Oster: Heilige sind keine 'Superleistungssportler der Tugend'

3. November 2014 in Spirituelles


Passauer Bischof umkreist in zwei Predigten zu Allerheiligen und Allerseelen die Themen dieser Festtage: „Unser Weg ist der Herr selbst, er ist unser Heil und führt uns in die Heiligkeit. Er führt uns in die Gemeinschaft mit allen Heiligen.“


Passau (kath.net/pbp) In zwei Predigten umkreiste der Passauer Bischof Stefan Oster (Foto) die Grundthemen der kirchlichen Festtage Allerheiligen und Allerseelen.

kath.net dokumentiert die Allerheiligenpredigt von Bischof Oster, gehalten am 1.11.2014 im Passauer Dom, in voller Länge:

Schwestern und Brüder,
in unserer Gesellschaft gibt es seit langem ein nützliches Instrument für Menschen, die besondere Erfahrungen, meistens Leiderfahrungen gemacht haben. Ich spreche von so genannten Selbsthilfegruppen. Menschen tun sich in solchen Gruppen zusammen, um sich auszutauschen über das, was sie erlebt haben oder erleben. Sie tun das in der Regel deshalb, weil sie sich bei Ihresgleichen besser verstanden fühlen, als bei solchen, die ähnliche Erfahrungen nicht kennen. Vielmehr fühlen sie sich in einer Umgebung von anderen Menschen, die die Tiefe und Schwere manch spezieller Erfahrungen nicht nachvollziehen können, sogar unverstanden und unerkannt. Und ist es nicht auch eine Erfahrung von jedem von uns, dass sich Gleiches gern zu Gleichem gesellt? Wir Menschen suchen andere Menschen mit ähnlichen Interessen, oder Menschen, die ähnlich ticken wie wir, oder Menschen, die aus einem ähnlichen biographischen Hintergrund kommen usw. Es ist offenbar ein menschliches Grundgesetz: Man fühlt sich von solchen verstanden und deshalb auch tiefer erkannt, die in bestimmten Bereichen unsere eigene Erfahrungswelt berühren und teilen können. Ich möchte, dass wir diesen Hintergrund im Auge behalten, wenn wir einen wichtigen Satz aus der heutigen 2. Lesung aus dem 1. Johannesbrief jetzt noch einmal hören: Da heißt es: „Die Welt erkennt uns nicht, weil sie ihn nicht erkannt hat“. Sie wissen vermutlich, dass in der Hl. Schrift das Wort „erkennen“ meistens mehr bedeutet als nur „Wissen erwerben“. Erkennen hat hier vor allem mit Beziehung zu tun, mit dem Vertrautwerden miteinander, mit dem wirklichen Einander-Verstehen. Denken Sie wieder an die Selbsthilfegruppe.

Aber was ist es nun, das laut Johannes die Welt an uns Christen nicht erkennt? Der Satz davor erklärt es. Hier schreibt Johannes: „Seht wie groß die Liebe Gottes ist, die der Vater uns geschenkt hat: Wir heißen Kinder Gottes und wir sind es.“ Wir sind Kinder Gottes. Umgangssprachlich sagen wir oft: Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Wir wollen damit zum Ausdruck bringen, dass Kinder ihre Herkunft oft nicht verleugnen können. Man sieht es Kindern manchmal einfach an, aus welchem Elternhaus sie kommen, woher sie ihre Begabungen haben, warum sie sich so oder so verhalten. Sie tragen ihre Herkunft irgendwie erkennbar mit sich herum. So etwas Ähnliches denkt Johannes nun auch von den Christen: Christen haben Gott und seine Liebe erkannt. Aber eben „erkannt“ als eine Art von tiefer Beziehungserfahrung. Christen ist im Umgang mit dem Gott, an den sie glauben, etwas widerfahren, was ihr Leben tief beeinflusst, durchdringt und verändert. Sie fühlen sich fortan zu Gott gehörig, sie lieben ihn, er ist in ihrem Leben und Denken geheimnisvoll gegenwärtig. Er prägt ihre ganze Existenz. Sie sind seine Kinder. Und sie erkennen deshalb auch untereinander, sie verstehen Ihresgleichen; sie sind Menschen mit ähnlicher Erfahrung. Sie bilden deshalb auch eine Gruppe, in der sie einander ihre Erfahrungen mit Gott austauschen und feiern; in der sie mehr noch immer neu ihren Glauben stärken dürfen, dass Gott wirklich da ist. Das heißt: Kirche ist auch eine Art Selbsthilfegruppe, eine heilsame Erzähl- und Erinnerungsgemeinschaft! Kirche ist aber doch zugleich viel mehr. Denn es ist nicht zuerst eine gemeinsam geteilte Leiderfahrung, die diese Gruppe ins Leben gerufen hat, sondern der lebendige Gott selbst ist es, der für uns gestorben und auferstanden ist. Er ist die Mitte dieser Gruppe. Aus der lebendigen Beziehung mit ihm leben die Christen miteinander und erkennen einander als seine Kinder.

