
5. April 2003 in Deutschland
Er sprach sich für einen Boykott amerikanischer und britischer Waren aus. Die Deutsche Bischofskonferenz und mehrere Politiker distanzierten sich.
Berlin (www.kath.net)
Neue Aufregung um den Berliner Kardinal Georg Sterzinsky. Nach Bekanntwerdendes hohen Schuldenbergs des Bistums und den Spekulationen um einen möglichenRücktritt beschäftigt nun das Erzbistum Berlin ein anderes brisantes Thema.Sterzinsky hatte am Freitag in einem Radiointerview den Boykottamerikanischer und britischer Waren aufgrund des Irak-Kriegs verbalunterstützt. "Als Zeichen finde ich das gut", meinte der Kardinal lautdeutschen Medienberichten.
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Karl Lehmann, hat sichmittlerweile von dieser Aussage distanziert. Gegenüber der "Welt" meint er:"Der Aufruf ist die persönliche Meinung von Kardinal Sterzinsky. Sieentspricht nicht der Auffassung der deutschen Bischofskonferenz." AuchHans-Jürgen van Schewick, der obersteLaienvertreter des Bistums, lehnt die Position Sterzinskys ab. Gegenüber dem"Tagesspiegel" meint er: "Zwischen Amerika und Deutschland besteht einetiefe Freundschaft, auch wenn man über den Krieg unterschiedliche Meinungenhat. Wir sollten das Verhältnis durch solche Aussagen nicht noch zusätzlichbelasten." Auch die Evangelische Kirche hat sich von den Aussagendistanziert.
Besonders harsche Kritik kam jedoch aus der Politik. Martin Lindner, derFDP-Fraktionschef im Berliner Abgeordnetenhaus, meinte: "Ich weiß nicht, obder Herr Kardinal vom Heiligen Geist verlassen ist, sicher abervon allen guten Geistern. Ich bin ein guter Christ, aber das geht zu weit."Der CDU-Außenpolitiker Friedbert Pflüger und Christa Nickels von den"Grünen" zeigen sich gegenüber dem "Tagesspiegel" entsetzt. "Das ist einsolcherMissgriff, dass ich mich weigere zu glauben, dass ein leibhaftiger Kardinalsolch einen Vorschlag macht", so Pflüger. Der Fraktionssprecher des SPDmeinte lapidar: "Der Kardinal steht für sich."
"Kardinal Fehler" betitelte der "Tagesspiegel" einen Kommentar, der dieFrage stellte: "Was hat Kardinal Sterzinsky sich nur dabei gedacht, als erdie Frage nach einem Produktboykott nicht nur mit einem, sondern gleich mitzwei Sätzen öffentlich befürwortet hat?" Ton und Wort der Institutionenmüssten "besondersverlässlich sein, die ein langes Gedächtnis bewahren und verinnerlichthaben, was einzelne Menschen manchmal vergessen dürfen". Vermutlich habeKardinal Sterzinsky "bei seiner törichten Antwort einfach nichtnachgedacht".
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