere hinein, auf das sie unterwegs sind. So ist diese Begegnung immer zugleich Reinigung und Reifung. Die Begegnung ist im übrigen durchaus zweiseitig. Christus wartet auf ihre Geschichte, deren Weisheit und Einsichten. Heute sehen wir auch noch einen anderen Aspekt immer deutlicher: Während das Christentum in den Ländern seiner großen Geschichte vielfach müde geworden ist und manche Äste des großen Baumes aus dem Senfkorn des Evangeliums verdorren und zur Erde fallen, bricht durch die Begegnung der wartenden Religionen mit Christus neues Leben auf. Neue Dimensionen des Glaubens zeigen sich und bringen Freude, wo vorher nur Müdigkeit gewesen war.
2. Religion ist in sich kein einheitliches Phänomen. In ihr sind immer verschiedene Dimensionen zu unterscheiden. Da steht auf der einen Seite das Große des Aufbruchs über die Welt hinaus zum ewigen Gott hin. Auf der anderen Seite aber finden sich die Elemente, die aus der eigenen Geschichte der Menschen und ihrem Umgang mit der Religion entstanden sind. Darin kann durchaus Schönes und Ehrwürdiges enthalten sein, aber auch Niedriges oder gar Zerstörerisches, in dem die Eigensucht des Menschen sich der Religion bemächtigt und sie, statt zu öffnen, zur Verschließung ins Eigene umgestaltet hat. Deshalb ist Religion nie einfach nur ein positives oder negatives Phänomen, sondern beides ist vermischt in ihr. Die christliche Mission hat in ihren Ursprüngen in den heidnischen Religionen, auf die sie traf, vor allen Dingen deren negative Elemente sehr stark wahrgenommen. Aus diesem Grunde war die christliche Verkündigung zunächst extrem religionskritisch. Nur im Überwinden ihrer negativen Traditionen, die sie teils auch als dämonisch angesehen hat, konnte der Glaube seine erneuernde Kraft entfalten. Der evangelische Theologe Karl Barth hat von solchen Sachverhalten her Religion in Gegensatz zum Glauben gesetzt und sie durchaus negativ eingestuft als selbstmächtiges Verhalten des Menschen, der von sich aus Gott zu ergreifen versucht. Dietrich Bonhoeffer hat diese Linie aufgenommen und für ein religionsloses Christentum plädiert. Dies ist zweifellos eine einseitige Sicht, die so nicht aufgenommen werden kann. Richtig aber ist, dass jede Religion, um recht zu bleiben, immer auch zugleich religionskritisch sein muss. Dies gilt von seinen Ursprüngen und seinem Wesen her ganz klar für den christlichen Glauben, der einerseits in Ehrfurcht vor dem inneren Warten und dem inneren Reichtum der Religionen steht, andererseits aber auch kritisch das Negative sieht. Selbstverständlich muss christlicher Glaube auch gegen die eigene Religionsgeschichte immer wieder solch kritische Kraft entfalten. Für uns Christen ist Jesus Christus der Logos Gottes, das Licht, das uns hilft, zwischen Wesen und Unwesen der Religion zu unterscheiden.
3. In der Gegenwart werden die Stimmen lauter, die uns einreden wollen, dass Religion an sich überholt sei. Nur die kritische Vernunft dürfe das Handeln des Menschen bestimmen. Hinter solchen Auffassungen steht die Meinung, mit dem positivistischen Denken sei nun die Vernunft in ihrer ganzen Reinheit endgültig zur Herrschaft gekommen. In Wirklichkeit ist auch diese Art zu denken und zu leben historisch bedingt und an historische Kulturen gebunden. Sie als alleingültig zu betrachten, würde den Menschen verkleinern und ihm wesentliche Dimensionen seiner Existenz nehmen. Wo das Ethos in seinem über das Pragmatische hinausweisenden wahren Wesen und der Blick auf Gott keinen Raum mehr findet, ist der Mensch nicht größer, sondern kleiner geworden. Die positivistische Vernunft hat ihren Ort in den großen Handlungsfeldern von Technik und Wirtschaft, aber sie füllt nicht das Ganze des Menschseins aus. So kommt es uns, den Glaubenden, zu, immer wieder die Türen aufzustoßen über das bloß Technische und Pragmatische hinaus zur ganzen Größe unserer Existenz, zur Begegnung mit dem lebendigen Gott.
II.
1. Diese vielleicht etwas mühseligen Überlegungen sollten zeigen, dass auch heute in einer tiefgehend veränderten Welt der Auftrag sinnvoll bleibt, den anderen das Evangelium von Jesus Christus mitzuteilen. Es gibt aber auch eine zweite, einfachere Weise, diesen Auftrag heute zu begründen. Freude muss sich mitteilen. Liebe muss sich mitteilen. Wahrheit muss sich mitteilen. Wer eine große Freude empfangen hat, kann sie einfach nicht für sich behalten, er muss sie weitergeben. Das Gleiche gilt für das Geschenk der Liebe, für das Geschenk der Einsicht in Wahrheit, die einem aufleuchtet. Als Andreas Christus begegnet war, konnte er einfach nicht anders, als seinem Bruder zu sagen: Wir haben den Messias gefunden (Joh 1, 41). Und Philippus, dem die gleiche Begegnung geschenkt war, konnte nicht anders als dem Nathanael sagen, dass er den gefunden hatte, von dem Moses und die Propheten gesprochen hatten (Joh 1, 45). Wir verkünden Jesus Christus nicht, um möglichst viele Mitglieder für unsere Gemeinschaft zu sammeln und schon gar nicht, um auf diese Weise Macht zu erhalten. Wir erzählen von ihm, weil wir die Freude weitergeben müssen, die uns geschenkt wurde.
Überzeugende Verkünder Jesu Christi werden wir dann sein, wenn wir Ihm wirklich in der Tiefe unserer Existenz begegnet sind, wenn durch die Begegnung mit Ihm uns die große Erfahrung der Wahrheit, der Liebe und der Freude geschenkt worden ist.
2. Zum Wesen der Religion gehört die innere Spannung zwischen der mystischen Hingabe an Gott, die sich ganz Ihm übergibt, und der Verantwortung für die Mitmenschen und für die Welt, die Gottes Geschöpf ist. Maria und Martha sind immer untrennbar, auch wenn die Akzente jeweils anders ausfallen können. Die Vermittlung, in der sich die beiden Pole treffen, ist die Liebe, in der wir Gott und seine Geschöpfe zugleich berühren. Wir haben die Liebe erkannt und geglaubt (1 Joh 4, 16): Dieser Satz drückt das wahre Wesen des Christentums aus. Die Liebe, die sich in den Heiligen aller Jahrhunderte auf vielfältige Weise realisiert und spiegelt, ist der wirkliche Beweis für die Wahrheit des Christentums.
Benedikt XVI.
kath.net dankt Seiner Heiligkeit Benedikt XVI. für die freundliche Genehmigung zur Veröffentlichung.
Predigt von Joseph Kardinal Ratzinger bei der Eröffnungsmesse des Konklaves 2005 - er ging aus dem Konklave als Papst Benedikt XVI. hervor:
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