Von hier liest sich dieser Satz der Lesung: „Die Welt erkennt uns nicht, weil sie ihn nicht erkannt hat“, gleich viel verständlicher. Es gibt besonders in einer Welt, die von Gott nichts wissen will, eine Art grundsätzliches Missverstehen und Nichtverstehen Gottes und seiner Kinder. Dieses Missverstehen, das bezeugt die Schrift an vielen anderen Stellen, kann sich bis zum Hass, bis zur Verfolgung und zum Mord steigern. Bei Johannes heißt es an anderer Stelle in seinem Evangelium etwa: „Wenn ihr von der Welt stammen würdet, würde die Welt euch als ihr Eigentum lieben. Aber weil ihr nicht von der Welt stammt, sondern weil ich euch aus der Welt erwählt habe, darum hasst euch die Welt.“ Hier spricht Jesus von einer Welt, die ohne Gott auskommen, die für sich und bei sich bleiben will, die sich auf Gott nicht einlassen will, die ihn deshalb nicht erkennen will und kann. Und umgekehrt spricht er von uns Christen, die wir nach seinem Wort eben nicht von der Welt stammen. Wir stammen tiefer und ursprünglicher von Gott, er ist unser Stamm, von dem der Apfel dann eben nicht weit fällt.

Natürlich kommt hier ein hoher Anspruch zum Ausdruck, der uns zu denken gibt: Christen sind nach dieser Darstellung eben Menschen, die aus einer tiefen, vertrauensvollen Beziehung zu Gott leben, eine Beziehung, die ihr ganzes Leben mit all seinen Facetten prägt und durchstimmt. So sehr, dass sie dafür auch in Kauf nehmen, von anderen unerkannt zu bleiben oder sogar gehasst zu werden. Und auf diese Aspekte macht uns heute sowohl das Evangelium wie auch die erste Lesung aufmerksam. In der Offenbarung des Johannes haben wir über die Liturgie des Himmels gehört, von den Tausenden, die da Gott die Ehre geben und ihn anbeten. Und auf die Frage, wer denn die Vielen seien, sagt einer der Ältesten: „das sind die, die aus der großen Bedrängnis kommen“. Das Evangelium wiederum klärt uns auf, was in dieser Welt Bedrängnis ist. Jesus preist diejenigen selig, die arm sind vor Gott, die von ihm alles erwarten. Er preist die selig, die hoffen, die mit den Trauernden trauern, die sich nach Frieden und Gerechtigkeit sehnen, die um seines Namens willen verfolgt werden, die, die ein reines Herz haben. Ganz offensichtlich lässt sich dieser berühmte Teil der Bergpredigt auch als Selbstbeschreibung für Jesus lesen. Er ist der Herzensreine, der Trauernde, der Mit-leidende, der Friedensstifter, der Verfolgte. Er ist es in Person. Und offenbar bedeutet es für alle diejenigen, die von seiner Art sind, ebenfalls, dass sie in dieser Weise wie er durch Bedrängnis gehen. Und zwar auch deshalb, weil es in unserer Welt Kräfte, Mächte, Einflüsse, Strömungen gibt, die verhindern wollen, dass Menschen so sind wie Christus. Sich-durchsetzen, Gewinnen, Erfolg-haben, von allen gelobt sein, unabhängig sein – vor allem von Gott - , das sind alles Dinge, die sich in einer Welt von heute sehr viel leichter verkaufen lassen, als arm sein vor Gott, barmherzig sein, ein reines Herz haben und bereit sein, um der Gerechtigkeit willen verachtet und verfolgt werden. Aber Jesus war so und er ist immer noch so. Und die Seinen, die aus seiner Gegenwart leben, die nicht weit vom Stamm gefallen sind und fallen, das sind die, die einander erkennen, die die mitten in der Welt auch durch die Bedrängnis gehen, aber die zugleich aus einer Quelle leben, die nicht von der Welt ist. Das sind die, die für diese Wahrheit bereit sind, vieles in Kauf zu nehmen. Und sie sind überzeugt, dass darin ihr Heil liegt, ihr Ganz-werden vor Gott, ihre Seligkeit. Es gibt unzählige von ihnen, wie wir in der Lesung gehört haben. Und alle die, die dies in Treue bis zu ihrem Lebensende durchgehalten haben, die Christus treu geblieben sind, alle die feiern wir heute. Alle die, die von seiner Art sind, von der Art Christi.

