27. Oktober 2014 in Kommentar
Die Bischofssynode ist keine Volkskammer Brennt nur Eure Feuerwerke ab über dem Petersplatz. Die Karawane zieht weiter. Gastkommentar von Franz Norbert Otterbeck
Köln (kath.net) Nostalgiker der vor bald 25 Jahren untergegangenen demokratischen Republik auf deutschem Boden wissen noch, wie in der Diktatur von Ost-Berlin die Gesetzgebung der Volkskammer vor sich ging: Immer einmütig, angeleitet vom Führungsanspruch der Partei. Scheindemokratismus, sozusagen Synodalismus. Auch in der Evangelischen Kirche deutscher Nation gilt seit ca. 1517 immer nur nahezu eine Meinung, die politisch angesagte.
Die Bischofssynode hingegen ist ein völlig anderes Instrument. Schon der Kirchenrechtler Hans Barion bemerkte zu Konzilszeiten einen genialen Zug daran, dass der selige Papst Paul VI. die Idee des Bischofsrats, mit der einige Konzilsväter eine Art kollektive Führung der Catholica ins Spiel brachten, ins Gegenteil befahl und als Mittel der Ausübung des päpstlichen Primats konstruierte. Sie entwickelt sich schon seit 1967 in dieser Struktur fort, überdies: reversibel, wie auch die Bischofskonferenzen, deren Befugnisse vom Primat Petri her definiert sind, nicht aus der sogenannten Kollegialität. Der Papst strukturiert das Kollegium der Bischöfe, die ihm ihrerseits nichts nehmen können (vgl. Nota praevia zu Lumen gentium, 1964).
Nach viel Wirbel und manchen gravierenden Fehlleistungen der Synodalführung weil vielleicht doch Partei hat Papst Franziskus zum Schluss die pastorale Linke abserviert; und die hat es nicht einmal bemerkt, angesichts der standing ovations der Synode für den Papst, wie sie nicht einmal ein Obama mehr seitens der democratic convention erlebt.
Statt von Revolution kräht man jetzt heiser von geduldiger Revolution. Bergoglio SJ will aber gar keine Revolution, sondern Mission, seit seiner (vorkonziliaren) Erwählung in der Jugendzeit. Die Kollegialität bin ich, sagte er sinngemäß am 18.10.2014 unter Verweis auf ein langes Zitat von Papst Benedikt zur Autorität als Dienst der Päpste, kath.net hat berichtet. Diese Autorität gibt es, weil sonst nichts zu etwas dient in der Kirche. Der Heilige Vater benötigte also kaum mehr als fünf Minuten, um u.a. den neuesten Bestseller von Antonio Socci zu erledigen (Non è Francesco).
Selbstverständlich ist es die wichtigste Aufgabe des Papsttums von Zeit zu Zeit zu Innovationen vorzustoßen, denn die Tradition ist eine Aufgabe der Weitergabe des Glaubens. Tote Formeln irgendwelcher Konfessionsgründer (Luther, Calvin, Lefebvre usw.) kann man auch ohne aktives Magisterium der Kirche repetieren. Zwischen Sixtus V. 1588 und Paul VI. war übrigens der heilige Pius X. der brutalstmögliche Modernisierer der Kirche. Sein Kampf gegen die Versammlung sämtlicher Irrtümer im Modernismus schloss immer die Kraft zur amtlichen Reform ein. Ecclesia semper reformanda: Die Kirche sei immer zu reformieren. Wenngleich dieses Zitat nicht aus der Antike stammt, sondern eine calvinistische Prägung ist: Es besagt nicht, dass die Kirche immer anders zu sein hat (gerade der Calvinismus ist völlig unbeweglich, daher fast ausgestorben), sondern meint das immer gleiche Ringen der Kirche um die von Christus gewollte Form, um mehr Licht sozusagen.
Diese Linie ist eine ununterbrochene Linie, von der gregorianischen Reform um 1075 über die tridentinische Reform nach 1564 bis zum jüngsten Konzil und darüber hinaus, aber nie in die Gegenrichtung. Das Konsistorium der Kardinäle ähnelte vor 1588 bisweilen einem Politbüro, einer kollektiven Führung. Aber das war ein Irrweg, den die Römische Bischofssynode nicht beschreiten wird. Denn der Primat des Petrusnachfolgers ist nicht nur Rechtssatz, sondern seit 1870 ein konziliar definiertes Dogma, irreversibel, zu glauben vorgelegt. Disponibel ist allerdings seine Ausübung, wie etwa die Gesetzgebung von Benedikt XVI. für die unierten Anglikaner gezeigt hat; auch eine petrinische Innovation, übrigens.