Und das Schöne ist, wir alle, die wir hier sind, die wir den Herrn suchen, die wir den Glauben leben und teilen wollen, wir gehören auch dazu. Wir sind Mitglieder der Gemeinschaft der Heiligen. Und je mehr wir es auch von innen her werden, desto mehr werden wir einander auch immer besser erkennen. Und zwar oft gerade in der Bedrängnis. Und wir haben einander auch deshalb, damit wir uns im gegenseitigen Erkennen unseren Glauben stärken, damit wir Menschen werden, die wirklich in Glaube, Hoffnung und Liebe wachsen. Ja, damit wir einander und der Welt bezeugen, dass es zwar Bedrängnis gibt, aber dass wir zusammen mit unseren Heiligen, einen Weg kennen, der uns zu der Überzeugung führt, dass keine Bedrängnis, kein Not und auch kein Tod das letzte Wort haben. Unsere Selbsthilfegruppe entpuppt sich als Gruppe, die Gottes Hilfe feiert! Der Name Jesus bedeutet übersetzt: Gott rettet. Unser Weg ist der Herr selbst, er ist unser Heil und führt uns in die Heiligkeit. Er führt uns in die Gemeinschaft mit allen Heiligen, die wir heute voll Freude feiern. Amen.


kath.net dokumentiert die Allerseelenpredigt (2.11.2014) von Bischof Oster in voller Länge:

Liebe Schwestern und Brüder im Glauben,
gestern, da haben wir noch aller Heiligen gedacht. Und es ist eigenartig, dass bei diesem großartigen Fest der Kirchenbesuch in der Regel nicht allzu zahlreich ist. Das hängt damit zusammen, dass das Bewusstsein für die Feier aller heiligen Männer und Frauen eher mit dem Totengedenken in Verbindung gebracht wird. Und am Nachmittag von Allerheiligen, da geht man eben auf die Gräber, meistens ebenfalls in Verbindung mit einem Totengedenken in der Kirche. Und einmal Kirche genügt ja am Tag, denkt man dann ökonomisch.

Aber diese Zuordnung, liebe Schwestern und Brüder, ist ein Missverständnis. Der Gräbergang hat seinen Platz am Allerheiligen Nachmittag deshalb gefunden, weil es ein Feiertag ist – und der Allerseelentag danach ist eben kein Feiertag, wenn er nicht ausgerechnet auf einen Sonntag fällt, wie in diesem Jahr. Aber im Grunde wäre der Allerseelentag der Tag für unseren Gräbergang.

Aber was ist nun der Unterschied zwischen den beiden Tagen, die wir so nah aufeinander feiern? Sie alle wissen, dass die Kirche Heilige hat: Männer und Frauen, die in ihrem Leben so sehr auf Gott bezogen waren, dass sie wirklich Gott und den Menschen voller Liebe dienen konnten. Denken Sie an Mutter Theresa, denken Sie an Franz von Assisi, denken Sie an Ihren eigenen Namenspatron. Diese Menschen waren freilich nicht deshalb heilig, weil sie sich in ihrer Tugendübung so großartig angestrengt haben, wie Superleistungssportler der Tugend. Sie sind heilig, weil ihre Gottverbundenheit so spürbar war und so in ihr Leben hineingestrahlt hat, dass sie einfach Menschen waren, die irgendwie das Ideal des vollendeten Menschseins verkörpert haben. Wir haben im Deutschen auch das Wort heil, das bedeutet auch ganz, vollständig. Zu einem Kind sagen wir: ich mach das wieder heil oder das wird schon wieder heil. Und im religiösen Sinn ist dann das Heil-Sein, das Ganz-Sein auch das Heilig sein. Im Englischen kann man die gemeinsame Wortwurzel auch gut erkennen: whole heißt ganz und holy eben heilig. Und das Fest Allerheiligen gedenkt eben all der Vielen, die ihre Ganzheit, ihre tiefe Menschlichkeit und Gottverbundenheit bekannt oder unbekannt in der Verborgenheit gelebt haben; Menschen; die die Kirche nicht in einem großen öffentlichen Verfahren für selig oder heilig erklärt hat. Alle Heiligen, ob bekannt oder unbekannt ehren wir an diesem Tag und bitten sie um ihre Fürsprache und ihren Schutz.

Und heute, am Allerseelentag erinnern wir uns an unsere lieben Verstorbenen, mit denen wir einen Teil unseres Lebens verbringen und teilen durften, mit denen wir auch heute noch innerlich verbunden sind. Und nun ist es sicher so, – wenn wir ehrlich genug sind – dann haben wir wohl bei den wenigsten unserer Verstorbenen den Eindruck, sie wären schon vollendet gewesen, schon ganz, schon heilig. Jeder und jede hatte wohl so seine Eigenheiten, seine Ecken und Kanten, jeder und jede hat sich wohl auch in manchen Dingen schwer getan mit dem Loslassen, viele haben sich schwer getan, einfach liebevoll und gut zu sein zu den anderen, viele werden sich auch schwer getan haben, an Gott zu glauben und auf ihn zu vertrauen. Kurzum: Die allermeisten von unseren Verstorbenen waren keine Heiligen, aber ich sage ausdrücklich dazu: noch keine Heiligen. Warum dieses „noch“? Weil die Kirche glaubt, dass wir alle, die wir Kirche sind, zusammengehören. Wir bilden eine Gemeinschaft, hier in diesem Leben und dort im Leben bei Gott. Und wir haben auch die Ahnung, dass wenn ein Mensch unvollendet, also nicht heilig ist, dass er dann gewissermaßen noch einen Weg vor sich hat. Gott entgegen.

Wir glauben das deshalb, weil niemand ganz zu Gott kommen und wirklich in seiner Nähe leben kann, der eben nicht selbst ganz ist, der nicht heil gemacht ist. Denn solange wir das nicht sind, halten wir dieses unfassbare, schöpferische Feuer der Liebe Gottes gar nicht aus. Es ist vielleicht vergleichbar mit dem Blick in die Sonne, je mehr wir aus dem Dunklen kommen, desto weniger halten wir den unmittelbaren Blick in die Sonne überhaupt aus. Je mehr wir andererseits die Helle des Tages gewohnt sind, desto eher schauen wir in die Sonne, ohne gleich blind zu werden und gar nichts mehr zu sehen. Und so ähnlich ist das mit unseren Herzen, liebe Schwestern und Brüder, je mehr unser Herz in diesem Leben auf Gott hin orientiert ist, je mehr es Sehnsucht nach Ihm hat, um Ihn zu kennen und zu lieben, desto mehr wird es von Ihm erfüllt. Es hat ja Umgang mit ihm, und er kann das Feuer seines Geistes nach und nach in unser Herz eingießen. Er macht unser Herz Ihm verwandt, er macht es hell, so dass es die innere Ausrichtung auf Gott ertragen kann und sogar immer mehr ersehnt. Es gibt Menschen, die sind so voll von diesem Feuer, die sind so bekannt mit Gott, die leben so aus Ihm, dass die Kirche immer gewusst hat, dass es diejenigen sind, die nach ihrem Tod gleich und unmittelbar ganz in seiner Nähe sind. Wenn die Kirche jüngst Papst Johannes Paul II. heiliggesprochen hat, dann in diesem Bewusstsein. Er war ein Mann Gottes, ein Mann der Liebe, der Tiefe, des Vertrauens, der Sehnsucht nach Gott. Er ist jetzt ganz bei Ihm. Wir können ihn anrufen und um Fürbitte bei Gott bitten.

Aber bei uns durchschnittlichen Christen und eben auch bei vielen unserer Verstorbenen, da ist eben noch viel, was noch geläutert, was noch verwandelt werden kann, was noch der Reifung bedarf, was eben noch der Durchdringung mit dem Heiligen Geist bedarf.