Die pastorale Linke (ob man nun Kasper-Marx dazuzählen will oder nicht) weiß, dass ihr kaum noch Zeit bleibt, da sie keine neue Generation erzeugen konnte. Ihre Ideen könnte sie nur noch durch einen Putsch des Papstes gegen das Papsttum durchsetzen. Diese Revolution fällt aber aus. Ebenso unmöglich war es, vom spanischen König zu vermuten, dass er den Militärputsch von 1981 absegnet. Aus der Curia Romana wird also keine linkskatholische Sowjetrepublik werden.
Der Jubel der revolutionären Partei stützt sich schon jetzt nur noch auf Minimalismen, auf drei Absätze in einer orientierenden Relatio synodi. Weil aber der Jubel so laut ist, als habe der Papst bereits die Frauen- bzw. offene Schwulenordination befohlen, den Zölibat abgeschafft und das VI. und IX. Gebot gleich mit, breitet sich bei der rechten Elite ein intransigentes Unbehagen aus. Dieses ist nicht auf einen Faktencheck gestützt, sondern wehrt den Lärm von links ab. Emotionen zulassen Pyrotechnik legalisieren, möchte man fast meinen. So warben mal Fußballfans für Feuer im Stadion. Nun gut: brennt nur Eure Feuerwerke ab über dem Petersplatz. Die Karawane zieht weiter. Wahrscheinlich führt Papst Franziskus, wie in Wahrheit auch schon Benedetto, Mitte-rechts und Mitte-links in der Kirche näher zusammen. Im Zeitalter der Religionsfreiheit dürfen die Extremisten ja auswandern. Es könnte ihm aber vor allem eine Heilung der horizontalen Spaltung gelingen. Denn in vielen Weltgegenden agieren ja Bischöfe völlig losgelöst vom Volk der Beter, dem noch manches gelingen wird. Hier hilft aber kein wie auch immer gearteter ekklesiogener Parlamentarismus, sondern eine redliche öffentliche Meinung inmitten der Hierarchie.
Fast jeder deutschzüngige Bischof lässt sich von unten nichts sagen, wenn die Meinung von außerhalb seines Beschäftigungssektors kommt. Die bischöfliche Führungskraft wird vom feisten Apparat nahezu vollends absorbiert. Der pastorale Output tendiert hierzulande seit langem gegen Null, mit stark fallender Tendenz. Weil die Kirchen hier Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen sind, sonst nichts. Somit hat Kardinal Scola bei der Dankmesse zur Seligsprechung in Rom, am 20. Oktober, die Synode richtig so zusammengefasst: Die Familie soll fortan selber Subjekt der Weitergabe des Glaubenslebens sein, also viel mehr als nur Objekt irgendeiner cura pastorale. Das wird nördlich der Alpen kaum gelingen, wo es seit Würzburg 1975 kaum noch Seelsorge gibt, die diesen Namen verdient, wohl aber Bürokratie, Vermögensverwaltung und Pressesprecher. Vor diesem Hintergrund konnten traditionalistische Oasen zu attraktiven Erholungsorten für praktizierende Katholiken werden, zu Basisgemeinden sozusagen. Die aber, die 1970 ff. sangen Wo das rote Meer grüne Welle hat , die zogen nicht frei, sondern zogen ab. Diese kehren auch nicht wieder, wenn das kanonische Recht insgesamt abgeschafft würde, anstatt nur, im Wirkungskreis des Sekretariats der Deutschen Bischofskonferenz, von verwaltungsrechtsähnlichen Normenfluten unterspült. Es lebe die Deutsche Demokratische Bischofsrepublik! Ohne Volk, aber mit Kämmerern und Krämern: Die Exekutive braucht Verständnis, Liebe.
Die Synode ist aber keine Volkskammer. Das Volk hingegen, das deutsche Theologen seit 1517, 1933, 1968 beschwören, ist inexistent, ein Abstraktum, ganz so wie das Volk, in dessen Namen die SED dirigierte und orchestrierte, kollektiv in den Abgrund. In Gottes Namen gibt es keinen Führungsanspruch einer Theologenclique, dank höherer Einsicht. Wo dieser beansprucht wurde, da gelangte immer die politische Herrschaft über die religiösen Dinge zum Durchbruch. So beansprucht von Kaiser Heinrich IV. vor Canossa, so auch beansprucht vom Landgrafen Philipp zu Zeiten der so gen. Reformation. Heute beansprucht die Führung, als Karikatur größerer Vorbilder, das ZdK um Alois Glück, unter dem Beifall einiger emeritierter und einiger auxiliarer Bischöfe. Das aber sind die Schlachten vergangener Epochen. Konzil und Papst zielen seit 1962 auf das wirkliche Volk Gottes. Für die Agenda des 21. Jahrhunderts haben Benedikt-Franziskus eine gemeinsame Schlagzeile gesetzt: Entweltlichung der Kirche, für eine bessere Welt.
© 2014 www.kath.net