Und die Kirche hat immer auch gewusst und gelehrt, dass unsere Verbundenheit zu unseren Verstorbenen etwas dazu beitragen kann, dass sie näher zu Gott hin reifen und auf ihrem Läuterungsweg vorankommen. So wie schon in dieser Welt ein wirklich Liebender einem anderen mit dazu verhelfen kann, reifer zu werden und tiefer zu werden und vertrauensvoller zu werden. Kennen Sie das nicht, dass Sie in Gegenwart eines herzensguten Menschen selbst den Eindruck haben, zu einem besseren Menschen zu werden? Und sagen Sie nicht auch manchmal zu einem Menschen „bete bitte für mich“ – und Sie sagen es viel lieber zu jemandem, von dem Sie den Eindruck haben, er lebt innerlich nahe bei Gott als zu einem Lügner oder Gauner. Und wenn nun unsere Verstorbenen nicht völlig von uns getrennt sind, wenn wir alle in Gottes Kirche immer noch geeint sind, wenn wir zudem die Ahnung haben, unsere Verstorbenen sind noch auf dem Weg des Heilwerdens, dann ist unser Beten für die Verstorbenen gewissermaßen unsere Liebestat für sie, unsere Hilfe. Eben deshalb, weil es in der Kirche zwischen hier und drüben keine letzte Trennung, sondern bleibende Verbundenheit gibt, deshalb glauben wir, dass unsere dankbare, bittende, liebende Erinnerung an unsere Verstorbenen ihnen diesen Dienst erweisen kann, näher zu Gott zu kommen und so ganz zu werden, heilig zu werden. Diesen Weg der Läuterung, den nennt die Kirche in einem Bild das Fegefeuer. Dieses Bild, liebe Schwestern und Brüder, ist nicht zu verwechseln mit dem Bild des Feuers für die Hölle. Hölle ist eine Bezeichnung für einen Zustand, in dem ein Mensch sich endgültig und willentlich und mit letzter Konsequenz von Gott abgewandt und nur sich selbst zugewandt hat. Es ist die bewusste Entscheidung dafür, eine dunkle Seele ohne Gottes Liebe haben und behalten und in der selbstgewählten Dunkelheit bleiben zu wollen. In diesem Fall kommt das Feuer der Liebe Gottes gleichsam wie von außen auf so einen Menschen zu und eben nur von außen, so dass es fürchterlich weh tut, so dass es die einfach die Hölle ist. So ein Zustand wird mit dem Bild des Höllenfeuers beschrieben. Das Bild des Fegefeuers erzählt dagegen schon vom Himmel. Es erzählt davon, dass eine Seele geläutert wird, um immer mehr befähigt zu werden, das Licht Gottes auszuhalten und wirklich von ganzem Herzen bei ihm zu sein. Das so genannte Fegefeuer, die Läuterung, gehört also nicht zur Hölle, sondern schon zum Himmel.

Und das heißt, wir beten am Allerseelentag vor allem für unsere Verstorbenen, damit sie auf diesem Weg in die Nähe Gottes begleitet werden und vorankommen. Nun kann es freilich sein, dass unter denen, für die wir beten, auch solche dabei sind, die schon längst ganz bei Gott sind, die also heilig sind. Und diese, das glaubt die Kirche ebenfalls von Anfang an, die wiederum können aus ihrer Nähe zu Gott uns helfen, uns Fürsprecher sein, für uns beten und uns helfen, immer mehr in die Nähe Gottes zu kommen und immer mehr ganz, heilig zu werden.

Und sollten Sie nun nicht wissen, ob der verstorbene Opa oder die Oma oder der Angehörige oder die Freundin jemand war, für den wir beten müssen oder ob er schon für uns betet, dann machen Sie sich nicht allzu viel Sorgen. Derjenige, an den jedes Gebet gerichtet ist, wird es Gebete in jedem Fall so hören, dass es dem Heil insgesamt dient, dem Heil unserer Verstorbenen und unserem eigenen Heil. Amen.

Passauer Bischof Stefan Oster: Predigt bei der Einweihung des neuen Noviziates der Legionäre Christi in Neuötting-Alzgern


Foto Bischof Oster (c) Bistum Passau


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